Die Regierung setzt ihren bis vor kurzem unter Carte Blanche agierenden geheimdienstlichen Komplex unter Kontrolle. Die Bevölkerung wird weiter bespitzelt, nur eben auf Befehl von oben.
Die Vorgänge repräsentieren nicht nur den Totalausfall einer weiteren Generation von Deutschen und die Legasthenie ihrer Fachidioten. Sie werfen auch ein Schlaglicht auf weltweite Datenbanken von Geheimdiensten, Anwaltsfirmen und Banken und deren politische Verfolgung von „politischen Individuen“.
Die seit 2002 durch den Staat offen praktizierte, aber von fast allen ignorierte „strategische Überwachung der Telekommunikation“ an deren Infrastruktur wird nächsten Freitag durch das Parlament im neuen B.N.D-Gesetz präzisiert.
Hinweis 09.07.16: das Gesetz, Drucksache 18/9041, wurde in erster Lesung behandelt, ist somit noch nicht beschlossen und bis nach der zweimonatigen „Sommerpause“ des Bundestages vertagt.
Damit hat die Simulation von „Opposition“ und „Untersuchungsausschuss“ in der seit Beginn der Snowden-Affäre außer Funktion gesetzten Republik ihren objektiven Zweck erfüllt.
Unter dem Netzpolitik.org zugesandten Geschwafel irgendwelcher Simulanten ist lediglich das Statement vom Beirat der DE-CIX Management GmbH relevant. Klaus Landefeld gegenüber Netzpolitik.org:
„Alles, was NSA und GCHQ vorgeworfen wurde, soll dem BND jetzt auch erlaubt sein – die Bundesregierung legalisiert die Praxis sozusagen im Nachhinein.“
Das ist falsch.
Erlaubt war dem B.N.D. das vollständige Kopieren an den Netzknoten, auch am Frankfurter DE-CIX, spätetens durch die im November 2005 erneut verschärfte Regierungsverordnung „Telekommunikations-Überwachungsverordnung“ (TKÜV). Darunter fielen auch „inländische Fernmeldenetzknoten, die jeweils mit einem ausländischen Netzknoten zusammengeschaltet sind“ und „vom und in das Ausland“ geführter Telekommunikationsverkehr (Zitat Bundesverfassungsgericht, Beschluss 1 BvL 7/08, 13.05.2009).
Der Bundestag, natürlich auch „Linke“ und „Grüne“, wusste davon spätestens seit 2012.
Welche Luftnummer auch die DE-CIX Management GmbH und ihr Beirat Klaus Landefeld repräsentieren, mag man der Tatsache entnehmen, dass Landefeld nun hinsichtlich des Raubkopierens des deutschen Staates am größten Telekommunikations-Knoten auf dem Planeten von einer „Legalisierung im Nachhinein“ redet, aber im April 2015 genau gegen diese bislang angeblich illegale Praxis des B.N.D. vor dem Bundesverwaltungsgericht klagen wollte. Bereits damals hieß es unter der Presseerklärung:
„Eine Klage wurde aber noch nicht beim Bundesverwaltungsgericht eingereicht. „
Sie wurde auch nie eingereicht.
Der Beirat der DE-CIX Management GmbH Klaus Landefeld nun am Donnerstag weiter gegenüber Netzpolitik.org zum aktuellen B.N.D.-Gesetz:
„Wenn der Gesetzentwurf so verabschiedet wird, wird erstmalig in voller Absicht eine anlasslose Massenüberwachung im Inland gezielt erlaubt.
Auch die Kommunikation deutscher Staatbürger wird dem Dienst dabei zugeleitet, der einzige Schutz unserer Grundrechte besteht in einem obskuren, geheimen Filter welcher – wie bereits in der Gesetzesbegründung ausgeführt – schlicht nicht in einem ausreichenden Masse funktional ist.“
Wie bereits hinreichend dargelegt, verbirgt sich hinter der Formulierung „gezielt erlaubt“ die Legasthenie einer weiteren Generation von Deutschen in ihrer Gesamtheit.
