… oder wie Patriotismus bedeutet, dass man nie zu sagen braucht, dass es einem leid tut
„Verschwende niemals eine Minute auf Bedauern. Das ist Zeitverschwendung.” – Präsident Harry Truman
Hier stehen wir nun, 70 Jahre nach der atomaren Auslöschung von Hiroshima und Nagasaki, und ich frage mich, ob wir auch nur einen Schritt in Richtung moralischer Abrechnung mit unserem Status als einziges Land der Welt gekommen sind, das Atomwaffen benutzt hat, um menschliche Wesen abzuschlachten. Wird jemals ein amerikanischer Präsident sich formell dafür entschuldigen? Wird unser Land jemals den Abwurf von „Little Boy“ und „Fat Man“ bereuen, den beiden Bomben, die heißer als die Sonne brannten? Wird es damit fertig werden, wie diese sofort tausende Opfer verdampften, zehntausende weitere in Brand setzten, und unvorstellbar gewaltige Schockwellen und Feuerstürme hervorriefen, die alles im Umkreis von Meilen verwüsteten? Wird es letztendlich mit dem „schwarzen Regen“ zurechtkommen, der die Strahlung verbreitete und noch mehr Menschen tötete – langsam und schmerzhaft – was insgesamt zu einer Anzahl von konservativ geschätzten 250.000 Toten in den beiden Städten führte.
Ausgehend von den letzten sieben Jahrzehnten der ständigen Militarisierung und atomaren „Modernisierung“ in diesem Land mag die Antwort wie ein offenkundiges Nein erscheinen. Dennoch habe ich als Historiker versucht, ein bisschen tiefer in unseren Mangel an nationaler Reue zu graben. Dabei kam mir immer wieder ein merkwürdiges Stück Amerikana in den Sinn, ein Satz aus dem populären Rührstück Love Story aus dem Jahr 1970 in den Sinn: „Liebe,“ sagt die Hauptdarstellerin, als sich ihr Freund zu entschuldigen beginnt, „heißt, dass du niemals sagen musst, dass es dir leid tut.“ Das muss wohl eine der dümmsten Definitionen sein, die sich jemals im amerikanischen Gedächtnis festgesetzt hat, nachdem die wirkliche Liebe oft die Stärke erfordert, sich zu entschuldigen und Wiedergutmachung zu leisten.
Sie trifft jedoch bemerkenswert gut zu auf die Art und Weise, in der viele Amerikaner diese breitere Form der Liebe sehen, die wir Patriotismus nennen. Mit seltenen Ausnahmen, wie dem 1988 vom Kongress beschlossenen Gesetz, das sich bei den japanisch-amerikanischen Opfern der Internierung im Zweiten Weltkrieg entschuldigt und diese entschädigt hat, hat wahrer Patriotismus, wenn es zu brutaler Machtanwendung kommt, vor allem bedeutet, dass man nie sagen muss, dass es einem leid tut. Genau dieselben Politiker, die andere Länder kritisieren, weil sie nicht ständig ihre Fehler eingestehen, betonen, dass wir uns für nichts entschuldigen sollten. Als zum Beispiel 1988 die Marine der Vereinigten Staaten von Amerika über dem Persischen Golf ein iranisches ziviles Passagierflugzeug abschoss, wodurch alle 290 Insassen (darunter 66 Kinder) getötet wurden, verkündete Vizepräsident George H.W. Bush, der sich damals um das Präsidentenamt bewarb: „Ich werde mich nie für die Vereinigten Staaten von Amerika entschuldigen. Niemals. Ganz egal, worum es geht.“
Es stellt sich allerdings heraus, dass Bushs Version amerikanischer Reuelosigkeit noch nicht reicht. Immerhin legen die Amerikaner Wert darauf, ihr Land als friedliebend zu betrachten, obwohl es sich seit 1941 ständig im Krieg befindet. Das heißt, dass sie mehr brauchen als Verleugnungen und Nicht-Entschuldigungen. Sie brauchen überzeugende Geschichten und Erklärungen (wenn auch voller Verdrehungen und Auslassungen). Die Sage, die entwickelt wurde, um die Bombardierungen zu rechtfertigen, die in eine Welt führten, in der die Drohung der Ausrottung der Menschheit zur täglichen Realität wurde, ist vielleicht die erfolgreichste Rechtfertigungsgeschichte in unserer Geschichte. Nach siebzig Jahren liegt sie noch immer tief eingebettet im öffentlichen Gedächtnis und in den Schulbüchern, ungeachtet eines ständig anwachsenden Stapels von Beweisen, die dagegen sprechen. Vielleicht ist es an der Zeit, nach so vielen Jahrzehnten des Zeitalters der apokalyptischen Gefahr die amerikanische Apologie für Atomwaffen unter die Lupe zu nehmen – die Argumente zu deren Verteidigung – die gewährleistet haben, dass wir niemals hätten sagen müssen, dass es uns leid tut.
