Flug 253 Chronologie: Akt IV – Attentate, CIA und Privatsphäre

Auftakt: Ein geheimes Treffen im Weissen Haus. Akt I: Von Amsterdam nach Detroit.
Akt II – von London nach Houston
Akt III – von Detroit nach Jemen

Der Vater des mutmasslichen Flugzeug-Attentäters, Umaru Mutallab, wird am 27.Dezember durch den nigerianischen Geheimdienst SSS „eingeladen“ und taucht nicht mehr in der Öffentlichkeit auf. Nun soll er in Washington bei einer Kongress-Anhörung aussagen. Der britische Geheimdienst MI5 kannte Farouk Mutallab seit 2005 und gab auch Daten Mutallabs an die US-Behörden weiter, warnt aber nach eigener Aussage bis zuletzt nicht vor ihm, da er „nicht als gefährlich“ eingestuft worden sei. Der MI5 muss schliesslich öffentlich machen, dass er den US-Behörden Daten-Files über Mutallab vorenthalten hat und erfindet dafür immer neue hanebüchende Ausreden. Mehrere Muslime in Grossbritannien sagen öffentlich aus, sie seien vom MI5 zur Kollaboration erpresst worden.

Bereits nach dem offenkundig inszenierten „Flugzeug-Attentat“ von Detroit am 25.Dezember wird die CIA scharf kritisiert, weil sie vermeintliche Vorwarnungen nicht weiterleitete. Am 30.Dezember werden bei einem äusserst dubiosen Attentat, mitten in einer US-Militärbasis Ost-Afghanistans, mehrere CIA-Agenten getötet. Am 4.Januar wird durch einen Think Tank des Militärs ein umfangreicher Bericht veröffentlicht, mit dem Titel „Aufklärung  in Ordnung bringen: Eine Blaupause um die Geheimdienste in Afghanisten relevant zu machen“ („Fixing Intel: A Blueprint for Making Intelligence Relevant in Afghanistan“). Er erregt nicht nur in den USA, sondern weltweit einiges Aufsehen. Vieles deutet dabei auf eine Machtkampf zwischen dem Militär und der CIA.

In Afghanistan „beobachtet“ eine Kommision der UNO „die Taliban und al-Qaida“. Der Chef dieser Kommission: der ehemalige Leiter der Counterterrorismus-Abteilung des britischen Auslandsgeheimdienstes MI6. Und heute heisst es: es sei bei einer spanischen Zeitung ein 5 Jahre alter Bekennerbrief eingeworfen worden, der besage,  der angebliche „Selbstmordattentäter“, der in der afghanischen US-Basis die CIA-Agenten getötet habe,  hätte auch die Madrid-Attentate am 11.März 2004 verübt. Nur ohne Selbstmord.

30.Dezember:
In der „Forward Operating“-Basis Chapman der CIA in der ostafghanischen Grenzprovinz Khost ereignet sich eine schwere Detonation. Camp Chapman liegt „in der Nachbarschaft“ vom wesentlich grösseren Camp Salerno, ebenfalls eine Frontbasis für Operationen an der Grenze zu Pakistan. Camp Salerno wird von Sondereinheiten des US-Militärs genutzt.

Nach ersten Meldungen werden bei der Detonation 8 „Zivilisten“ getötet. Sofort wird vom Attentat eines Selbstmörders gesprochen, sowie von toten Agenten der CIA.  Angaben zufolge soll die Detonation „in einem Fitnessraum“ oder einem „Speisesaal“ des Stützpunktes erfolgt sein. (Tod von acht CIA-Agenten inmitten US-Militärbasis in Afghanistan, 31.12)

Drei verschiedene Gruppen von „Taliban“ übernehmen die Verantwortung, geben verschiedene Tatversionen ab, bestätigen aber alle die Version des „Selbstmordattentates“, melden also vermeintliche Insiderinformationen über den Tathergang, die nur ein Beteiligter wissen kann. Trotzdem widersprechen sich alle diese Versionen, die nacheinander an die Presse lanciert werden.

Nach einiger Zeit wird von toten 4 CIA-Offizieren und drei Leibwächtern von Blackwater ( „Xe“) gesprochen. Unter den Toten ist auch der Chef der CIA-Basis. Über den achten Toten wird nach einer Weile gemeldet, dass er Verwandter des Königs von Jordanien und Agent des jordanischen Geheimdienstes ist. Name des jordanischen Agenten: Ali bin Zaid.

