Autor: Tobias Pflüger
Der neue Bundeswehr-Freiwilligendienst löst die Probleme der Bundeswehr nicht
Heute hat Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer den neuen Bundeswehr-Freiwilligendienst „Dein Jahr für Deutschland“ vorgestellt. Ab dem 1. April 2021 sollen zunächst tausend Teilnehmer eine siebenmonatige militärische Ausbildung durchlaufen und sich anschließend mindestens fünf Monate (in einem Gesamtzeitraum von sechs Jahren) als Reservisten engagieren.
Der ,Heimatschutzdienst‘ ist ein Wahlkampfmanöver von Annegret Kramp-Karrenbauer.
Er löst keines der bestehenden Probleme der Bundeswehr. Die Ministerin kann auch nicht erklären, wozu dieser Dienst überhaupt gut sein soll. Wahrscheinlich dient der Vorstoß vor allem dazu, die Reihen der Reserve aufzustocken, deren Zahl laut Bundeswehrplanungen künftig deutlich ansteigen soll. Es ist allerdings nichts geklärt, zum Beispiel, wo die neuen Heimatschützer bei der Bundeswehr eingesetzt werden sollen. Die Freiwilligen müssen ja betreut werden, aber dafür gibt es keine Kapazitäten und Strukturen.
Bedenklich ist der Vorstoß von Annegret Kramp-Karrenbauer auch wegen der rechten Netzwerke bei der Bundeswehr. Jetzt besteht die Gefahr, dass unter dem Deckmantel des Heimatschutzes noch mehr Rechtsextreme in den Kasernen landen. Für Rechtsextreme ist so ein Reservedienst eine zusätzliche Gelegenheit, eine Ausbildung an der Waffe zu bekommen. Anpreisende Sätze wie dieser aus den Reihen des Bundeswehrverbandes machen diese Gefahr nicht eben geringer: „Wer sich seinem Land, seiner Heimat und der Bundeswehr verbunden fühlt, der soll sich ab April 2021 mit dem neuen Freiwilligendienst Heimatschutz unter dem Titel ‚Dein Jahr für Deutschland‘ engagieren können.“
Der Präsident des Reservistenverbandes meint: „Die Bundeswehr und die Gesellschaft werden von einem Ausbau des Freiwilligendienstes profitieren. Der gesellschaftspolitische Aspekt des Dienstes ist nicht zu unterschätzen“ und „Ich bin überzeugt, dass die Auswirkungen auf den Zusammenhalt der Gesellschaft unser Zusammenleben nachhaltig positiv prägen wird, auch in Bezug auf die Fälle von Rechtsextremismus, die in den letzten Monaten immer wieder zutage kamen“.
Genau das ist offensichtlicher Unsinn. Die Wahrscheinlichkeit ist doch eher groß, dass genau diese rechten Kreise von einem solchen Dienst an der Waffe angezogen werden.
Es gibt außerdem bereits gute, zivile Freiwilligendienste wie das Freiwillige Soziale und das Freiwillige Ökologische Jahr. Die Bundeswehr sollte den bestehenden Freiwilligendiensten keine unnötige Konkurrenz machen. Und die zivilen Freiwilligendienste dürfen nicht gegenüber der Bundeswehr benachteiligt werden. Was ist zum Beispiel mit den für Soldatinnen und Soldaten kostenfreien Bahnfahrten? Wenn Bundeswehr-Freiwillige ohne eigene Kosten öffentliche Verkehrsmittel nutzen dürfen, dann muss das auch für alle anderen möglich werden.
Zu Recht kommt aus diesen Gründen auch Kritik aus den Reihen der Wohlfahrtsverbände, Ulrich Schneider vom Paritätischen Wohlfahrtsverband befürchtet, dass soziale Dienste nun benachteiligt werden im Wettbewerb mit der Bundeswehr. Und der Vorstandsvorsitzende der Arbeiterwohlfahrt (AWO), Wolfgang Stadler, wird mit den Worten zitiert: „Den Begriff eines Freiwilligendienstes bei der Bundeswehr lehnen wir ab.“ Durch den Vorstoß laufe der Begriff Gefahr, seine zivilgesellschaftliche Prägung zu verlieren: „Die Idee, einen freiwilligen militärischen Dienst an Deutschland einzuführen, vermischt Begrifflichkeiten, die sauber getrennt bleiben sollten.“
Veröffentlichung am 23.7.2020 auf Informationsstelle Militarisierung (IMI)