Wie weiter mit der Berliner WASG?

Nein zur Fusion!
Im Fall der Fusion:
Für den Aufbau einer bundesweiten Alternative zur „Linken“ – auch in Berlin!

(1) Wie zu Zeiten der Gründung der WASG ist die Notwendigkeit einer neuen, wirklich linken Partei unverändert gegeben: die Situation von Hartz-IV-Empfängern, prekär Beschäftigten, MigrantInnen, aber auch von vielen „Normalbeschäftigten“ etc. schreit nach wie vor nach einer konsequenten sozialen Opposition, die auch parteipolitisch organisiert ist.(2) Die Entwicklung von WASG und L.PDS macht klar: die fusionierte „neue Linke“ wird sich einreihen in den Kanon der Parteien, die das bestehende Elend verwalten und die Ursachen seiner Vermehrung nicht bekämpfen wollen oder können. Die Fusion findet zu den Bedingungen des L.PDS-Apparats statt, die in der Gretchenfrage der Regierungsbeteiligung die Macht des faktischen Kapitalismus für unangreifbar erklärt. Unter gegenwärtigen Bedingungen kann solche „linke Politik“ nur heißen, Sozialabbau für „unausweichlich“ zu erklären und nur etwas weniger wie die anderen zu betreiben. Eine solche Politik stellt für die Betroffenen von Sozialabbau, Deklassierung und sozialer Ausgrenzung nicht nur keine Alternative dar – sie macht für viele von ihnen „linke Politik“ sogar abstoßend.

(3) Das Gewicht der Apparate in der L.PDS (die ihren Frieden mit dem herrschenden System gemacht haben), wie auch der Gewerkschaftsfunktionäre in der WASG (die in den West-Gewerkschaften systematisch gelernt haben, ihre Basis für dumm und inaktiv zu halten) machen an sich schon eine konsequent linke Opposition in der fusionierten Partei fast unmöglich. Dazu kommen nun Strukturen und Grundsätze, die diesen Apparaten nun auch de facto freie Hand für die praktisch-politischen Hauptaktivitäten lassen. Daher werden die verschiedenen Projekte für die Bildung von Oppositionen in der „Linken“ nicht anders enden wie die „Kommunistische Plattform“ in der L.PDS: praktisch einflusslos, aber nützlich, um der Partei den etwas markanteren linken Anstrich zu geben.

(4) In der WASG, ja auch in der L.PDS, gibt es viele, die diese Farce einer „linken Fusion“ nicht mitmachen wollen und werden. Dies trifft nicht nur auf Berlin und einige Ost-Verbände zu. Anders als vielfach behauptet, sind die entsprechenden Erfahrungen vieler West-Linker mit der PDS schon ausreichend, um auch dort viele aktive Mitglieder von dem Projekt ab zu stoßen. Die Frage einer Alternative jenseits der „Linken“ stellt sich daher immer dringender – ansonsten droht die Fragmentierung der mit der WASG geschaffenen Ansätze.

(5) Dies gilt im besonderen Maße auch für Berlin. Der Kampf um den eigenständigen Wahlantritt war sicher ein Erfolg, der zu einer sehr aktiven und selbstbewussten Basis in den Basisorganisationen der Berliner WASG geführt hat. Gleichzeitig haben wir im Wahlkampf kräftig Erfahrung mit den Betroffenen von Sozialabbau (auch durch den SPD/PDS-Senat) gemacht, die aufgezeigt haben, welch enormes Potenzial für eine Partei des sozialen Protestes in dieser Stadt besteht. Dass sich dies „nur“ in 40.000 Stimmen niedergeschlagen hat, ist angesichts des Entwicklungsstandes von selbständigen, bewussten Protest nicht weiter verwunderlich. Die Stadtweite Verankerung der Berliner WASG und ihre Teilnahme an verschiedensten Protesten (betrieblich oder im Stadtteil) ist selbst ein großer Fortschritt gegenüber der Isoliertheit und Beschränktheit der linken Protestmilieus zuvor. Dies darf nicht verloren gehen, wenn die Fusion von einem großen Teil der jetzigen aktiven Berliner WASG nicht mitgemacht wird!

