Pressemitteilung vom 3.August 2020
Atomkraftgegner*innen prüfen Klage vor Verwaltungsgericht
Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) hat am 23. Juli 2020 den Widerspruch gegen die Ausfuhrgenehmigung für Brennelemente ans belgische Atomkraftwerk Doel zugunsten des Brennelementeherstellers EDF in Lingen und des AKW-Betreibers Engie-Electrabel in Doel/Belgien abgewiesen. Ein Bündnis aus Atomkraftgegner*innen fordert weiterhin den Ausfuhrstopp und prüft nun nach Auswertung des Ablehnungsbescheids eine Klage vor dem zuständigen Verwaltungsgericht. Die Widerspruchsführenden werden von der renommierten Rechtsanwältin Dr. Cornelia Ziehm vertreten.
Das BAFA hat den Widerspruch von sechs Personen aus Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen gegen die Ausfuhrgenehmigung von Brennelementen der Atomfabrik in Lingen nach Belgien mit der Begründung abgewiesen, dass er angeblich unzulässig sei. Laut Bewertung des Anti-Atom-Bündnisses ist dies jedoch fachlich inkorrekt. Es bestehe sehr wohl eine Widerspruchsbefugnis für mögliche Betroffene im Fall eines gravierenden Unfalls in den beiden Altreaktoren Doel 1 und 2. Wie Gutachten belegen, ist dieses Risiko auch nach internationalen Standards unzumutbar.
Nach Einschätzung des Bündnisses vermeidet das BAFA eine tatsächliche inhaltliche Auseinandersetzung, weil dann die fragwürdige Genehmigungspraxis des Amtes zu Tage treten würde. Das Dokument zur Genehmigung im strittigen Fall lässt bereits erkennen, dass die Ausfuhrgenehmigung nach Doel ohne die vorgeschriebene Prüfung stattfand und damit rechtswidrig ist – womöglich kein Einzelfall. „Zweifel an der Unabhängigkeit des BAFA sind hier sehr angebracht, sagt Hilde Debey vom Aachener Aktionsbündnis gegen Atomenergie. „Denn ganz offensichtlich entscheidet die Bundesbehörde blind zugunsten der Atomindustrie.“
„Eine Klage gegen die Genehmigung könnte endlich Rechtssicherheit schaffen. Laut einem Taz-Artikel vom 19. April 2020 würde im Umweltministerium eine solche Klärung eher begrüßt“, erklärt Walter Schumacher von Stop Tihange. „Da das Bundesamt und das Bundesumweltministerium offensichtlich nicht den Mut haben, durch einen Exportstopp selber eine juristische Klärung herbeizuführen, sind wir jetzt als Privatpersonen gefragt. Deshalb prüfen wir eine Klage“.
„Wir erwarten, dass Behörden und Ministerien das rechtsstaatliche Verfahren nicht durch Tricksereien unterwandern“, erklärt oder Alexander Vent vom Bündnis AgiEL in Lingen. „Solange Rechtsmittel gegen eine Ausfuhr noch ausgeschöpft werden können, dürfen keine Fakten geschaffen werden. Alles andere unterhöhlt das Vertrauen in den Rechtsstaat.“
„Anstatt die Stilllegung der störanfälligen belgischen Alt-Reaktoren zu fordern, unternehmen deutsche Behörden weiterhin alles, um ihre Versorgung mit Brennstoff sicherzustellen“, sagt Angelika Claußen von der Ärzteorganisation IPPNW. „Für die Sicherheit der Bevölkerung und einen konsequenten Atomausstieg braucht es endlich einen verbindlichen Exportstopp für Brennelemente“, ergänzt Philip Bedall vom Umweltinstitut München. „Selbst das Bundesumweltministerium hat diesen bereits Ende 2019 vorgeschlagen.“
Hintergrund:
Das Atomgesetz (AtG) sieht für Exporte von Brennelementen aus Deutschland vor, zu prüfen, ob das nukleare Exportgut im Ausland so verwendet wird, dass davon für die Bevölkerung in Deutschland keine Gefahr ausgeht. Es muss „gewährleistet“ sein, dass „die innere wie auch die äußere Sicherheit der Bundesrepublik“ dadurch nicht gefährdet ist (vgl. §3 AtG). Für die vorliegende Exportgenehmigung des BAFA für Brennelemente von Lingen ins belgische Doel wurde eine solche Prüfung nicht vorgenommen. Schon alleine aus diesem Grund muss die Ausfuhrgenehmigung als rechtswidrig bewertet werden, so Rechtsanwältin Dr. Cornelia Ziehm.
Eine Voraussetzung für den Transport der Brennelemente wurde bereits geschaffen. So erteilte das dem Bundesumweltministerium unterstellte Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE) bereits am 13. Juli eine Genehmigung für den Transport der Brennelemente auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland. Auch dagegen haben AtomkraftgegnerInnen einen Widerspruch angekündigt.
Die belgischen Reaktoren Doel 1 und 2 sind seit 45 Jahren in Betrieb. Wiederholt kam es in den Reaktoren zu Pannen, darunter ein schwerer Störfall im April 2018 in Doel 1, der zu einem sechsmonatigen Stillstand führte. Im Juli 2019 hatte der Europäische Gerichtshof und im März 2020 ein belgisches Gericht die Laufzeitverlängerung der Reaktoren ab dem Jahr 2015 für rechtswidrig erklärt. Der aktuelle Betrieb der Reaktoren wird formell nur geduldet.
Ende 2019 legte das Bundesumweltministerium einen Gesetzesentwurf für einen Exportstopp für Brennelemente aus Lingen vor. Nach den dort beschriebenen Kriterien wären Exporte von Lingen nach Doel in Zukunft genauso verboten wie von Lingen nach Tihange, Cattenom und in die Schweiz.
Quellen:
https://taz.de/Brennelemente-fuer-belgisches-AKW/!5679570/
http://www.stop-tihange.org/de/wp-content/uploads/sites/2/Widerspruch_BAFA_Ausfuhrgenehmigung.pdf
https://www.worldnuclearreport.org/IMG/pdf/wnisr2019-v2-hr.pdf
https://www.ippnw.de/commonFiles/pdfs/Atomenergie/Exportstopp_Brennelemente_Lingen.pdf
Veröffentlicht am 3.8.2020 auf deutsche Sektion der Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges (IPPNW)