Es ist schon eine schwierige Materie, sich mit Stadtentwicklung auseinandersetzen zu können. Aber es ist nicht unmöglich, es dauert nur und man benötigt dafür vor allem die richtigen Informationen. Normalerweise gibt es gerade dafür auch ein Dezernat in jeder Stadt, welches vor allem die fachlichen Stellungnahmen abgeben und Vorschläge machen sollte. Die Vorschläge wie es mit einer Stadt weitergehen soll, müssten eigentlich von Bürgern und von den Unternehmen kommen. Eine Stadt sollte sich an dem messen, was die Menschen wirklich brauchen und nicht was sich Ämter wünschen, sollte man jedenfalls denken. In Jena ist dies jedoch nicht so.
Einige wenige haben eine ganz klare Vorstellung von „ihrer“ Stadt, breite Debatten sind unerwünscht oder werden immer öfter durch die wenigen Veranstaltungen zur Farce.
Mittlerweile, so würde ich behaupten, haben auch die Bürger die Lust verloren, sich an den Gesprächen und Debatten noch ersthaft beteiligen zu wollen. Die Beteiligungsquoten, auch gemessen an Veranstaltungen, ist in den letzten Jahren kontinuierlich zurück gegangen. Ist dies beabsichtigter Wille oder einfach nur die sich durchgesetzte Einstellung einer Verwaltungsspitze die sich denkt: „Bürgerbeteiligung brauchen wir nicht, wir machen das schon. Immerhin wissen wir, was gut ist für unsere Stadt“.
In Jena kommt erschwert hinzu, dass scheinbar genau diese Politik- und Verwaltungsspitze stolz sind auf ihr Konzept der Konzernstadt. Welches Konzept eigentlich dahinter steht, kann ich bis heute nicht nachvollziehen. Durch die Gründung der vielen Eigenbetriebe, haben wir nur ein überteuertes System der „rechte Tasche, linke Tasche“ entstehen sehen, wobei der Bürger als die letzte Einheit gerade noch zum Bezahlen gut genug ist. Beispiele dafür gibt es viele. So ist man in Jena sehr stolz auf die vielen kulturellen Dinge, die man sich eigentlich gar nicht leisten könnte, würde man nicht ein ausgeklügeltes System von Geldumverteilung entwickelt haben. Damit ist natürlich auch das Konzept der sich permanent erhöhenden Mieten gemeint, die dann als Gewinn wieder an die Stadt zurück fließen. Zahlen tut hier nur einer, der Bürger.
Natürlich scheut man sich ja auch genau aus diesem Grunde, z.B. Wohnen zum Thema beim Bürgerhaushalt zu machen. Die Ergebnisse würde das „System Jena“ sofort zum Umfallen bringen. Natürlich kann man sowas auch nur umsetzen, wenn man dazu das willfährige Volk hat. DDR Bürger sind da in der Regeln dankbare Genossen. Die begehren nicht auf. Dazu wurden sie schon in der DDR korrekt und staatstreu erzogen. Nur leider ist bei vielen Bürgern bis heute nicht angekommen, dass wir seit 1989 in einem Rechtsstaat leben und man hier das Recht, von Pflicht will ich überhaupt noch gar nicht sprechen, hat, für seine Interessen auch zu kämpfen. Der Staat ist nicht gegeben und Verwaltung eigentlich nur ein ausführendes Organ.
Das wir in Jena keine Stadtentwicklung haben, ist mittlerweile bei ganz vielen angekommen. Man mag die vielfach diskutierten Projekte gar nicht mehr aufzählen, Entwicklungen für die Stadt waren da bisher nicht dabei. Und nun auch noch die Gebietsreform, die wie selbstverständlich auch wieder ganz heimlich hinter verschlossenen Türen stattfindet. Welcher anliegende Ort ist denn wirklich noch so blöde und geht mit Jena eine freiwillige Partnerschaft ein? Und falls wirklich einer am Umkippen ist, braucht man nur die bisher eingemeindeten Orte anzuschauen, was in den letzten Jahren dabei herausgekommen ist. Außer, das die alle eine Staatsregierung bekommen haben und alle ihre Rechte verloren gingen, eben nichts.