Am 4.Januar schliesslich taucht ein Toter auf, der bis heute offensichtlich nicht mitgezählt wird: der nun mit dem Namen „Humam Khalil Abu-Mulal al-Balawi“ benannte mutmassliche Selbstmörder und Attentäter; den Angaben zufolge nicht nur ebenfalls jordanischer Agent – sondern von Ali bin Zaid angeworben. (19)

Schliesslich wird ein neunter Toter gemeldet. Es handelt sich um den Sicherheitschef der CIA-Basis. Die „Times“ (20) bezieht sich auf die Aussagen eines Wächters in der Basis, als sie am 10.Januar meldet: ein Soldat hat den Sicherheitschef des CIA-Stützpunktes in den Kopf geschossen – wie es heisst,  nach dem Attentat. Weil er eine Mittäterschaft des Sicherheitschefs vermutet habe, so die Behauptung.

Die „Times“ meldet folgenden Tatablauf: der afghanische Sicherheitschef, dessen Name mit „Arghawan“ angegeben wird, soll den mutmasslichen Attentäter (al-)Balawi mit dem Auto von ausserhalb abgeholt haben. Danach seien beide vor die Sperren des US-Stützpunktes gefahren.

Hier muss darauf hingewiesen werden, dass sich Camp Chapman ganz offensichtlich in einem gemeinsamen Sicherheitsbereich mit dem von Sondereinheiten des US-Militärs genutzten Camp Salerno befindet. Denn laut der Darstellung der „Times“ leitet ein Fahrzeug der US Army das Auto mit CIA-Sicherheitschef Arghawan und dem mutmasslichen Attentäter Balawi ungeprüft durch zwei Sicherheitssperren. Anschliessend hält es vor einem Gebäudeblock, der sowohl von der CIA, als auch von den Militärspionagediensten genutzt wird. Den afghanischen Wächtern ist zuvor von US-Soldaten befohlen worden, das Gelände zu verlassen und sich in ihre Gebäude zu begeben.

Laut dem in der „Times“ zitierten „Wächter“ steigt Balawi dann aus dem Auto und zündet unmittelbar danach einen am Körper getragenen Sprengstoff. In der Nähe halten sich, laut dem Zeugen, zu diesem Zeitpunkt die CIA-Agenten (darunter der Leiter der CIA-Basis), deren Leibwächter von Blackwater/Xe und „eine Handvoll Soldaten“ auf.

Tage vor dem „Times“-Artikel hatte eine Quelle gegenüber der „Baltimore Sun“ (21) gemeldet, dass einige der Toten sich „50 Fuss“  (ca.17 Meter) vom Ort der Detonation aufhielten. Aber obwohl diese getötet werden, soll Sicherheitschef Arghawan – der sich zum Zeitpunkt der Detonation ja in unmittelbarer Nähe Balawis befindet, weil er mit ihm im Auto gesessen hat – die Detonation überlebt haben. Dann, heisst es in der“ Times“, erschiesst den Sicherheitschef der CIA ein Soldat.

Dass soviele hochrangige CIA-Leute getötet werden, erscheint vielen merkwürdig. An jenem 30.Dezember, während in den USA die Affäre um das mutmassliche Flugzeug-Attentat von Detroit erst richtig in Fahrt kommt, handelt es sich bei dem Treff in Camp Chapman um eine recht bedeutsame Zusammenkunft: die anwesenden Teilnehmer des Treffen repräsentieren einen „Mix von Geheimdienst-Personal“ und ein „Spektrum von Spezialgebieten“ (21). Der Vize-Chef der CIA in Afghanistan ist angereist, das CIA-Hauptquartier in Langley „alarmiert“ und das Weisse Haus erwartet einen Anruf (20). Alles Anzeichen für eine bedeutende Operation.