Die Hiroshima-Apologie
Am 9. August 1945 hielt Präsident Harry Truman eine Rundfunkansprache aus dem Weißen Haus. „Die Welt wird zur Kenntnis nehmen, dass die erste Atombombe auf Hiroshima abgeworfen wurde, eine Militärbasis. Das deshalb, weil wir bei diesem ersten Angriff soweit wie möglich die Tötung von Zivilisten vermeiden wollten.“ Er erwähnte nicht, dass bereits eine zweite Atombombe auf Nagasaki abgeworfen worden war.
Truman war natürlich klar, dass wenn Hiroshima eine “Militärbasis” war, Seattle ebenfalls eine war; dass die weit überwiegende Mehrheit ihrer Bewohner Zivilisten waren, und dass vielleicht 100.000 von ihnen schon getötet worden waren. Er wusste in Wirklichkeit, dass Hiroshima nicht wegen seiner militärischen Bedeutung ausgewählt worden war, sondern weil es eine aus nur mehr einer Handvoll japanischer Städte war, die noch nicht mit Brandbomben verwüstet und weitgehend von amerikanischer Luftüberlegenheit vernichtet worden war. Vertreter der Vereinigten Staaten von Amerika waren in der Tat scharf darauf, die ersten Atombomben zu benützen, um maximalen Terror und Zerstörung zu erreichen. Sie wollten auch die Stärke ihrer neuen Waffe zu messen und selektierten daher die „jungfräulichen Ziele“ Hiroshima und Nagasaki. Im Juli 1945 informierte Krtiegsminister Henry Stimson Truman über seine Befürchtung, dass nach all der Verwüstung japanischer Städte durch Brandbomben kein Ziel mehr übrig sein könnte, an dem die Atombombe in vollem Ausmaß „ihre Stärke zeigen“ kann. Laut Stimsons Tagebuch „lachte Trumen und sagte, dass er verstünde.“
Der Präsident verwarf bald seine „Militärbasis”-Rechtfertigung. Trotz Washingtons Bemühungen, die drastischsten Bilder der atomaren Vernichtung zu zensieren, die aus Hiroshima kamen, erkannte die Welt schnell, dass die Vereinigten Staaten von Amerika eine ganze Stadt mit einem Schlag und mit massiven Verlusten an Leben zerstört hatten. Der Präsident konzentrierte sich daher stattdessen auf eine Apologie, die zumindest für die nächsten sieben Jahrzehnte halten würde. Ihre Kernelemente kamen in derselben Ansprache am 9. August zur Sprache. „Wir haben die Atombombe gegen die eingesetzt, die uns ohne Vorwarnung in Pearl Harbor angegriffen haben,“ sagte er, „gegen die, welche amerikanische Kriegsgefangene verhungern ließen, geschlagen und hingerichtet haben, gegen die, die jeden Anschein aufgegeben haben, sich an die internationalen Gesetze der Kriegsführung zu halten. Wir haben sie benützt, um die Agonie des Kriegs abzukürzen, um das Leben von Tausenden und Abertausenden von jungen Amerikanern zu schützen.“
