Kein Wasser, Schlafen im Regen: menschenunwürdige Zustände in Landeserstaufnahmeeinrichtung Thüringen
Bericht vom Stadtrat Martin Michel aus Jena, Partei die Guten
Heute (28.8.2015 2.00 Uhr) Nacht habe ich mit einer Aktivistin gemeinsam die Landeserstaufnahmestelle (LAST) in Eisenberg besucht. Die menschenunwürdigen Zustände vor Ort haben mich schockiert, ein kurzer Bericht:
Als wir gegen 2.00 Uhr an der Erstaufnahmeeinrichtung in Eisenberg eintrafen war ich zutiefst betroffen. Vor dem gefängnisartigen Zaun des Lagers sind auf der rechten und der linken Seite mit Bauzäunen weitere Bereiche notdürftig eingezäunt. In diesen Bereichen stehen einige wenige Zelte.
Die Zelte waren überfüllt und im leichten Nieselregen lagen überall Menschen auf dem blanken Asphalt zwischen den Bauzäunen unter freiem Himmel. Sie waren eingekauert in Decken oder zum Teil auch nur mit Müllbeuteln verhüllt. Einige kauerten in der Hocke und warteten auf dem nächsten Morgen. Andere hatten es geschafft, trotz der Nähe zur Bundesstraße, einzuschlafen. Die Verzweiflung stand den wachen Menschen in ihr Gesicht geschrieben.
In dem Moment, als wir aus unserem Auto ausstiegen, sprach gerade einer der Menschen die Sicherheitskräfte der LAST an. Diese standen im Eingang der LAST, einem leicht erhöhten vergitterten Käfig, der als Eingangsschleuse dient. Von unten sprach der Mensch, die drei dort stehenden und rauchenden WärterInnen (eine Frau, zwei Männer) auf Englisch an. Er fragte, ob es möglich wäre ihm Wasser zu geben, da keines mehr vorhanden sei. Einer der Männer des Sicherheitsdienstes antwortete im Befehlston „No! Tomorrow!“. Der nach Wasser fragende Mensch entfernte sich verschreckt und ängstlich vom Eingangskäfig.
Wir hatten zum Glück zwei Kästen Wasser und einige Decken, Isomatten und Schlafsäcke vor unseren Aufbruch in das Auto geladen. Mit Hilfe der wachen Flüchtlinge wurden diese schnell verteilt und dankbar entgegen genommen. Es war nicht genug und sehr frustierend zu merken, dass man mitten in der Nacht spontan nicht mehr ausrichten konnte.
Mit viel Wut im Bauch fuhren wir zurück nach Jena.
Die Zustände in Eisenberg sind menschenunwürdig. Wir reden hier von grundlegenden Missständen. Nicht über die Frage einer komfortablen Unterbringung.
Diese Menschen brauchen ständigen Zugang zu Trinkwasser,
sie brauchen ein Dach über dem Kopf,
sie brauchen ausreichend Versorgung,
sie brauchen Schutz und keinen Schlafplatz auf einem öffentlich zugänglichen Parkplatz!
Eigentlich brauchen diese Menschen viel mehr, nämlich eine menschenwürdige Unterbringung in festen Gebäuden.
Bis diese Unterbringung vorhanden ist, müssen zumindest die eklatanten Mängel sofort vom Freistaat behoben werden.
Wir wissen, dass die Situation in Eisenberg gestern kein Einzelfall war. Lokale AktivistInnen berichten hiervon seit Tagen. Sie bringen Menschen selbst unter und kümmern sich. Sie berichten auch von weiteren Beispielen unterlassener Hilfeleistungen im Umfeld der LAST.
Martin Michel
fraktionsloses Mitglied im Jenaer Stadtrat
28. August 2015