Schon in den ersten Meldungen erwähnen „Analysten“, der Vorfall lasse Fragen über die Sicherheit der Koalitionstruppen vor Infiltration aufkommen. (22)

4.Januar:
Der Washington Denkpanzer („think tank“) „Center for a New American Security“ (CNAS) veröffentlicht einen umfangreichen Bericht (1) über den Zustand der militärischen sowie nachrichtendienstlichen Aufklärung und Spionage der Koalitionstruppen in Afghanisten. Bezogen wird sich auf uniformierte und zivile Militäragenten, sowie „interagenturelle Elemente“, in den Diensten der USA und Nato-Staaten wie z.B. Deutschland.

Der Bericht des CNAS stellt der Aufklärung, gesellschaftlichen Analyse und Gefahrenprävention vor Ort, sowohl durch die eigenen Dienste, als auch die der Nato-Staaten, nach 8 Jahren Besatzungszeit in Afghanistan ein vernichtendes Urteil aus. Diese hätten schlicht „keine Ahnung“ was in Afghanistan überhaupt passiere, würden die Entscheidungsträger in den Regionen nicht kennen, ebensowenig die kulturellen, sozialen oder politischen Abläufen verstehen. Während sich in den Bataillonen im Feld die Informationen häuften und meist improvisiert verwaltet und gespeichert würden, kämen diese selten in den Spionagezentren an, die meist Dutzende von Kilometer enfernt vom Geschehen untergebracht seien. Dort hätten die Geheimdienstoffiziere zwar ein prima Auskommen, so der Bericht („warme Mahlzeiten und heisse Duschen“), nur Ahnung hätten sie keine.

„Zu oft hat es die Geheimniskrämerei der Geheimdienste erlaubt, der Kontrollfunktion über die Kunden (Anm.: die Afghanen) zu entgehen und der Überwachung der Kommandeure. Zu oft, wenn ein S-2 Offizier (Anm.: leitender Spion) nicht liefern kann, wird er eher ignoriert statt gefeuert. Es ist schwer sich einen Bataillons- oder Regimentskommandeur vorzustellen, der einen Adjutanten oder einen Offizier für Operationen, Kommunikation, Logistik toleriert, der es nicht fertig bringt seinen oder ihren Job zu machen. Aber ineffektiven Geheimdienstoffizieren wird, bis auf wenige Ausnahmen, erlaubt, in der Gegend rumzuhängen.

Als Konsequenz des eindringlich gescheiterten Versagens der Militäraufklärung wird die Einrichtung von „Informationszentren“ gefordert, in denen zivile Angestellte Informationen vor allem aus öffentlich zugänglich Quellen sammeln und mit verdeckt organisiertem Spionagematerial kombinieren sollen. Die Leitung dieser Informationszentren, die eine gravierende Schwächung des regulären Spionageapparates (wie z.B. der CIA) bedeuten würden, solle das US-Aussenministerium Hillary Clintons bekommen, so das CNAS-Konzept.

Erstellt ist der Bericht des CNAS-Think Tanks unter Leitung von General Michael T. Flynn. Flynn diente bereits von 2004-2007 unter dem heutigen Isaf-Kommandeur Stanley McChrystal als Chef der Spionageabteilung im berüchtigten „Joint Special Operations Command“ (JSOC). Von Juni 2007 bis 2008 war Flynn Chef für geheimdienstliche Informationen im Zentralkommando (Centcom). Kurz nachdem der heutige Centcom-Befehlshaber General David Petraeus seinen Posten antrat, wechselte Flynn ins Pentagon und wurde dort Direktor der Geheimdienstabteilungen.

Mitgründerin des CNAS ist Michele Flournoy, seit Anfang 2009 Leiterin der politischen Abteilung des Pentagon und bereits seit geraumer Zeit einer der führenden Strateginnen für einen kompletten Umbau des US-Militär-, Spionage- und Polizeiapparates in den USA. Sie war u.a. eine der 21 Leiter des parteiübergreifenden „Projekts für eine Nationale Sicherheitsreform“. Desweiteren ist die Pentagon-Abteilungsleiterin Mitglied in der Strategiegruppe des Aspen-Instituts, dem Rat für Auswärtige Beziehungen („Council on Foreign Relations“), usw, usw. Bereits während der Präsidentschaft Bill Clintons diente Flournoy im Pentagon, sie unterstützte Hillary Clinton in ihrem Wahlkampf 2008.