Um 1945 war den meisten Amerikanern egal, dass die Zivilisten von Hiroshima und Nagasaki nicht die Kriegsverbrechen Japans begangen hatten. Amerikanische Kriegskultur hatte seit Jahren von einer langen Geschichte des „Gelbe Gefahr“-Rassismus gelebt, der die Japaner nicht nur als unmenschlich, sondern als Untermenschen hinstellte. Truman schrieb in seinem Tagebuch, dass es ein Land sei voll von „Wilden“ – „rücksichtslosen, erbarmungslosen und fanatischen“ Leuten, die dem Kaiser gegenüber so loyal sind, dass jede Mann, Frau und Kind bis zum bitteren Ende kämpfen würde. In diesen Jahren bildeten Zeitschriften Japaner routinemäßig als Affen, Insekten und Ungeziefer ab. Angesichts eines solchen Feindes, so die gängige Ansicht, gab es keine richtigen „Zivilisten“ und nichts, was nicht eigentlich ausgerottet gehörte, oder dem zumindest Amerikas Bereitschaft vorgeführt werden müsse, diesen Weg zu beschreiten, um ihre Kapitulation erzwingen zu können. Admiral William „Bull“ Halsey sagte 1944 in einer Pressekonferenz: „Der einzige gute Jap ist ein Jap, der schon sechs Monate lang tot ist.“
In den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg verschwanden die virulentesten Äußerungen des Rassenhasses, aber nicht die weit verbreitete Vorstellung, dass die Atombomben erforderlich waren, um den Krieg zu beenden, indem sie die Notwendigkeit beseitigten, die japanischen Inseln zu erobern, was, wie mit Überzeugung behauptet wurde, infolge eines erbarmungslosen Kleinkriegs enorme Verluste auf beiden Seiten verursacht hätte. Die tödlichste Waffe in der Geschichte, die den Pfad zum zukünftigen Armageddon eröffnete, hat daher Leben gerettet. So ging kurz gefasst das Mantra, das die breiteste und anhaltendste Unterstützung für die Einführung atomarer Kriegsführung herbeiführte. Als Truman, bereits in Pension, 1955 seine Memoiren herausgab, war er bereit, mit einiger Genauigkeit zu behaupten, dass eine Invasion Japans eine halbe Million Amerikaner und mindest ebensoviele Japaner getötet hätte.
Im Lauf der Jahre wurde die ständig steigende Anzahl der Leben, die diese beiden Atombomben „gerettet“ haben, zu einer Art geheiligter Numerologie. Als 1991 Präsident George H.W. Bush Truman für dessen „harte, berechnende Entscheidung“ pries, behauptete er, dass diese Bomben „Millionen von amerikanischen Leben gerettet“ haben. Zu diesem Zeitpunkt war aus einem atomaren Massaker schon lange ein Gnadentod geworden, der viel größere Leiden und Schlächtereien verhindert hat.
Truman ging in sein Grab, wobei er betonte, er habe nie das leiseste Bedauern oder auch nur einen Moment des Zweifelns über seine Entscheidung verspürt. In den entscheidenden Wochen vor dem 6. August 1945 ergibt sich aus den Aufzeichnungen mit Sicherheit kein Beweis, dass er ernsthaft eine Alternative überlegt hätte.