(6) Unserer Ansicht nach kann die Antwort auf das „Wie weiter nach der Fusion?“ nur der Aufbau einer bundesweiten politischen Alternative zur „Linken“ sein. Die auch für Berlin zentralen Angriffe können nicht bloß in Berlin bekämpft werden, ob es sich um die Hartz-Gesetze, die Ursachen von „Finanznotlage“ und „Privatisierungszwang“ handelt, oder um die wachsende innere und äußere Aufrüstung. Dass die Kräfte für den Aufbau einer konsequent-oppositionellen politischen Kraft links vom Fusionsprozess momentan gering sind, heißt für uns nicht, dass wir warten müssen, bis sich die „Linke“ endgültig – wie jetzt die SPD – bei breiten Massen von Betroffenen diskreditiert hat. Wir müssen jetzt einen Rahmen für politische Diskussion und Aktivität schaffen, mit dem wir die nächste Gelegenheit für die Bildung einer bundesweiten wirklichen Linkspartei besser nutzen können, als dies offensichtlich bei der WASG gelungen ist.

(7) Das „Netzwerk Linke Opposition“, das sich aus den bundesweiten Treffen von Kassel und Felsberg heraus im letzten Jahr gebildet hat, versteht sich als so ein Rahmen, in dem Vernetzung von Diskussion und Aktivität heute im Vordergrund steht – und nicht um überstürzt eine neue bundesweite Partei zu „proklamieren“ (wie dies von einigen unterstellt wird). Im Gegensatz zu einem unverbindlichen Absprache-Treffen verschiedener „organisierter“ Tendenzen in- und außerhalb von WASG/L.PDS ermöglicht es einerseits auch die Mitarbeit von „Nicht-Organisierten“. Andererseits definiert es sich eindeutig und verbindlich als „außerhalb“ der fusionierten „Linken“ (in der „Felsberger Erklärung“). Dies schließt die Mitarbeit von Mitgliedern der „Linken“ nicht aus, solange ihre prinzipielle und öffentlich wirksame Opposition zur herrschenden Politik der Pseudo-Linken mit unseren Grundsätzen übereinstimmt.

(8) Wir treten dafür ein, dass die Berliner WASG sich nicht an der bundesweiten Fusion von WASG und L.PDS beteiligt. Stattdessen sind wir für die organisierte Mitarbeit in dem sich bildenden bundesweiten Netzwerk Linke Opposition. Dies erlaubt eine Weiterführung bezirklicher und aktivistischer Strukturen, wie auch die Aufrechterhaltung eines bundesweiten Diskussionszusammenhangs. Gerade der Berliner WASG kommt eine besondere Rolle beim Zusammenhalt der bundesweiten oppositionellen Strömungen zu. Der Aufbau des bundessweiten Netzwerks muss auf zentralen Aktionen (Anti-G8/EU-Gipfel-Proteste, Proteste gegen Sozialabbau, etc.), in denen wir bundesweit gemeinsam weiterhin vernetzt aktiv werden können, beruhen. Dazu brauchen wir jedoch streng basisdemokratische Strukturen, die auf Delegationsprinzipien und der Vermeidung von Ämterkonzentrationen beruhen. Eine solche Vernetzung ist unmöglich ohne die Diskussion unserer politischen Alternativen. Daher muss die grundlegende Diskussion einer weitergehenden Programmatik zentrales Moment des Netzwerks sein.

(9) Wir lehnen jegliche Form der WASG-Berlin-Fortführung ab, die sich nicht klar gegen die L.PDS/“Linke“ in Berlin positioniert. Daher halten wir einen „Verein“, der sich nicht klar von der „Linken“ abgrenzt, teilweise in ihr organisiert ist und vor allem um „Bündnisfähigkeit“ mit der „Linken“ oder der Gewerkschaftsbürokratie buhlt, für grundfalsch. Die berechtigten Zweifel an einer „Regionalparteilösung“ werden von den Befürwortern der „Vereins“-Lösung mit der loseren Organisationsform in die Irre geführt: Was mit der Zurücknahme des Anspruchs, in Berlin eine eigenständige Partei bilden zu wollen, vor allem zum Ausdruck kommt, ist, dass wir die Herausforderung der L.PDS und ihrer Senatspolitik nicht mehr direkt angehen. Der „Verein“ ist eine Lösung, die auf verschiedensten Ebenen eine Zusammenarbeit mit der „Linken“ und ihren Pseudo-Oppositionen erlaubt – und uns letztlich durch ihre reine „Masse“ in ihr Orbit zwingt.