Das CNAS ist spezialisiert auf Themen wie Terrorismus, irreguläre Kriegführung, die Zukunft der Kriegführung durch die USA, sowie den Aufstieg Asiens zu einem globalem Machtzentrum. CNAS-Mitbegründerin Flournoy machte letzten Monat in Taiwan klar, was sie darunter versteht; sie empfahl dem Konkurrenten von China in der Region, anstelle des Kaufs regulärer Kampfjets, „asymmetrische Kapazitäten“ aufzubauen (2).

Unter „asymmetrischer Kriegführung“ oder „asymmetrische Bedrohungen“ (Attentate, Bombenanschläge, verdeckte Operationen) versteht man im Allgemeinen „Terrorismus“. Wegen der „asymmetrischen Bedrohung in Afghanistan“ wollte die Regierungspartei CDU noch diesen Dezember unsere Verfassung ändern (3). Ob zur Verhinderung, oder zwecks grössererHandlungsfreiheit zur Durchführung „terroristischer“ Kriegführung, das ist die Frage, welche demnächst der wegen der Kunduz-Affäre zum Untersuchungsausschuss umgeschminkte Militärausschuss („Verteidigungsausschuss“) nach Kräften versuchen wird zu vertuschen.

Sowohl General Petraeus, als auch US-Aussenministerin Hillary Clinton, waren letztes Jahr Redner bei CNAS-Veranstaltungen und gelten als Unterstützer des Denkpanzers. Petraeus äusserte,

„CNAS hat sich, in ein paar kurzen Jahren, als eine echte Macht in Think Tank- und Politik-Kreisen etabliert“

Nicht nur der Bericht selbst, sondern auch die Art und Weise wie der Bericht veröffentlicht wurde, wurde als Anzeichen eines Kompetenz- und Machtgerangels im US-Militär, Teilen der zivilen US-Regierung, sowie dem Auslandsgeheimdienst CIA verstanden.

Die britische „Times“ (4) höhnt, die CIA solle sich an den britischen Raj-Agenten aus der Kolonialzeiten des Vereinigten Königreiches am Hindukusch ein Beispiel nehmen. Dabei taucht die CIA im Bericht nur in einer Fussnote auf. Dennoch kocht die Diskussion schliesslich derart hoch, dass der zivile Militärchef der USA, Verteidigungsminister Robert Gates (selbst ehemaliger CIA-Spion) schliesslich ausdrücklich betonen muss, der Bericht habe nicht auf die CIA gezielt (5). Feststeht allerdings eins: auch das Pentagon wurde von der Veröffentlichung des Berichtes überrascht und hatte sich zuerst verärgert gezeigt. (6)

Eine ohne Zweifel aus Sicht der Besatzungsmacht sinnvolle und lang überfällige effektive Militäraufklärung in Afghanistan – in Kombination mit informellem Verständnis des zivilen Sektors – würde im Ergebnis eine erhebliche Stärkung des US-Militärs bedeuten, nicht nur in Afghanistan selbst. Die Einordnung der Informationszentren („information center“) unter die Befehlsgewalt des Aussenministeriums, könnte zudem die Revierkämpfe mit der „Central Intelligence Agency“ (CIA) geradezu exemplarisch befördern, die keinem Ministerium zugeordnet ist und erst seit 2004 formal durch den neu geschaffenen Posten des Obersten Geheimdienstdirektors DNI („Director of National Intelligence“) geleitet wird.

Bereits nach dem obskuren angeblichen Flugzeug-Attentat auf Flug 253 aus Amsterdam am 25.Dezember war die CIA in die Kritik geraten. Der Vater des vermeintlichen Attentäters Farouk Mutallab (Abdulmutallab) habe am 19.November die CIA informiert, hiess es.

Dabei war  Umaru Mutallab in die US-Botschaft Nigerias gegangen, diese hatte auch einen Bericht in die USA gesandt – aber an das Aussenministerium Hillary Clintons. Von dort aus gingen die Informationen an das Counterterrorismus-Zentrum NCTC, welches dem Obersten Geheimdienstdirektor unterstellt ist.

Es war der Sprecher des Aussenministeriums Ian Kelly höchstpersönlich, der am 28.Dezember in einer legendären Pressekonferenz (7) dies alles heraus stotterte. Von den anwesenden Journalisten in nie gekannter Weise hochgenommen („Sie fangen jetzt verdammt nochmal besser an darüber zu reden, weil sie kurz davor sind, den Hammer Gottes auf den Kopf zu bekommen“).