„Revisionisten” waren bei der Entwicklung dabei
Vor zwanzig Jahren plante das Smithsonian National Air and Space Museum eine anspruchsvolle Ausstellung, um den 50. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkriegs zu markieren. In ihrem Mittelpunkt sollte ein außergewöhnliches Artifakt stehen – der Rumpf der Enola Gay, der B-29 Superfortress, die für den Abwurf der Atombombe auf Hiroshima benutzt wurde. Aber die Kuratoren und historischen Berater wollten mehr, als wieder eine weitere triumphale Feier amerikanischer Militärwissenschaft und –technologie zu veranstalten. Stattdessen versuchten sie, eine zum Denken anregende Präsentation der Entwicklung der Bombe, die Debatten über ihren Einsatz und ihre langfristigen Auswirkungen zusammenzustellen. Das Museum wollte einige Beweise miteinbeziehen, die die andauernde Behauptung in Frage stellten, dass sie einfach abgeworfen wurde, um den Krieg zu beenden und „Leben zu retten.“
Fürs erste hätten Besucher erfahren, dass einige von Amerikas bestbekannten militärischen Kommandeuren des Zweiten Weltkriegs gegen den Einsatz von Atomwaffen waren. In der Tat glaubten sechs von den sieben Fünfsterne-Generälen und Admiralen, dass es keinen Grund dafür gab, diese einzusetzen, dass die Japaner bereits besiegt waren, das auch wussten und sich wahrscheinlich ergeben hätten, ehe eine amerikanische Invasion beginnen hätte können. Einige, wie Admiral William Leahy und General Dwight Eisenhower, hatten auch moralische Bedenken gegen die Waffe. Leahy betrachtete den Abwurf von Atombomben auf Japan als „barbarisch“ und eine Verletzung „jeder christlichen Ethik, von der ich je gehört habe, sowie aller bekannten Gesetze des Krieges.“
Truman setzte sich nicht ernsthaft mit Militärkommandanten auseinander, die gegen den Einsatz der Bombe waren. Er befragte allerdings eine Gruppe von militärischen Experten, von denen er eine Schätzung darüber haben wollte, wieviele Amerikaner getötet werden könnten, falls die Vereinigten Staaten von Amerika die beiden geplanten Invasionen der japanischen Hauptinseln durchführten, die für den 1. November 1945 und 1. März 1946 angesetzt waren. Ihre Zahl: 40.000 – weit unter der halben Million, von der er nach dem Krieg redete. Sogar diese Schätzung basierte auf der dubiosen Annahme, dass Japan weiterhin seine Soldaten ernähren, mit Treibstoff versorgen und bewaffnen könne, wo doch die Vereinigten Staaten von Amerika Meer und Luftraum nahezu vollständig kontrollierten.
Das Smithsonian plante auch, seine Besucher darüber zu informieren, dass einige der wichtigsten Präsidentenberater Truman drängten, seine Forderung nach „bedingungsloser Kapitulation“ fallen zu lassen und Japan zu gestatten, den Kaiser auf seinem Thron zu behalten, eine Änderung bei den Friedensbedingungen, die zu einer nahezu sofortigen Kapitulation führen hätte können. Truman wies diesen Rat zurück, nur um nach den atomaren Angriffen die gleiche Bedingung einzuräumen.
Denken Sie jedenfalls daran, dass ein Teil von Trumans Motivation für den Abwurf dieser Bomben nicht die besiegten Japaner, sondern die aufstrebende Sowjetunion betraf. Nachdem die UdSSR versprochen hatte, am 8. August in den Krieg gegen Japan einzutreten (was sie dann tat), hatte Truman Bedenken, dass auch nur kurz verlängerte Kampfhandlungen den Sowjets erlauben könnten, einen größeren Anteil in Ostasien zu beanspruchen. Er und Außenminister James Byrnes glaubten, dass eine drastische Demonstration der Stärke der neuen Bombe, die damals nur im Besitz der Vereinigten Staaten von Amerika war, die kommunistische Macht in Europa besser „handhabbar“ machte. Die Ausstellung im Smithsonian hätte nahegelegt, dass Planung und Inszenierung des Kalten Kriegs in den letzten Momenten des Zweiten Weltkriegs begannen und dass ein Erbe von Hiroshima das massive atomare Wettrüsten in den kommenden Jahrzehnten war.
Zusätzlich zur Ausstellung von amerikanischen Artifakten wie der Enola Gay wollten die Kuratoren des Smithsonian einige herzerweichenden Objekte aus der atomaren Zerstörung Hiroshimas zeigen, darunter die verbrannte Jausenschachtel eines Schulmädchens, das Zifferblatt einer Uhr, die im Moment der Explosion stehengeblieben war, einen geschmolzenen Rosenkranz und Fotoaufnahmen von Toten und Sterbenden. Es wäre schwer gewesen, diese Dinge neben dem riesigen Rumpf zu sehen, ohne einige Sympathie für die Opfer der Explosion zu empfinden.