(10) Wir halten die Bildung einer Nachfolge-Partei der WASG in Berlin mittel- oder langfristig für möglich. Durch die in den letzten 2 Jahren gemachten Erfahrungen und die geleistete Basisarbeit ist dies in Berlin sicher schneller machbar als bundesweit. Allerdings kann dies nicht eine einfache Fortsetzung der Berliner WASG-Mehrheit sein. Einerseits muss mit dem Wegfall der Anbindung an die Bundes-WASG eine Klärung der bundesweiten Perspektive zentral erfolgen. Für uns ist hier die Mitarbeit im Netzwerk Linke Opposition die vielversprechendste Möglichkeit. Andererseits sind sowohl demokratische Strukturen als auch die programmatischen Grundlagen nach den gemachten Erfahrungen der letzten Jahre nicht mehr ausreichend für eine gemeinschaftlich nach außen getragene Politik. Zu viele Differenzen und interne Klüngelwirtschaft wurde durch die übergeordnete Auseinandersetzung mit dem Bundesvorstand und seinen UnterstützerInnen in der Berliner Partei überdeckt.

(11) Wir sind daher gegen die überstürzte Gründung einer Berliner Regionalpartei. Wir brauchen dagegen ebenso wie bundesweit ein basisdemokratisch funktionierendes Netzwerk als Rahmen für Diskussion und Aktion. Dabei muss klares Ziel, der Aufbau einer politischen Alternative zur immer diskreditierteren Senats-PDS sein. Ob und wann sich daraus (eventuell vorgängig zum Bund) eine Berliner WASG-Nachfolgepartei bildet, muss sich aus dem politischen Diskussionsprozess und den Kämpfen ergeben, an denen wir uns beteiligen. Der Diskussionsprozess muss daher offen, unter breiter Beteiligung aller Mitarbeitswilligen erfolgen. Statt wie bisher sich in Formelkompromissen zu ergehen, müssen wir die Fragen von „Parlamentarismus“, „Marx oder Keynes“, Alternativen zum kapitalistischen System, Selbstorganisation versus Stellvertreterpolitik etc. ernsthaft diskutieren und klare Grundsatzentscheidungen treffen. Ebenso müssen wir bei den Aktionen, an denen wir teilnehmen (z.B. bei den Anti-G8-Protesten), die Frage der Protestformen klären und fortentwickeln.

(12) Wir treten daher derzeit für die Kombination des Kampfes gegen die Fusion mit der Bildung einer organisierten Opposition ein. Falls – wie zu erwarten – die Fusion stattfindet, kann diese Opposition zum Ausgangspunkt eines Netzwerks für die Bildung einer WASG-Nachfolgepartei (in Berlin) werden. Da weder durch Wahlen noch eine zugespitzte Situation sozialer Proteste ein übermäßiger Zeitdruck besteht, sehen wir zur Zeit keinen Anlass, dass dies schon dieses Jahr zur Bildung einer neuen „Regional“-Partei unbedingt führen muss. Wesentlich halten wir die klare Formulierung von politischen Grundsätzen für den weiteren Prozess: Abgrenzung gegen die „Linke“ (von den „roten Linien“ bis zu unseren Positionen zur Senatspolitik), basisdemokratischer Diskussionsprozess, Bereitschaft zur Diskussion von Systemalternativen, aktivistische Orientierung. Die Formulierung von und Einigung auf solche politischen Minimalbedingungen für die Vernetzung der Opposition vor und den Parteibildungsprozess nach der Fusion ist das, was momentan kurzfristig im Vordergrund steht – nicht die juristische Form (Partei oder Verein).

(13) Wir sind für eine linke Partei in Berlin, die aktiv und organisierend in die sozialen Proteste in dieser Stadt eingreift. Die dies auf der Grundlage eines Programms macht, das kompromisslos für die Interessen der Lohnabhängigen und Erwerbslosen eintritt, und keine Rücksicht auf irgendwelche Kapitalinteressen nimmt. Und deren radikal basisdemokratische Struktur keinen Bruch dieses Programms erlaubt, der nicht auf einer gemeinsam getragenen Weiterentwicklung desselben beruht. In diesem Sinn steht für uns eine Partei im Vordergrund, die vor Ort, in den Kiezen und Betrieben verankert ist, und dort an der Vorfront des sozialen – vornehmlich nicht-parlamentarischen – Protestes steht. Die dies aber mit den stadtweiten und bundesweiten Protesten verbindet, soweit es geht.

(14) Sollte es zu einer Bildung einer Berliner Regionalpartei kommen, die den hier genannten Kriterien von gründlicher Vorbereitung, offensiver Außenorientierung und bundesweiter Ausrichtung nicht entspricht, so machen wir unsere Mitarbeit darin fest am Programm, den Aktionsschwerpunkten und den Möglichkeiten darin letztlich für eine bundesweite Ausdehnung einzutreten.

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