Es sei hier kurz erwähnt, dass an diesem Tag bereits die gesamte Presse ein durch die Propagandafirma „IntelCenter“ veröffentlichtes Video der „al-Qaida“ aus dem Jemen rauf und runter zitierte. Alles war voll von dem Bekenntnis aus „IntelCenter“, was dieses vermeintlich aus dem Internet hatte, wohin es aus dem Jemen über einen – oh Wunder – vorratsdatenspeicherungsfreien upload aus einem High-Tech-Studio hochgeladen worden war, worin sich wiederum irgendwelche Fingerwedler zum live im Flugzeug mitgefilmten Attentatsversuch am 25.Dezember in Flug 253 bekannt hatten. Jeder schrieb darüber, jeder sprach darüber, das US-Militär wärmte schon mal die Nachbrenner ihrer Bomber an. Bloss der Sprecher des Aussenministeriums der Vereinigten Staaten von Amerika, Ian Kelly, er hatte von diesem Video, mit dessen Hilfe seine Chefin Hillary Clinton später die Lage im Jemen als „Bedrohung für die ganze die Welt“ (8) bezeichnen sollte, noch kein Sterbenswörtchen gehört („I have not heard this“). (7)

Offenbar hatte man Kelly vor der brisanten Pressekonferenz nur mit den wirklich wichtigen Neuigkeiten versorgt.

Das kolportierte Versagen der CIA im Fall des vermeintlichen Detroit-Attentats stellten Quellen aus dem Spionagedienst ganz anders da. Gegenüber „CBS News“ berichteten CIA-Quellen, die vermeintlichen Informationen über einen „Nigerianer“ aus dem Jemen seien Hörensagen, also aus zweiter Hand gewesen (9). Zu dem Gespräch des Vaters von Farouk „Abdulmutallab“, Umaru Mutallab, mit einem CIA-Beamten in der US-Botschaft in Nigeria am 19.November wiederum sagte „politico“ (10) eine CIA-Quelle vier Tage nach dem Zwischenfall auf Flug 253:

„Abdulmutallabs Vater sagte nicht, sein Sohn sei Terrorist, ganz zu schweigen von der Planung eines Angriffs. Überhaupt nicht. Ich wüsste nicht von irgendeinem magischen Exemplar von Geheimdienst („some magic piece of intelligence“), das plötzlich diesen Typ – dessen Namen niemand überhaupt hatte bis November –  als einen Killer auf dem Weg nach Amerika vermerkt hätte, ganz zu schweigen davon, dass irgendjemand etwas zurückgehalten hätte“

Was diese Aussage aus der CIA im Nachhinein so glaubwürdig macht, ist ihre charmante Unwissenheit. Wie nachher das Counterterrorismus-Zentrum NCTC zähneknirschend zugeben musste, war der mutmassliche Detroit-Attentäter Farouk Mutallab im August 2008 zu einer Ausbildung in den USA. Während des 16-tägigen „Kurses“ eines saudisch finanzierten wahhabitisch-salafistischen Netzwerkes „unterrichtete“ ihn ein gewisser Yasir (Yashir) Qadhi. Dieser war ebenfalls “führender Teilnehmer” einer Counter-Terror Strategiekonferenz in den USA „im Sommer“ 2008. Veranstalter: das US-Counterterrorismus-Zentrum NCTC. (Flug 253 Chronologie: Akt II – von London nach Houston, 04.Januar)

Irgendjemand musste also den Namen Mutallab also sehr wohl schon vor dem 19.November 2009 gehabt haben. Nur offensichtlich nicht die CIA. Eine weitere Möglichkeit kann hierbei nicht ausgeschlossen werden: dass in einem trickreichen Swap Identitäten und Personen einfach ausgetauscht wurden.

Farouk Mutallab bekam im Juni 2008 vom US-Aussenministerium ein Visa ausgestellt. Und das nicht zum ersten Mal, er hatte laut Aussage von Clinton-Sprecher Kelly bereits vorher eins (7). Es gibt bis heute niemand, der darüber gerne einmal reden will.

