Blauhelme: verdächtig überstürzter Abzug aus Westsahara auf Befehl Marokkos

Nächster Konflikt zieht im Nordwesten Afrikas herauf: in Marokko mit weiterer Destabilisierung des Maghreb

Nachdem Spanien in 1976 seine Provinz Spanisch-Sahara (Westsahara) aufgab, wurde das Gebiet zwischen Marokko und Mauretanien aufgeteilt. Seither ringen die Bewohner um die Unabhängigkeit. In 1991 wurde ein Waffenstillstand unter Aufsicht der U.N.O. und ein Referendum zur Lösung dieser bisher ungeklärten Verhältnisse vereinbart.

Seit wenigen Tagen wird ein drohendes Szenario mit dem Aufbrechen des Konfliktes mit dem Abzug der Blauhelme der Organisation der Vereinten Nationen im Rahmen der United Nations Mission for the Referendum in Western Sahara (M.I.N.U.R.S.O.) aus dem Süden Marokkos, der Westsahara vorbereitet. Leiter der Mission ist seit knapp vier Jahren Wolfgang Weisbrod-Weber, ein deutscher Diplomat, der von Ban Ki-moon zum Sondergesandten für die Westsahara ernannt wurde. Im Oktober 2013 hatte die deutsche Regierung die zeitlich unbefristete, „offizielle“ Teilnahme von bis zu vier Offizieren der Bundeswehr an der militärischen Waffenstillstands-Mission beschlossen.

Dieser Abzug passt in das Bild für Regionen, in denen der Krieg schon ausgebrochen ist oder vorbereitet wird und ist in seiner Eile ein sehr durchscheinendes Manöver.

Es ist kein Zufall, dass Objekte der Organisation der Vereinten Nationen angegriffen werden, sei es in Afghanistan, im Jemen, auf den Golanhöhen, im Gazastreifen oder der Sinai-Halbinsel. Vor allem Schulen, Krankenhäuser, soziale und militärische Einrichtungen sind Ziele, um die unabhängigen Beobachter als Augenzeugen und Ansprechpartner der massakrierten Bevölkerung aus dem Land zu drängen.

Die Vorfälle lassen sich nicht in eine gemeinsame Schablone stecken. Die Angriffe auf diese Einrichtungen hängen von den Interessen der beteiligten Länder ab. International agierende Grosskonzerne, Banken, die gesamte Kriegswirtschaft, einzelne Staaten oder ihre Verbände konkurrieren um die Macht – gegeneinander und nach Notwendigkeit miteinander in immer wieder wechselnden Konstellationen. Unversöhnliche, sich augenscheinlich spinnefeind gegenüberstehende Parteien verstehen sich prächtig bei der Aufteilung fremder Gebiete.

Regierungserklärungen und diplomatische Verlautbarungen sind immer mit Vorsicht zu geniessen. Wie oft wurden sie abgegeben, um die Weltöffentlichkeit zu täuschen.

Im jüngsten Fall Marokko ging dies Schlag auf Schlag – zu schnell.

Bei einem Besuch eines Flüchtlingslagers im Süden Algeriens Anfang März, das für die saharauischen Flüchtlinge errichtet wurde, hatte der Vorsitzende der Organisation der Vereinten Nationen, Ban Ki-moon, das Wort „Okkupation“ im Zusammenhang mit dem Anspruch Marokkos auf die Westsahara verwendet. Das allein soll als Auslöser des Rauswurfs gedient haben? Seit Jahrzehnten wird dieser Ausdruck je nach Herkunft des Diplomaten verwendet wie bei ähnlich gelagerten Annektionen. Es gibt Einrichtungen in der U.N.O., die ausschliesslich für die Lösung des Problems zuständig sind und deren Beamte nie zimperlich mit ihrer Wortwahl umgingen.

Die Regierung in Rabat forderte die U.N.O. daraufhin „erbost“ auf, die seit 1991 bestehende M.I.N.U.R.S.O., die den erreichten Waffenstillstand und ein noch immer ausstehendes Referendum über die Zukunft der Westsahara garantieren soll, sofort zu beenden. Marokko stellte die eigenen Zahlungen für den Unterhalt dieser Mission ein. Es ist unwahrscheinlich, dass das Königshaus ohne Absprachen und ausländischen Rückhalt im Alleingang handelte.

Am vergangenen Freitag hätte das Büro von Ban Ki-moon vergebens auf die Unterstützung von Frankreich, Spanien, Ägypten und dem Senegal im U.N.-Sicherheitsrat gewartet, hiess es bei Reuters.

Gestern, am 22.März 2016, wurde der Beraterstützpunkt der Hafenstadt Dakhla an der Atlantikküste in der Westsahara geschlossen. Dutzende von U.N.O.-Mitarbeitern verliessen das Gebiet.

Die Geschwindigkeit und die Widerspruchslosigkeit, mit denen diese seit einem Vierteljahrhundert, seit dem Fall des Eisernen Vorhangs bestehende Mission in weniger als einem Monat so sang- und klanglos beendet wurde, ist alles andere als normal und lässt nicht Gutes erahnen.

Es scheint so, als ob in unmittelbarer Zeit ein erneutes Blutvergiessen bevorsteht. Angetrieben von äusseren Unterstützern könnte der Krieg zwischen den Kämpfern der Westsahara für ihre Unabhängigkeit von Marokko und den königlichen Armeeverbänden erneut aufbrechen und die Armee den Aufstand niederschlagen. Wie würden die „Grossmächte“ reagieren?

Es gibt mehrere Nutzniesser dieses Flächenbrandes im Maghreb, dem angeblichen Tummelplatz von „Terroristen“. Die allerletzten, von denen eine wahrhaftige Antwort zu erwarten ist, sind die Politiker.

Möglich wäre auch mit einer drohenden Unruhe im Land die Erpressung der Regierung von Marokko oder ein Versuch, diese zu stürzen.

Auffällig ist das Schweigen der Ständigen Mitglieder des Sicherheitsrates der Organisation der Vereinten Nationen – was den Verdacht eines abgekarteten Spiels nährt.

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