Bundestag verlängert ISAF-Mandat

die Republik verliert (sich) am Hindukusch / „Hilfseinsatz“ im Süden von Afghanistan

Berlin: Das deutsche Parlament hat mit einer Mehrheit von 492 zu 71 Stimmen bei 9 Enthaltungen der von der Merkel-Exekutive geforderten Verlängerung des Einsatzes der deutschen Streitkräfte in Afghanistan im Rahmen des sogenannten ISAF-Mandates um ein weiteres Jahr zugestimmt.(1)Es war abzusehen. Entgegen aller Beteuerungen, Dementis und Verlautbarungen sollen außerdem Deutsche im Zuge eines „Hilfseinsatzes“ in den Süden Afghanistans, so berichtet die Financial Times Deutschland (FTD) in ihrer heutigen Ausgabe.(2)
Von „Hilfe“ wird geredet, von „Soldaten“ sei aber keine Rede.

Berfürworter eines solchen Kurswechsels hätten vom Entwicklungsministerium (Heidi WieczoreK-Zeul) und vom Auswärtigen Amt (Franky Steinmeier) bereits „positive Signale“ erhalten, sagte der verteidigungspolitische Sprecher der Grünen Winfried Nachtwei laut FTD.
Verteidigung? Hilfe? Hindukusch?
Nachtwei: „Die Einsicht greift um sich, dass auch die Sicherheitslage im Norden von der Entwicklung im Süden abhängig ist“.
Aha.
„Unser Schwerpunkt liegt im Norden“, so das Außenministerium (Auswärtiges Amt, AA).
Soso.

„Experten“ in Kabul drängen die deutsche Regierung in den Süden, die Lobbyistin Citha Maas von der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin meinte dazu wörtlich „wenn wir verhindern wollen, dass der Südosten auch umkippt, müssen wir dort etwas unternehmen“ und redete, quasi als Hilfsbegriffsbrücke für das AA, von einem neuen „Subschwerpunkt“ der deutschen Hilfe an der afghanischen Front.
Laut dem deutschem Botschafter von Kabul (Verzeihung, Afghanistan) Hans-Ulrich Seidt ist der Süden von Afghanistan aber bereits an die Afghanen verloren und durch die NATO nicht mehr zu halten. Desweiteren prognostiziert er den kompletten Kontrollverlust, also den Fall Afghanistans innerhalb von 12 bis 18 Monaten.

„Afghanistan ist nur verloren, wenn wir es verloren geben“, so Außenminister Frank „Franky“ Steinmeier in der heutigen Bundestagsdebatte zur Verlängerung des ISAF-Mandates.
Wir? Wer sind diese wir? Sind es vier alle oder die NATO? Steinmeier weiter:
„..wir müssen den Aufbau fortsetzen..unter Berücksichtigung der sozio-kulturellen Gegebenheiten..die bisherigen Stabilisierungserfolge.. “
Aufbau? Fortsetzen? Stabilisierungserfolge? Von welchem Land redet unser Außenminister?

„..die ganze internationale Staatengemeinschaft..“
da fällt mir ein: war Onkel Donald Rumsfeld nicht gerade in Albanien, Slowenien und Montenegro und mußte dort nach Truppen betteln? (3)

„..die Ermüdung der internationalen Staatengemeinschaft, die dort stattfindet..“
man könnte auch Niederlage dazu sagen.

“ der Aufbau der afghanischen Polizei muß verstärkt werden..der Aufbau von Schulen muß verstärkt werden..Aufbau einer gut ausgebildeten afghanischen Grenzpolizei..mit meinen Kollegen den Außenministern ..gutes Beispiel im Norden auch auf andere Bereiche übertragen..“
Na da schau her..

Die Fakten sprechen eine andere, eine deutliche Sprache. Treffen die Berichte über die Lage an der afghanischen Front auch nur teilweise zu, dann hat Außenminister Franky Steinmeier entweder keine Ahnung wovon er redet, oder er belügt auf schamloseste Art und Weise das deutsche Parlament.

„Loosing Afghanistan“

Am 2.Oktober wird die amerikanische Zeitschrift Newsweek in ihrer weltweiten erscheinenden Ausgabe mit dem Titelbild eines bewaffneten Afghanen aufmachen, unter folgender, großflächiger Überschrift: „Loosing Afghanistan“.(4)
Allerdings nicht in der US-Ausgabe, dort erscheint eine sterbenslangweilige Geschichte über die Fotografin Annie Leibowitz, mit dem vielleicht häßlichsten Titelbild was dieses Blatt je veröffentlicht hat.(5)
Allerdings wäre für die Bushregierung die Story welche man nun in Asien, Europa oder Afrika lesen kann, noch häßlicher gewesen.

