Die EU – ein „handlungsfähiger Stabilitätsanker“?
Autor: Tobias Pflüger
Unter deutscher Ratspräsidentschaft geht der Umbau der EU in eine Militärmacht voran.
Bisher ist gänzlich untergegangen, worauf sich die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union bei ihren tagelangen Finanzverhandlungen hinsichtlich der Militär- und Rüstungspolitik verständigt haben. Obwohl das Geld gerade in der Coronakrise anderswo dringender benötigt würde: Für den sogenannten Europäischen Verteidigungsfonds ist immer noch Geld da. 7,014 Milliarden Euro stehen dafür bereit, weitere 1,5 Milliarden sollen unter dem Stichwort »Military Mobility« in den Ausbau des Verkehrsnetzes fließen, das für Militärtransporte tauglich gemacht werden soll. Die »Europäische Friedensfazilität«, wie Militärhilfe für Drittstaaten neuerdings beschönigend genannt wird, bekommt 5 Milliarden Euro. Und für die Weltraumprogramme, vor allem Galileo und Copernikus, sind 13,202 Milliarden Euro vorgesehen.
Damit liegt die EU ganz auf der Linie der deutschen Ratspräsidentschaft. Nach deren Willen soll die Union künftig als »handlungsfähiger Stabilitätsanker und globaler Akteur im internationalen Krisenmanagement« auftreten. Dafür hat sich Berlin einiges vorgenommen: ein »Strategischer Kompass« soll her, der insbesondere Russland, aber auch China, sehr viel deutlicher als Bedrohung in den Fokus nimmt. Dann soll die Zusammenarbeit mit der NATO ausgeweitet werden, vor allem bei der militärischen Mobilität – für welche Aufmärsche? Und schließlich wird die Coronapandemie schamlos instrumentalisiert, um höhere Rüstungsausgaben durchzusetzen. Das European Medical Command, ein Projekt der sogenannten Ständigen Strukturierten Zusammenarbeit (Pesco), soll »modulare Sanitätsmaterialpakete für den Einsatz bei Epidemien und Pandemien« bereitstellen. Das Kleingedruckte dabei: auch »für Missionen und Operationen«. Also für EU-Militäreinsätze.
Geht es nach der deutschen Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer, soll es in der EU auch mehr »Koalitionen der Willigen« bei Auslandseinsätzen geben. Das läuft darauf hinaus, dass es zu mehr Militäreinsätzen wie dem in Mali kommen wird. In der aktuellen weltpolitischen Lage trägt dieses deutsche Programm für die EU-Ratspräsidentschaft nicht zur Deeskalation bestehender Konflikte bei. Es folgt ganz dem Geist der Aufrüstung. Die EU soll unter der deutschen Ratspräsidentschaft im militärischen Bereich weiter ausgebaut werden. Das ist generell falsch, aber ganz besonders dieses Jahr, wo die ganze Welt unter der Coronapandemie ächzt.
Statt europäische Großmachtträume zu verfolgen, wären die Rüstungsmilliarden besser in den Bereichen Gesundheit, Soziales und Forschung investiert. Die Verteidigungsministerin brachte selbst die Idee ins Spiel, Lazarettzüge in der EU einzurichten – als »rollende Intensiveinheiten« für die Verlegung von Pandemiekranken. Das wäre nicht mal eine schlechte Idee, wenn sie denn nur als zivile Maßnahme gedacht wäre und nicht von einer Verteidigungsministerin käme.
Veröffentlichung auf Informationsstelle Militarisierung (IMI) am 24.7.2020