Mit dem „obskuren, geheimen Filter“ meint Klaus Landefeld offensichtlich die in der TKÜV durch den Staat offen und für jeden einsehbar verfügte
„Aufstellung und..Betrieb von Geräten des Bundesnachrichtendienstes.. die nur von hierzu besonders ermächtigten Bediensteten des Bundesnachrichtendienstes eingestellt und gewartet werden dürfen“.
Am 26. März 2015 saß Klaus Landefeld im „Untersuchungsausschuss“. Auszug aus dem Live-Blog von Netzpolitik.org:
„Sensburg: Warum gibt es noch keine TKÜV G-10? Verpennt? Auf diesen Untersuchungsausschuss gewartet? Oder gibt es Grund dafür?
Landefeld: Würde Beschränkungen auslösen, keine freie Interpretation mehr. Aber man braucht ja erstmal Grund, sich damit zu befassen. Den haben wir durch Snowden. Steht ja nicht drin: „Näheres regelt eine Verordnung.“ Rechtlich nicht ungewöhnlich, dass Dinge einige Jahre dauern.“
Dass alle relevanten Provider, wie in der TKÜV für alle deutlich und unleugbar vorgeschrieben,
„dem Bundesnachrichtendienst an einem Übergabepunkt im Inland eine vollständige Kopie der Telekommunikation bereitzustellen“
haben, erfuhr auch der „Untersuchungsausschuss“ höchstselbst durch die Aussage des B.N.D.-Juristen Stefan Burbaum. Jurist Burbaum gegenüber Jurist Konstantin von Notz („Bündnis 90/Die Grünen“), Auszug Live-Blog von Netzpolitik.org am 27. November 2014:
„Notz: Dopplung der Daten von TK-Betreiber vorgenommen. Was ist „Dopplung“?
Burbaum: Kopie gemacht. Am Übergabepunkt in Rechner des BND geleitet. Eins-zu-Eins-Kopie von definiertem Bündel.
Notz: Was ist die Dopplung für ein Vorgang? Kopie, Pufferung, Speicherung, Erfassung?
Burbaum: Speicherung nicht. Kopie ja. Erfassung nein. Erfassung erst ab Verarbeitung.
Notz: Gedoppelt und ausgeleitet ist noch nicht erfasst?
Burbaum: Ja.
Notz: Kann man anders sehen?
Burbaum: Selbstverständlich.
Notz: Rechtsgrundlage für Doppelung ist?
Burbaum: G-10-Beschränkungsanordnung mit TKÜV.“
Bis heute behauptet der „Auslandsgeheimdienst“ B.N.D., er würde zwar eine vollständige Kopie der Telekommunikation „doppeln“ – also kopieren – aber nicht erfassen und nicht speichern.
Aus dem Bericht der “Parlamentarischen Kontrollkommission” vom 10. Februar 2012:
„In diesem Berichtszeitraum qualifizierten sich anhand der…Suchbegriffe 27 079 533 Telekommunikationsverkehre„
Insgesamt waren allein im Jahre 2010 durch die staatlichen Organisationen wie Verfassungsschutz, Bundesnachrichtendienst und Militärischer Abschirmdienst „37.292.862 Emails und Datenverbindungen“ der Bevölkerung „überprüft“ worden, was sogar die „Bild“ berichtete.
Wie man etwas „überprüft“ und wie sich etwas „qualifiziert“, was man laut Aussage des B.N.D.-Juristen Burbaum am 27. November 2014 zwar „kopiert“, aber nicht „erfasst“, das hat bis heute kein staatlicher Funktionär, kein Abgeordneter, kein Jurist, kein etablierter Bürgerrechtler der Bevölkerung jemals erklärt. Geschweige denn, dass jemand dagegen Verfassungsklage erhoben hätte.
Im Gegenteil: bis heute schweigen sie.
Und sie schwiegen alle auch zur Verlängerung des nach Kriegsbeginn in 2001 geschaffenen „deutschen Patriot Act“, dem „Terrorismusbekämpfungsgesetz“ / „Terrorismusbekämpfungsergänzungsgesetz“ (mitsamt Artikel 10-Gesetz, Bundesverfassungsschutzgesetz, BND-Gesetz, Bundeskriminalamtgesetz, MAD-Gesetz, Sicherheitsüberprüfungsgesetz, Straßenverkehrsgesetz) bis zum Jahre 2021.