Denn darin beschreiben Newsweek-Reporter detailliert, wie durch Mohnanbau bestens versorgte Kriegsfürsten mit aktiver Unterstützung der pakistanischen Militärs bereits 2 Autostunden von Kabul vollständig die Kontrolle übernommen haben, nicht nur im Süden, nein, praktisch überall außerhalb Kabuls und einer Handvoll größerer Städte.
Nach dem Newsweek-Bericht stellt sich die Lage an der afghanischen Front wie folgt dar:
Die afghanisch-pakistanische Grenze, willkürlich von den britischen Kolonialherren 1893 gezogen, existiert nur auf dem Papier, zu ihrer eigenen Überraschung können die Warlords gerade im Osten Afghanistans praktisch machen was sie wollen und in aller Ruhe Camps, Basen und Mohnfelder errichten, niemand schert sich drum und die NATO-Truppen erst Recht nicht.
Mit 40.000 Soldaten ist die Westarmee systematisch unterbesetzt, Bombardements haben scheinbar keine Wirkung und sämtliche „Entwicklungsgelder“ des Westens an die „Regierung“ Afghanistans versickern ohne irgendeinen positiven Effekt zu erzielen, während sich die sogenannten „Taliban“ (ein völlig unübersichtlicher Haufen von Leuten die gewohnt sind von Krieg und Opium zu leben) nur noch wundern wieviel Geld an sie aus dem Ausland fließt und wie sehr sich die Situation für sie seit einem Jahr gebessert hat.
Gegen wen die NATO da eigentlich die ganze Zeit kämpft ist völlig unklar.
Sicher ist nur: sie hat, so scheint es jedenfalls, die Kontrolle über Afghanistan verloren, ist nur noch mit Selbstschutz beschäftigt erleidet immer stärkere Verluste.
Die Einnahme Kabuls durch die Afghanen ist dabei nicht zu befürchten, eine offene Feldschlacht ist (wie im Irak) nicht zu erwarten und hätte für die Afghanen auch keinen Erfolg.
Es droht schlicht ein endloser Krieg in einem Kriegsgebiet des Westens, was einmal afghanisches Kriegsgebiet mit westlichen Waffen war, und davor sowjetisches Kriegsgebiet mit Aufständischen Marke Osama Bin Laden, welche schon damals mit westlichen Rüstungsgütern, Geld und Geheimdienstquellen bestens versorgt waren.
„Das könnte hier 40 oder 50 Jahre so weiter gehen“, verlautbarte ein ex-US-General gegenüber Newsweek.
Die Frage ist nun: mit den Deutschen oder ohne sie, wieviele bleiben für immer dort und wie lange müssen wir uns noch dieses ganze verlogene Gequatsche dazu anhören?

Stimmen aus dem Off (Bundestag)

Werner Hoyer, FDP:
„angesichts der Tartarenmeldungen die uns erreichen, wäre es unverantwortlich uns vom Acker zu machen“.
Logisch, oder?
Schließlich gäbe es bereits einen „veritablen Kampfeinsatz im Norden“, die Zahlen von Schulen seien „rückläufig“.
„Möglicherweise treibt Pakistan ein Doppelspiel“, so der FDP-Außenexperte und zitiert einen Militär: “
„´Wir werden nicht notwendigerweise verlieren`. Liebe Bundesregierung, das ist mir zuwenig.“ Und dann zu Franky Steinmeier:
„Ich bin von ihnen nicht ein einziges Mal vertraulich über die Maßnahmen im Zuge der Operation Enduring Freedom informiert worden, nicht ein einziges Mal..“
Sprach´s und stimmte zu.

Norman Paech, Linksfraktion:
die Kommandeure aus ISAF und Kampftruppen der NATO-Operation „Enduring Freedom“ seien teilweise identisch, 13.000 Soldaten aus den Fronttruppen im Osten jetzt aber seit heute unter ISAF Kommando.
Von einer Trennung zwischen Kampfeinsätzen und der ISAF zu reden sei vollkommen unsinnig.
Sprach´s und stimmte nicht zu.

Jürgen Trittin:
die ISAF sei ein „zivil-militärischer Ansatz, wie wir ihn, wie ich finde, erfolgreich verfolgen“.
Er stimmte natürlich auch zu.

auch noch da: deutsches Aufmarschgebiet Libanon

Heute besuchte der libanesische Ministerpräsident Siniora Berlin, bei der gemeinsamen Pressekonferenz bedankte er sich nicht nur für die deutsche Marine vor Libanon, sondern auch für die „technische Unterstützung“ bei die Sicherung der Grenzen zu Lande.
Zum selben Thema erklärte unser Merkel, sie wolle die libanesischen Sicherheitskräfte „ertüchtigen“ an der syrischen Grenze ihre Arbeit zu machen.

Gerd-Joachim von Fallois kam anschließend als Hofjournalist auf Phönix richtig in Fahrt, und erklärte, Merkel habe das „wie immer ganz souverän gemacht“ und sei „Herrin im eigenen Haus“.
Die Hisbollah habe ja schon gedroht die Deutschen mit Waffen anzugreifen, aber unsere Jungs seien bestens ausgerüstet „falls, wir wolln´s nicht hoffen, der Konflikt mit Waffengewalt ausgefochten wird“.
So reportierte er, der Gerd-Joachim von und zu, und wippte kampfeslustig auf seinen Zehenspitzen…

Quellen:
(1)
http://www.faz.net/s/Rub594835B672714A1DB1A121534F010EE1/Doc~E32259338B3304DBE884B7560FE45F102~ATpl~Ecommon~Scontent.html
(2)
http://www.ftd.de/politik/international/117306.html
(3)
http://www.rferl.org/featuresarticle/2006/9/abe014c4-11dc-4895-8541-ea1880908315.html
(4)
http://msnbc.msn.com/id/14975282/site/newsweek/site/newsweek/
(5)
http://www.msnbc.msn.com/id/14964292/site/newsweek/

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