Die Rede von Rechtsanwalt Dr. Eisenhart v. Loeper, Aktionsbündnis gegen S21, am 26.10.2015 auf der 294. Stuttgarter Montagsdemo der Demokratiebewegung gegen das urbane und regionale Umbauprogramm „Stuttgart 21“ (S21).
Liebe Mitwirkende, Freundinnen und Freunde, wo sitzen die Dunkelmänner, die bei S21 Dokumente schwärzen, die Wahrheit verbiegen und milliardenschwer das Gemeinwohl und das Recht brechen? Wir haben da heiße Spuren bis in die Chefetagen der Deutschen Bahn und der Regierenden. Es darf nicht mehr lange dauern, bis die Entschwärzung gelingt und die Staatsanwälte wegen Untreue ermitteln. Einiges von unserem Widerstand zündet erst jetzt, während gebaut wird. Aber keine Macht der Fakten heilt die schweren Rechtsbrüche. Da braucht es mehr Licht, mehr Gewissen, tatkräftige Menschen mit Zivilcourage, nicht „Einsichtsverweigerer und Ausblender“ (Norbert Bongartz).
Wir setzen auf freien Informationszugang. Das steht uns ähnlich zu wie parlamentarischen Untersuchungsausschüssen. Fundierte Informationen sind im Sinne demokratischer Teilhabe zu gewähren, und zwar – so das Bundesverfassungsgericht – gerade dann, wenn es um die „Aufdeckung möglicher Rechtsverstöße und vergleichbarer Missstände innerhalb der Regierung“ geht. Folgendes unternehmen wir jetzt:
1. Das Eisenbahn-Bundesamt hat sich bisher politisch schwärzen lassen durch Wegducken bei der sechseinhalbfach überhöhten Gleisneigung des Tiefbahnhofs und in anderen Fällen. Wir haben Bundesverkehrsminister Dobrindt nun aufgerufen, die Fach- und Rechtsaufsicht gegenüber dem Eisenbahn-Bundesamt korrigierend auszuüben, weil es eindeutig bei der S21-Schieflage mit 6 m Höhenunterschied an „gleicher Sicherheit“ fehlt.
2. Gegen das Kanzleramt sind uns Entschwärzungen von Dokumenten gelungen, welche die enorme politische Einflussnahme auf die Weiterbau-Entscheidung des Bahn-Aufsichtsrats nachweisen. Das verschafft unserer Strafanzeige gegen Bahn-Verantwortliche neues Gewicht. Wir arbeiten daran, dass unser Vorgehen gegen das Versagen der Staatsanwälte und ihres Berliner Justizsenators gelingt: Es muss Schluss sein damit, dass die Justiz durch zweierlei Maß selbst das Recht bricht oder gar Strafvereitelung begeht.
3. Bei den freigegebenen fünf Kanzleramtsvermerken zu S21 gibt es einen, der teils geschwärzt ein Gespräch zwischen Merkel und Kretschmann vorbereitet hat. Da heißt es, der Bahn-Aufsichtsrat habe der Erhöhung des Kostenrahmens noch nicht zugestimmt, er habe eine zusätzliche Überprüfung der Kalkulationen der DB durch externe Sachverständige angefordert, und die Wirtschaftlichkeit des Projekts solle wegen der Kostensteigerungen und Risiken erneut nachgewiesen werden.
Dies alles hat aber nie stattgefunden, sondern wurde rechtswidrig vereitelt. Im Prozess will das Kanzleramt die Schwärzungen beibehalten, denn es gehe um geheimhaltungsbedürftige Details aus der Aufsichtsratssitzung vom Dezember 2012. Wir bestreiten das und beantragen die Vernehmung von Merkel und Kretschmann. Unabhängig davon sollte MP Kretschmann jetzt offen legen, was zwischen der Kanzlerin und ihm einen Monat vor der Bahn-Aufsichtsratsentscheidung über S21 gesprochen wurde und wie die Zahlung von Mehrkosten durch Land und Stadt ausgeschlossen werden soll. Die Projektpartner sollten jede Leistung verweigern, solange die Bahn nicht vertraglich alle Mehrkosten von S21 übernimmt.
4. Spannend ist auch der Prozess, den Anwaltskollege Lohmann für das Aktionsbündnis auf Herausgabe der Hany-Azer-Liste zu 121 S21-Risiken führt. Die verklagte DB-Projektbau will die Klage leerlaufen lassen, indem sie behauptet: ihre neu gegründete Gesellschaft besitze das Dokument nicht, beim Personalwechsel sei das Dokument weder in Papierform noch digital übergeben worden, ja sogar die Festplatte des Rechners habe man entsorgt und gelöscht. Da wird bahnseits beispiellos verdunkelt und im Gerichtstermin gelogen. Aber das Verwaltungsgericht Berlin will nun Hany Azer vernehmen.
5. Unser Freund und Bündnispartner Andreas Kegreiß ist Kronzeuge dafür, dass ihm Manfred Leger, Chef der DB Projektbau Stuttgart-Ulm, letzten Monat erklärt hat, er kenne eine Liste von 1700 Risiko-Punkten zu S21. Gut, Herr Leger, dann legen Sie diese Risiken jetzt offen.
6. Besonders die Projektpartner Stadt und Land sind in der Sitzung des Lenkungskreises zu S21 am 4. November gefordert: Fehlende Sicherheitsnachweise von der Bahn anzufordern, muss generell gelten, nicht allein für die Bodenplatte des Tiefbahnhofs, genauso für die sechseinhalbfach überhöhte Gleisneigung und für den Brandschutz. Was für ein Herumgeeiere der Bahn mit den Fluchttreppenhäusern, die nun Hunderte Meter entfernt ans Bahnhofsende versetzt werden sollen. Das ist doch das Scheitern des Brandschutzes im Tiefbahnhof.
7. Vor der Aufsichtsratssitzung am 16.12.2015 wollen wir nach Berlin reisen, denn Bahn und Bundesrechnungshof unterschlagen die nach drei Jahren gestiegenen Projektkosten. Wir haben den Sachverständigen Vieregg mit einer Neubegutachtung beauftragt, denn Offenbarungseid Teil II der Bahn ist angesagt. Das wird spannend. Für das hochkarätige Gutachten danken wir für Spenden, siehe dazu den Flyer am Stand.
Oben bleiben!