Nichts davon geschah. Die Ausstellung wurde nach einem Sturm des Protests gestrichen. Als die Luftwaffenvereinigung eine Kopie des ursprünglichen Skripts an die Medien weitergab, prangerten Kritiker das Smithsonian wegen dessen „politisch korrekter“ und „antiamerikanischer“ „Revision“ der Geschichte an. Die Ausstellung, so behaupteten sie, wäre eine Beleidigung für amerikanische Veteranen und grundlegend unpatriotisch. Obwohl die Konservativen die Kampagne anführten, beschloss der Senat einstimmig eine Resolution, die das Smithsonian als „revisionistisch und anstößig“ verurteilte, und die eine ordentliche Aufführung der offiziellen Apologie enthielt: „Die Rolle der Enola Gay … war bedeutsam, um den Zweiten Weltkrieg zu einem gnädigen Ende zu bringen, was die Rettung von Leben von Amerikanern und Japanern zur Folge hatte.“
Gnädig? Bedenken Sie nur das: die Zahl der Zivilisten, die allein in Hiroshima und Nagasaki getötet worden sind, beträgt mehr als das Zweifache der Zahl von amerikanischen Soldaten, die im Verlauf des gesamten Pazifischen Kriegs getötet worden sind.
Letztendlich zeigte das Smithsonian wenig mehr als die Enola Gay selbst, ein schimmerndes Relikt des amerikanischen Sieges im „Guten Krieg.“
Unser ungebrochener Glaube in die Größte Generation
In den zwei Jahrzehnten, die seither vergangen sind, sind wir einer genuinen öffentlichen Untersuchung des einzigen atomaren Angriffs in der Geschichte nicht näher gekommen, oder haben irgendeine größere Schuld daran gefunden, wie wir das, was Studs Terkel berühmterweise „den Guten Krieg“ nannte, betrieben haben. Er benutzte diesen Begriff als Titel für seine klassische Oral History des Zweiten Weltkriegs 1984, wobei er diese Anführungszeichen ganz bewusst einfügte, um die Ironie eines solchen Denkens über einen Krieg aufzuzeigen, in dem geschätzte 60 Millionen Menschen ums Leben kamen. In den Jahren seither wurde der Begriff zu einem amerikanischen Klischee, aber die Anführungszeichen sind verschwunden, zusammen mit jeglichem Hinweis auf Zweifel betreffend unsere Motive und unser Verhalten in diesen Jahren.
Freilich, wenn es um das Beginnen eines Atomkriegs (wenn auch nicht um die Flächenbombardements mit Brandbomben, die 67 japanische Städte zerstört haben und die weitere fünf Tage lang weitergingen, nachdem „Fat Man“ auf Nagasaki abgeworfen worden war) geht, dann gibt es einige Hinweise auf ein kritischeres Bewusstsein in diesem Land. Umfragen neueren Datums zeigen zum Beispiel, dass „nur“ mehr 56% der Amerikaner glauben, dass wir recht daran getan haben, Atomwaffen gegen Japan einzusetzen, ein paar Punkte weniger als in den 1990ern, während die Unterstützung bei Amerikanern unter 30 endlich unter 50% gesunken ist. Es dürfte Sie auch interessieren, dass kurz nach dem Zweiten Weltkrieg 85% der Amerikaner die Bombenabwürfe unterstützten.