Analyse
Die Regierung setzt, u.a. mit zwei Richtern und einem Bundesanwalt am Bundesgerichtshof, ihren eigenen geheimdienstlichen Komplex unter Kontrolle, in dem bislang offensichtlich jeder „Interpret“ mit technischem Zugang und Kenntnis gemacht hat was er wollte, ob mit oder ohne Wissen der Regierung. (23.Juli 2014, Wie Interpreten von Recht das Recht verändern, brechen, stürzen können)
Dies dürfte – rein theoretisch, natürlich – auch der Hintergrund von dieser oder jener Spionage-Affäre sein. Einzelne Funktionäre oder Referate / Abteilungen im Apparat haben die ihnen zur Verfügung stehenden Informationen bzw die Telekommunikation offenbar nicht nur ins Ausland an alle möglichen „Partnerdienste“, sondern natürlich auch im Inland gestreut – mutmaßlich auch an rechtsextreme Gruppen oder andere assozierte Kräfte. Oder sie haben die raubkopierten Daten einfach meistbietend auf eigene Rechnung verkauft.
Klaus Landefeld, Betreibergesellschaft des Frankfurter Internetknotens DE-CIX, am 26. März 2015 im „Untersuchungsausschuss“, Protokoll Netzpolitik.org:
„Einzelabgriff geht immer. BND hat Rechtsauffassung, dass Transitverkehre weitergegeben werden können. Da wird erst Hinterher ein Bild daraus. E-Mail-Adresse von Verdächtigen -> Kommunikationspartner -> seine IP-Adresse -> welche Accounts -> wieder Einzelabfrage. Brauchen als Geheimdienst beides, Rohdaten und Suchbegriffe, um ein Geflecht aufzubauen und Korrelationen herzustellen. NSA: je mehr sie haben, desto besser. Google der Geheimdienste. Geschäft wie jedes andere auch. Handel mit Daten.“
Auf der untersten Ebene der Hierarchie des Apparates weltweit vernetzter „Sicherheitsbehörden“ mag dieses Auftauchen von Daten im Besitz der Polizei bei Rechtsextremen in Berlin ein Beispiel sein. Heraus kam es nur, weil die Rechtsextremen dies selbst öffentlich machten.
Die Anfang des Jahres aufgeflogene „World Check“-Datenbank von Thompson Reuters, die nach eigenen Angaben von 300 Regierungsbehörden und Geheimdiensten, 49 von 50 der weltweit größten Banken, 9 von 10 der weltweit größten „Rechtsfirmen“ wie Anwaltskanzleien und „Berufsvorbereitungs“-Firmen zur Durchleuchtung von Arbeitsplatzsuchenden benutzt wird, effektiv als „Schwarze Liste“ wirkt und als Kategorien neben „Konzern“, „Militär“, „Verbrechen – Drogen“ auch die Kategorie „politisches Individium“ enthält, ist ein Beispiel aus der oberen Etage der Hierarchie.
Deutschland lag in der von den digitalen Bürgerrechtlern Cryptohippie erstellten Rangliste der „elektronischen Polizeistaaten“ bereits im Jahr 2008 auf Rang zehn. Reguläre Polizei, Justiz und Rechtsstaat verschwanden bereits damals systemisch (wir berichteten). Bereits in 2007 hatte der Kriegskonzern Blackwater über die „Washington Post“ die Gründung seines eigenen Geheimdienstes bekannt gegeben, welcher nach eigenen Angaben weltweit politische und wirtschaftliche Entwicklungen beobachtet, die den Profit des Auftraggebers gefährden könnten– z.B „Streiks in Südamerika und Europa“.
Im Jahre 2010 berichtete die „Washington Post“ in ihrer dreiteiligen Reportage „Top Secret America“ von einer „versteckten Welt, jeder Kontrolle entwachsen“. Allein in den Vereinigten Staaten von Amerika verfügten zum damaligenn Zeitpunkt 800.000 Personen über den Sicherheitszugang „Top Secret“, also über Zugang zu Informationen der entsprechenden Geheimhaltungsstufe. Zum Vergleich: die angeblich von Bradley Manning an Wikileaks und im Juli 2010 von diesen veröffentlichten Daten hatten die Geheimhaltungsstufe „secret“.
