Das neue B.N.D.-Gesetz ist zwar in den Bundestag eingebracht, aber nicht beschlossen, sondern bis nach der „Sommerpause“ der parlamentarischen Demokratie verschoben worden.
Ein paar Hintergründe.
Das parlamentarische System der Gewaltenteilung des Grundgesetzes der Republik erschafft zwei Kammern, die an der Gesetzgebung beteiligt sind. Die erste Kammer ist der Bundestag. Dieser wird von der Bevölkerung direkt gewählt. Die zweite Kammer ist der Bundesrat. Dieser wird nicht gewählt, sondern setzt sich aus den Landesregierungen der Bundesländer zusammen. Die Landesregierungen werden ebenfalls nicht gewählt, sondern lediglich der Ministerpräsident / die Ministerpräsidenten und zwar vom Landesparlament. Anschließend ernennt der Ministerpräsident / die Ministerpräsidentin die MinisterInnen.
Im Bundesrat nun ist die Partei „Bündnis 90/Die Grünen“ an zehn von sechzehn Landesregierungen in den Bundesländern beteiligt. Damit läuft in der Länderkammer Bundesrat nichts gegen sie.
Diesen Freitag (8. Juli) nun winkten die „Grünen“ im Bundesrat das staatliche „Anti-Terror-Paket“ durch, nachdem sie es am 24. Juni im Bundestag nach der üblichen Oppositions-Simulation noch abgelehnt hatten.
Im Bundestag wiederum stand am gleichen Freitag das neue B.N.D.-Gesetz („Entwurf eines Gesetzes zur Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung des Bundesnachrichtendienstes“) auf der Tagesordnung, welches laut einem Statement von Klaus Landefeld aus der Betreibergesellschaft des größten Internetknotens auf dem Planeten, dem DE-CIX in Frankfurt,
„erstmalig in voller Absicht eine anlasslose Massenüberwachung im Inland gezielt erlaubt“
Dieses neue B.N.D.-Gesetz wurde am Freitag im Bundestag aber lediglich in erster Lesung behandelt. Damit hat der Bundestag den eigentlichen Beschluss um mindestens zwei Monate vertagt, bis das insgesamt nur rund fünf Monate im Jahr überhaupt aktive Parlament wieder arbeitet, nämlich im September.
Warum?
Nun, zuerst mal entspricht dieses seltsame Vorpreschen und dann Hinauszögern durchaus den erklärten Absichten der Regierung.
Am 7. Juni ließ die Regierung an den „Tagesspiegel“ durchsickern, man plane die seit langem angekündigte „Reform“ des Bundesnachrichtendienstes in Form des neuen B.N.D.-(Änderungs)Gesetzes. Vor der Sommerpause werde allerdings nur das Kabinett diesen „beschließen“, also sich untereinander auf den eigenen Entwurf einigen. Dieser Gesetzentwurf
„könnte dann in der zweiten Jahreshälfte im Bundestag in erster bis dritter Lesung beraten werden, hieß es in Regierungskreisen.“
Doch am 9. Juni tauchte der Gesetzentwurf „urplötzlich“ und „überraschend“auf der Tagesordnung des Bundestages auf, wie der Verband der Internetwirtschaft Eco bemerkte. Über den weiteren Zeitplan sei „noch nichts bekannt“.
Was bewog also die Regierung einen offensichtlich in Inhalt, Wortlaut und Geist eklatant gegen die Verfassung verstoßenden Gesetzentwurf zur Totalüberwachung – und damit auch zur offen und gezielt ermöglichten politischen Verfolgung – der Bevölkerung für die zweite Jahreshälfte anzukündigen, aber dann plötzlich in erster Lesung in den Bundestag einzubringen?
Nahe liegt erstens, dass es sich um ein Täuschungsmanöver und den Versuch eines Machtbeweises handelte. Man ergötzt sich in Regierung und Behörden mutmaßlich über das übliche „Alarmgeschrei“ der wenigen „Opfer“ und „verfassungsgläubigen Naivlinge“, die sich ihnen überhaupt noch wiedersetzen, also über die tatsächliche Opposition.