Jena bastelt nun schon seit Monaten an den sogenannten „Bürgerbeteiligungsrichtlinien“. Die finale Version ist gerade veröffentlicht. Meiner Meinung nach, hat man hier das Wesen von Bürgerbeteiligung wieder ad absurdum geführt, aber dazu gehe ich in einem anderen Beitrag näher ein. Man merkt beim Durchlesen nur eins, dass man eigentlich gar keine wirkliche Bürgerbeteiligung will. Alles ist im Endergebnis immer wieder auf das zentrale System, die Zentralregierung (Zentralverwaltung) zurückgeführt. Dieses System gilt, so lange die Koalition, bestehend aus SPD, CDU und Grüne, in Jena auch dieses genau so weiter mitträgt. Ob es ein systemisches Problem ist, oder ob hier einfach einige wenige ihre Macht auskosten, sei dahingestellt und es spielt dabei auch überhaupt keine Rolle.
Auch ist nicht davon auszugehen, dass wir in den nächsten Jahren mit dieser verstaubten Form von Demokratievorstellung, wirklich zu den Entscheidungen kommen werden, die für unsere Stadt zukunftsfähige und nachhaltige Lösungen schafft. In Jena stehen so viele brennende Themen an, die es zu lösen gilt. Das wichtigste unter Ihnen ist vor allem, die jungen Menschen in unserer Stadt zu halten. Das geht nur mit modernen und bezahlbaren Wohnungs(bau)konzepten. Eine Wende in Politik und Verwaltung ist jedoch dahingehend nicht sichtbar, solange das Konzept der Ausbeutung der Bürger durch überteuerten Mieten nicht gestoppt wird. Und das ist nur eines der wichtigen Punkte, die es zu lösen gilt. Dazu kommt natürlich auch das riesige Thema der Digitalisierung, welches noch so gut wie überhaupt keine Rolle spielt. Diese wird dafür sorgen, dass Jobs einfach nicht mehr benötigt werden. Dafür muss man auch eine Verwaltung sensibilisieren, denn vor allem sind hier viele Jobs geschaffen, die zum einen eigentlich schon jetzt nicht mehr bezahlbar sind, zum Anderen aber auch unseren Haushalt immer weiter belasten werden. Und vor allem, die einfach durch die Digitalisierung von Prozessen, nicht mehr nötig sein werden. Auch dafür brauchen wir eine politische Debatte.
Am Wichtigsten jedoch ist das Denken wieder vom Kopf auf die Füße zu stellen. Das Elfenbeinturmdenken wird uns dabei nicht mehr weiter helfen können. Wir brauchen eine offene Verwaltung, eine offene Politik und offene Menschen, die diesen Prozess aktiv mitgestalten wollen und vor allem brauchen wir endlich Entscheidungen in Jena und nicht noch mehr Studien und Ausreden, weshalb etwas nicht geht. Es ist wirklich zum Kühe melken, aber wir haben uns durch eine fehlende Strategie im Rahmen des Wachstums unserer Stadt in eine Situation gebracht, die wir jetzt nur noch gemeinsam lösen können. Dafür fehlen uns aber die öffentlichen Foren und vor allem auch der politische Wille.
Wir sind eine kleine Stadt, aber wir haben die Kraft mit den vielen klugen Menschen etwas zu verändern, wenn wir Stadt als Gemeinwesen denken und an Ideen auch gemeinsam arbeiten. Ideen und Visionen gibt es zum Glück sehr viele und sehr gute, alleine eine starre Struktur in Verwaltung und Politik hindern uns daran und natürlich auch manchmal der Bürger, den es gilt in die Betrachtungen in den Mittelpunkt zu stellen. Es muss endlich der Gedanke reifen, dass das Konzept einer Konzernstadt nichts zukunftsweisendes für unsere Stadt hat und einfach nicht nach Jena gehört.
Alleine die Traditionen unserer Universitätsstadt hätte uns schon lange verpflichten müssen, diese auch mit neuen Vorzeichen zu pflegen und weiter zu entwickeln. Aber es ist nie zum spät, mit etwas an zu fangen! Als erstes setzt es nur den Willen voraus!
Erstveröffentlichung auf Jenapolis am 23. Juni 2016