Dazu muss noch erwähnt werden, dass Farouk Mutallab auf mehreren öffentlich zugänglichen Fotos völlig anders wirkt, als auf einem Foto der nigerianischen „Sahara Reporters“. Diese nigerianische Zeitung hatte Mutallabs Identität, nach diversen Nebelkerzen durch US-Behörden und Kongressabgeordnete, überhaupt erst recherchiert. (15)

5.Januar:
Aus London versucht man nun, dem eh schon schwer hinkendenden Angestellten des US-Militärs im Weissen Haus (Sie verstehen: Barack Obama) noch eine weitere Blamage mitzugeben. Das freilich geht anschliessend nach hinten los. Der Sprecher von Premierminister Gordon Brown verkündet, man habe bereits „vor über einem Jahr“ Informationen über Mutallab an die US-Behörden weitergeleitet – aber offensichtlich nicht an die CIA. Rausreden muss sich diesmal jedenfalls ein „Counterterrorismus“-Beamter (16). Ein Hinweis auf das NCTC.

Der Versuch der britischen Regierung, den US-Präsidenten durch weitere Meldungen über noch mehr versäumte Vorwarnungen noch weiter zu schwächen, muss scheitern, weil – was gibt es bei Barack Obama noch zu schwächen? Hinzu kommt, dass ausgerechnet an diesem Tage mehrere Briten muslimischen Glaubens über Erpressungen durch den Inlandsgeheimdienst MI5 berichten. Dieser tyrannisiere sie gezielt und organisiert als anvisierte Zielpersonen, um sie dann zu rekrutieren und als Informanten und V-Leute für die eigenen Zwecke einzusetzen. (24)

In Afghanistan „beobachtet“ eine Kommision der UNO „die Taliban und al-Qaida“. Der Chef dieser Kommission: Richard Barrett. Barret ist ehemaliger Leiter der Counterterrorismus-Abteilung des britischen Auslandsgeheimdienstes MI6. (20)

6.Januar:
Nun merkt man in London, welch geschickten Schachzug man da wieder unternommen hat. „Heimatminister“ Alan Johnson muss plausibel erläutern, warum Farouk Mutallab bereits seit 2005 beim MI5 „bekannt“ war, trotzdem „keine Bedrohung“ darstellte (sonst hätte man ja die US-Behörden vor dem 25.Dezember warnen müssen), aber dennoch im Jahre 2009 kein Visum mehr für das Vereinigte Königreich bekam, als er erneut versuchte einzureisen. (17)

Johnson schafft auch dies durch das typisch-britische Gewohnheitsrecht, kombiniert mit bissig-stoischer Ironie: die Presse quetscht ein bisschen an der Autorität rum, sieht wie sie leidet und lässt es dann schlecht sein.  Die Labour-Regierung tut ein bisschen zerknirscht, das war´s, bitte weitergehn.

Inzwischen hat man sich darauf geeinigt, dass die Datenschützer ihrer Majestät vom MI5, Angaben über radikale Muslime grundsätzlich nicht an die US-Behörden weitergeben – aus Gründen der Privatsphäre. (18)

12.Januar:
Wenigstens in Washington ist man nun – jetzt schon – daran interessiert, einmal mit dem Vater Mutallab zu reden. Der verschwindet nämlich am 27.Dezember auf „Einladung“ (11) des nigerianischen Geheimdienstes SSS (der vom Mossad ausgebildet wird, 12) und ward nicht mehr gesehen. Journalisten werden abgewimmelt, es heisst in Nigeria, der Vater sei von der SSS „gedrillt“ worden. (13)

Doch nun wird am Dienstag ein kleiner Bittbrief bekannt. Geschrieben hat ihn niemand anderes als der Steinmeier der USA, der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses vom US-Senat, John Kerry. Auch er lud Umaru Mutallab herzlich ein – allerdings nach Washington zu einer Kongress-Anhörung. Jetzt, wo der Weihnachtsurlaub schon vorbei ist, kann man es ja auch mal mit einer Untersuchung versuchen.