Gleichzeitig aber ignorieren Regierung, „Parteien“ und Behörden nicht nur das Grundgesetz, wie seit Jahren, sondern mittlerweile auch die deutlichen Anzeichen der Erosion ihrer Machtarchitektur. Diese Anzeichen von Selbsttäuschung und Realitätsverlust, als gesteigerte Ignoranz von allem was einem irgendwie nicht in den Kram passt, sind bei Regierung, „Parteien“ und Funktionären staatlicher Strukturen insgesamt mittlerweile unübersehbar geworden. Dabei übersieht die zum Tiefen Staat und Apparat verschmolzene „politische Klasse“ nicht nur direkte Vorschriften und – seien wir mal deutlich – Befehle des Grundgesetzes, sondern bricht diese derart offen, dass manche von Dreistigkeit sprechen würden; in Wirklichkeit ist es – zweitens – als „Offensivstrategie“ getarnte Verzweiflung.
Drittens steht die Regierung und dieser Tiefe Staat, dem parlamentarisch faktisch keine Opposition entgegensteht, unter immensen Druck aus Washington. Nach dem Karlsruher Verfassungsurteil zum B.K.A.-Gesetz, für dass die Richter sich und dem Bundeskriminalamt siebeneinhalb Jahre Zeit liessen, tat die Regierung nichts anderes als in die Vereinigten Staaten von mindestens Amerika zu eilen und selbst die milden Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts für die internationalen Datentauschbörsen des geheimdienstlichen Komplexes durch neue Spionage-Abkommen wieder auszubügeln. Dabei darf nicht außer Acht gelassen werden, dass die Bundesregierung im September 2014 diese Republik zum Teil einer internationalen Kriegskoalition gemacht hat, ohne Widerstand der Scheinopposition. Die U.S.-Regierung achtet eifersüchtig darauf, dass ihre von Handlangern an der Atlantikernase geführte „Etappe“ zum „Vereinten Europa“ sich hübsch artig entdemokratisiert und wie geplant unter den Mantel der Geschichte schlüpft. Irgendwelches besucherzahlenloses Gesindel, oder was man dafür hält man unsere Daten nicht hat, hat da einfach nicht zu sein, auch wenn es darf. Und wenn es schon da ist, dann will man – damn it – wenigstens die Passwörter, wissen wer da liest, wo die wohnen, was die am Telefon erzählen, mit wem die in der Firma reden und was die dabei für ein Gesicht machen und zwar hop-hop-hop-hop-hop, also praktisch die gesamte Erdbevölkerung plus präventiv ein paar extraterrestrische Kolonien.
Viertens wäre da noch der Bundesrat. Ohne zu glauben, dass es irgendetwas gäbe, zu dem die zehn von sechzehn Landesregierungen unter Beteiligung von „Bündnis 90/Die Grünen“-Funktionären (wie diesem Paneuropa-Freak und Bruder im Zentralkomitee Winfried Kretschmann zu Baden-Württemberg) nicht Ja und Amen sagen würden, wäre ein Ja der „Grünen“ im Bundesrat zum neuen B.N.D.-Gesetz für diese doch sehr peinlich, sogar für die gepflegten Parteibrüder und -schwestern bei Netzpolitik.org.
Die Regierung hat bereits seine in Artikel 76 Grundgesetz festgelegte Verpflichtung zur Vorlage des B.N.D.-Gesetzentwurfs zur Stellungnahme im Bundesrat umgangen, indem sie ihre Fraktionen vorschickte (Gesetzentwürfe von Fraktionen müssen vor der ersten Lesung im Bundestag nicht vorher im Bundesrat zur Stellungnahme vorgelegt werden). Ein erstes Zeichen, dass es im Bundesrat Probleme geben könnte.
Es ist nun nicht eindeutig ersichtlich, ob das neue B.N.D.-Gesetz überhaupt ein Zustimmungsgesetz / zustimmungspflichtiges Gesetz ist, dem der Bundesrat also zustimmen muss. Das liegt auch daran, dass es den „Grünen“ und den ihnen hinterher stolpernden Bürgerrechtsorganisationen offenkundig peinlich ist, welche Machtfülle sie und der Bundesrat im Falle des Falles haben (der Bundesrat listet nur bei Verfassungsänderungen überhaupt im Einzelnen auf, welche Landesregierungen wie abgestimmt haben).