Natürlich waren derartige pro-Bomben-Einstellungen 1945 kaum überraschend, besonders wenn man von der Erleichterung und Freude über das siegreiche Kriegsende und von der antijapanischen Einstellung zu diesem Zeitpunkt ausgeht. Viel überraschender ist, dass 1946 Millionen Amerikaner vertieft waren in John Herseys Beststeller Hiroshima, einen bewegenden Bericht von Ground Zero (Ort der Explosion), der die Auswirkungen der Atombombe durch die Erfahrungen von sechs japanischen Überlebenden beleuchtet. Er begann mit diesen packenden Zeilen:
„Genau 15 Minuten nach acht Uhr morgens japanischer Zeit am 6. August 1945, in dem Augenblick, in dem die Atombombe über Hiroshima aufblitzte, hatte sich Miss Toshiko Sasaki, eine Angestellte in der Personalabteilung der Ostasiatischen Zinnbetriebe, gerade an ihren Platz im Büro der Firma gesetzt und drehte ihren Kopf, um mit dem Mädchen am nächsten Schreibtisch zu sprechen.“
Hiroshima bleibt ein bemerkenswertes Dokument aufgrund seiner unerschrockenen Schilderungen der Destruktivität der Bomben, und weil es Amerikas ehemaligen Feind mit solcher Würde und Humanität behandelt. „Das Kreuz an der Sache,“ schloss Hersey, „ist ob totaler Krieg in seiner gegenwärtigen Form zu rechtfertigen ist, sogar wenn er einem gerechten Zweck dient. Führt er nicht zu materiellem und spirituellem Bösem, das weit über das hinaus geht, was an Gutem herauskommen könnte?“
Das ABC Radio Network hielt Herseys Buch für so wichtig, dass es vier Schauspieler anheuerte, um es zur Gänze im Rundfunk zu lesen, wodurch es eine noch größere Zuhörerschaft erreichte. Können Sie sich eine große amerikanische Mediengesellschaft von heute vorstellen, die wichtige Sendezeit für eine Arbeit zur Verfügung stellt, die Empathie für die Opfer unserer Kriege im 21. Jahrhundert erzeugt? Oder fällt Ihnen ein populäres Buch aus letzter Zeit ein, das uns anstachelt, über das „materielle und spirituelle Böse“ nachzudenken, das aus unserer Teilnahme am Zweiten Weltkrieg stammte? Ich wüsste keines.
In der Tat schwand einiges von Amerikas Triumphalismus in den ersten Jahren nach diesem Krieg dahin und wuchsen Befürchtungen, wie Paul Boyer in seinem großartigen Buch By the Bomb’s Early Light (Im frühen Licht der Bombe) zeigte, dass die reine Existenz von Atomwaffen zu einer neuen Verletzlichkeit des Landes führen könnte. Immerhin könnte eines Tages eine andere Macht, möglicherweise die Sowjetunion, diese neue Form der Kriegsführung gegen deren Schöpfer einsetzen und eine amerikanische Apokalypse bewirken, die niemals als erlösend oder gnädig angesehen werden könnte.
In den Jahrzehnten nach dem Kalten Krieg sind diese Befürchtungen neuerdings zurückgegangen (gegen die Vernunft, da sogar ein südasiatischer atomarer gegenseitiger Angriff zwischen Pakistan und Indien den gesamten Planeten in eine Art nuklearer Winter stürzen könnte). Stattdessen wurde der „Gute Krieg“ wieder einmal als eindeutig gerecht begrüßt. Nehmen Sie zum Beispiel das neueste Buch über den Zweiten Weltkrieg, das groß herausgekommen ist, Laura Hillenbrands Unbroken: Eine Geschichte aus dem Zweiten Weltkrieg über Überleben, Ausdauer und Erlösung. 2010 herausgekommen, blieb es auf der Hardcover-Bestsellerliste der New York Times fast vier Jahre lang und hat Millionen von Ausgaben verkauft. Bezüglich Reichweite könnte es sogar Tom Brokaws Buch aus dem Jahr 1998 The Greatest Generation übertreffen. Eine Hollywood-Fassung von Unbroken erschien letzte Weihnachten.
Hillenbrands Buch gibt nicht vor, eine umfassende Geschichte des Zweiten Weltkriegs oder auch nur des Kriegs im Pazific zu sein. Es erzählt die Geschichte von Louis Zamperini, einem jugendlichen Straftäter, der zum olympischen Läufer und dann zum B-24-Bombenflieger wurde. 1943 wurde sein Flugzeug über dem Pazific abgeschossen. Er und der Pilot überlebten 47 Tage in einem Rettungsfloß Haifischattacken und Beschuss durch japanische Flieger und waren knapp am Verhungern. Endlich von den Japanern gefangengenommen, ertrug er eine Reihe von brutalen Kriegsgefangenenlagern, wo er zum Opfer gnadenloser sadistischer Schläge wurde.