Immerhin kann man sich im Auswärtigen Senats-Ausschuss einen hauptamtlichen Sprecher leisten. Dieser tut nun am Dienstag kund (14):

„Der Kongress ringt mit den spezifischen Fragen des Bomben-Plots vom Weihnachtstag und den weiteren Fragen, wie Jemen ein Prüfstein für Radikalisierung werden konnte. Mr.Mutallab, der seinen eigenen Sohn als einen Extremisten identifiziert hat und als Bedrohung für die Vereinigten Staaten, hat eine wichtige Geschichte zu erzählen und der Ausschuss würde gern von ihm hören“.

Wie schön, wenn man in guter Gesellschaft ist.

13. Januar, heute:
So ein Zufall, es erwischt einen wie immer völlig unerwartet. (Jetzt das “Terror”-Video, Jungs, jetzt das “Terror”-Video, 09.Januar)
Nun heisst es, der Tage später entdeckte mutmassliche Attentäter des jordanischen Geheimdienstes, der am 30.Dezember als „Doppelagent“ das Attentat auf die CIA-Agenten in Camp Chapman verübte, er habe auch das Attentat am 11.März 2004 in der spanischen Hauptstadt Madrid verübt. Nur ohne Selbstmord.

Und die deutlichen Beweise: ein angeblich 5 Jahre alter Bekennerbrief an eine spanische Zeitung, mit der Unterschrift eines Namens, welcher angeblich vom mutmasslichen Selbstmordattentäter vorher in irgendwelchen Internetforen als Pseudonym verwendet worden sein soll (23)

Quellen:
(1) http://www.cnas.org/files/documents/publications/AfghanIntel_Flynn_Jan2010_code507_voices.pdf
(2) http://www.taiwantoday.tw/ct.asp?xItem=90264&CtNode=414
(3) https://www.taz.de/1/politik/asien/artikel/1/union-will-grundgesetz-aendern/
(4) http://www.timesonline.co.uk/tol/news/world/Afghanistan/article6977046.ece
(5) http://www.reuters.com/article/idUSTRE6065OC20100108
(6) http://www.reuters.com/article/idUSTRE60403V20100105?type=politicsNews
(7) http://www.state.gov/r/pa/prs/ps/2009/dec/134213.htm
(8) http://www.welt.de/politik/ausland/article5728741/Clinton-fordert-Hilfe-der-Welt-im-Anti-Terror-Kampf.html
(9) http://www.cbsnews.com/stories/2009/12/30/cbsnews_investigates/main6038832.shtml
(10) http://www.politico.com/news/stories/1209/31048.html
(11) http://www.ngrguardiannews.com/news/article01/indexn3_html?pdate=271209&ptitle=MUTALLAB:  Man Who Shamed Nigeria&cpdate=271209
(12) http://www.radio-utopie.de/2010/01/05/flug-253-chronologie-akt-iii-von-detroit-nach-jemen/
(13) http://www.punchng.com/Articl.aspx?theartic=Art20091228141957
(14) http://www.politico.com/news/stories/0110/31395.html
(15) http://www.radio-utopie.de/2010/01/04/flug-253-chronologie-akt-ii-von-london-nach-houston/
(16) http://www.telegraph.co.uk/news/worldnews/northamerica/usa/barackobama/6938334/Pressure-on-Barack-Obama-to-reveal-what-Britain-said-about-Detroit-bomber.html
(17) http://online.wsj.com/article/SB126270285039316445.html?mod=article-outset-box
(18) http://www.timesonline.co.uk/tol/news/politics/article6982393.ece
(19) http://www.metronews.ca/vancouver/world/article/413038–former-intelligence-official-confirms-cia-suicide-bomber-was-jordanian-possible-double-agent?pageno=1
(20) http://www.timesonline.co.uk/tol/news/world/Afghanistan/article6982465.ece
(21) http://www.baltimoresun.com/health/sns-dc-cia-afghan9,0,6025804.story
(22) http://news.bbc.co.uk/2/hi/south_asia/8435502.stm
(23) http://www.welt.de/politik/article5826760/CIA-Attentaeter-in-Anschlaege-von-Madrid-verwickelt.html
(24) http://www.independent.co.uk/news/uk/home-news/mi5-still-using-threats-to-recruit-muslim-spies-1857750.html

Links aktualisiert am 01.05.2014. Rechtschreibung korrigiert am 07.06.2015. Der Inhalt wurde jeweils nicht verändert.

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