Aus unserer Sicht missbrauchte damals jemand Wikileaks als Müllkippe der U.S.-Militärgeheimdienste, mit all ihren Informanten und deren Märchen. Und jeder sollte sich fragen, ob Bradley Manning, heute Chelsea Manning, jemals diese Daten weitergab, oder vielmehr durch die U.S.-Dienste mittels informeller Durchleuchtung der ebenfalls unter Totalbeobachtung stehenden einfachen U.S.-Soldaten gezielt als Sündenbock ausgesucht wurde, weil er emotional und psychisch instabil war, aus Sicht der Ankläger als „abschreckendes Beispiel“ taugte und dann nach monatelanger Isolationshaft und mutmaßlicher Misshandlung schließlich einfach alles zugab was er nie getan hatte.
In ihrer „Top Secret America“ Reportage von 2010 berichtete die „Washington Post“ von einem wahren Wettlauf verschiedener U.S.-Regierungsbehörden um das effektivste Prestigeobjekt von Abhörzentrale bzw Spionagezentrum, die „Sensitive compartmented information facility“ (SCIF). Ein kommerzieller Konstrukteur solcher Anlagen gegenüber der „Washington Post“:
„In (Washington) D.C. redet jeder von SCIF, SCIF, SCIF. Die haben da dieses Penisneid-Ding laufen. Du kannst kein großer Junge sein, wenn Du nicht eine Drei-Buchstaben-Agentur bist und einen großen SCIF hast.“
Was auch die „Washington Post“ nicht darlegte: woher kamen diese ganzen Daten, die einer nie von irgendjemandem gewählten und nie legitimierten Schattenwelt einer neuen Digitalen Epoche in Zeiten weltweiten Krieges zu Aufstieg, Karriere und Profit verholfen hatten?
Natürlich an den Schnittstellen bei den Providern. Und die Ausreden der Spitzel in den Staaten glichen auf´s Haar denen ihrer „Kollegen“ in Deutschland:
„Der Offizielle sagte, dass ein Computer die Daten zur Identifizierung der Schlüsselbegriffe („keywords“) und anderer ´selectors´ (Anm.: andere vorher definierte Parameter) durchsucht und diejenigen abspeichert die zusammenpassen, so das menschliche Analysten sie später untersuchen könnten. Die verbleibende Kommunikation, so der Offizielle, wird gelöscht, der gesamte Prozess benötigt ´eine kleine Anzahl von Sekunden´ und das System hat keine Fähigkeit einer Suche im Nachhinein („retrospective searching“).“
Das Parlament der Republik, wie alle Parlamente, spielt bei alldem bestenfalls keine Rolle und schlimmstenfalls die Rolle des Wasserträgers und Beihelfers. Alle Parteien, alle staatlichen Institutionen und alle Etablierten haben alles zu verlieren, versuchen die Vorgänge und Fakten zu vertuschen und spielen auf Zeit. Die Bevölkerung wird weiter betrogen und bespitzelt, vorneweg die potentiellen „Gefährder“, nicht im strafrechtlichen Sinne, sondern im Sinne einer seit Jahrzehnten im Geheimen zumindest möglichen und mutmaßlich praktizierten politischen Verfolgung gegen alle, die der Machtarchitektur dieses Tiefen Staates und seiner nationalen und internationalen Kameraden, Genossen und / oder „Alliierten“, oder einfach Kriegslobby, Konsortien und Kapitalismus auf die Schliche kommen und für deren Interessen gefährlich werden.
(…)
Artikel zum Thema:
19.05.2016 Tribute von Berlin
Die Regierung schließt ein neues Spionage-Abkommen mit den U.S.A.. Die „Opposition“ hält sich und ihre Ableger still. Bericht aus einer Republik außer Funktion.
27.02.2008 Karlsruhe erlaubt Präventiv-Spionage und Totalüberwachung Einzelner
„Die Maßnahme kann schon dann gerechtfertigt sein, wenn sich noch nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit feststellen lässt, dass die Gefahr in näherer Zukunft eintritt“.
Anführungszeichen bei allen Zitaten gesetzt am 07.03.2018