Das Buch ist bestimmt spannend, aber sein Fokus auf den Leidensweg und die erstaunliche Erholung eines einzelnen Amerikaners verhindert nahezu jeden Impuls, sich jenseits der Plattitüden von nationalistischem Triumphalismus und Versenkung in sich selbst zu begeben oder unter anderem den Rassismus zu bedenken, der amerikanische Kampfhandlungen im Pazific so sehr formte. Das ist zumindest der Eindruck, den man bekommt, wenn man einige der erstaunlichen 25.000 Kundenrezensionen durchliest, die Unbroken auf Amazon bekommen hat. „Mein Respekt für Veteranen des Zweiten Weltkriegs ist sehr stark gestiegen,“ schreibt ein typischer Rezensent. „Danke Laura Hillenbrand für deine Liebe für unsere Männer im Krieg,“ schreibt ein anderer. Es ist „schwer, über die Unmenschlichkeit der Behandlung der mutigen Männer zu lesen, die unserem Land dienen.“ Und so weiter.
Unbroken widmet eineinhalb Seiten den Atombomben von Hiroshima, alles aus dem Blickwinkel der amerikanischen Besatzung der Enola Gay. Hillenbrand erhebt Bedenken bezüglich der Sicherheit der Besatzung: „Niemand wusste genau, ob … der Bomber weit genug fortkommen konnte, um das Kommende zu überleben.“ Sie beschreibt den Impakt der Schockwellen, nicht auf dem Boden, sondern in 30.000 Fuß Höhe, als sie die Enola Gay trafen und „die Männer in die Luft stießen.“
Die Filmversion von Unbroken erweckt sogar noch weniger Empathie für die japanische Erfahrung des atomaren Kriegs, was mich daran erinnert, was ein Student im vergangenen Frühjahr in meinem Absolventenseminar sagte. Er unterrichtet Sozialwissenschaft an einer High School, und als er mit Kollegen über die Bücher über Hiroshima sprach, mit denen wir uns beschäftigten, reagierten drei von ihnen mit einer Variante des Folgenden: „Wissen Sie, ich pflegte zu denken, dass wir falsch daran getan haben, Atombomben gegen Japan einzusetzen, aber seit ich Unbroken sah begann ich zu denken, dass das notwendig war.“ Das bedeutet, dass wir uns immer noch auf dem Gelände befinden, das von Truman in dieser Rede vor sieben Jahrzehnten erstmals gepflügt worden ist.
Am Ende des Films erscheint dieser Text auf der Leinwand: „Motiviert durch seinen Glauben erkannte Louie, dass der Weg nach vorne nicht Rache, sondern Vergebung ist. Er kehrte zurück nach Japan, wo er seine damaligen Wächter fand und Frieden mit ihnen schloss.“
Das ist in der Tat berührend. Viele der Wachen des Gefangenenlagers entschuldigten sich so gut sie nur konnten, und – vielleicht überraschender – Zamperini vergab ihnen. Es gibt allerdings keinerlei Hinweis, dass auch ein Bedarf an Entschuldigungen seitens Amerikas bestehen könnte, keine Andeutung, dass unsere willkürliche Zerstörung Japans, die gekrönt wurde durch die atomare Vernichtung von zwei Städten, das sein könnte, was Admiral Leahy als eine Verletzung „aller bekannten Gesetze des Krieges“ bezeichnete.
Hier stehen wir also, 70 Jahre danach, und wir scheinen weiter als je zuvor von einer Zurückweisung der Idee entfernt zu sein, dass die Führung eines Atomkriegs gegen japanische zivile Bevölkerungen ein Akt der Barmherzigkeit war. Vielleicht wird irgendein zukünftiger amerikanischer Präsident sich endlich für unsere atomaren Angriffe entschuldigen, aber eines scheint sicher: kein japanischer Überlebender der Bomben wird mehr am Leben sein, um das zu hören.
Orginalartikel „America‘s Hiroshima and Nagasaki 70 Years Later“ vom 5. August 2015