Zur Frage, wie es mit dem B.N.D.-Gesetz nach Zustimmung des Bundestages im Bundesrat weiter geht, oder weiter gehen könnte, herrscht auffälliges Schweigen, auf allen Seiten.
Falls das B.N.D.-Gesetz nicht als Zustimmungsgesetz, sondern als Einspruchsgesetz behandelt wird, müsste der Bundesrat mit Mehrheit aktiv Einspruch einlegen (Grundgesetz in Artikel 77 Absatz 3). Dies aber ist sehr unwahrscheinlich, da dann auch die Funktionäre von „C.D.U.“ und „S.P.D.“ in den entsprechenden Länderregierungen ihren Parteipfaffen zu Berlin widersprechen müssten.
Geht man also nun davon aus, dass das neue B.N.D.-Gesetz ohne Probleme auch durch den Bundesrat kommt, bleibt fünftens noch ein historisches Verfassungsurteil, was in diesem Jahr zu erwarten ist.
Am 4. Juli schrieb Radio Utopie zur Klage des 1968 durch die „Notstandsgesetze“ geschaffenen Geheimgerichts, der G 10-Kommission, auf Einsicht in die Spionageziele („Selektoren“) von Bundesnachrichtendienst und National Security Agency.
Bezüglich dieser Spionage, oder „nachrichtendienstlichen Erfassungsziele“ des B.N.D., wird in Presse und „Untersuchungsaussschuss“ durchgängig von „Selektoren“ geredet. Von diesem Begriff hat der ex-Präsident des Bundesnachrichtendienstes Ernst Uhrlau nach eigener Aussage nie gehört.
Letztlich geht es um die Frage, ob die Regierung überhaupt ein parlamentarisches Gremium darüber informieren muss, was und wen es wie, wo, wie lange und mit welchen Mitteln ausspioniert hat und auf welche Rechtsinterpretation sich die Regierung dabei beruft.
Eine Rechtsinterpretation könnte z.B. der „kollektive Verteidigungsfall“ des Nordatlantikpaktes vom 4. Oktober 2001 nach Artikel 5 N.A.T.O.-Vertrag sein; unter Berufung auf diesen war kurz bei einem geheimen N.A.T.O.-Treffen in Athen der Oberbefehl über sämtliche Geheimdienste der N.A.T.O.-Staaten in Sachen Terrorbekämpfung der C.I.A. übertragen worden.
Ebenfalls ein gern verschwiegener Umstand: der heutige Finanzminister und damalige Innenminister Wolfgang Schäuble, die damalige Justizministerin Brigitte Zypries und heutige Staatssekretärin von Sigmar Gabriel und der damalige Präsident des Bundesnachrichtendienstes, August Hanning, sagten im Juni 2008 vorm damaligen B.N.D.-„Untersuchungsausschuss“ aus, dass Aktivitäten von U.S.-Geheimdiensten auf deutschem Boden nicht von deutschen Diensten beobachtet werden, also „grenzenloses Vertrauen“ genießen. (26.06.2008, Akzeptieren wir die CIA-Republik Deutschland?)
Eine weitere Rechtsinterpretation der Regierung könnten sich aus weiteren geheimen Verträgen und Abkommen ergeben. Oder die Regierung folgt einfach Befehlen („Executive Order“) des „Führers der Freien Welt“, dem „Oberkommandierenden“ der neuen „Koalition der Willigen“, der internationalen Kriegskoalition. Und der U.S.-Präsident wiederum beruft sich auf „die gefährlichste Rechtsverfügung in der U.S.-Geschichte„, die vom Kongress am 14. September 2001 ausgestellte „Authorization for Use of Military Force“, die bis heute geltende zeitlich unbegrenzte Vollmacht überall auf dem Planeten militärische Gewalt einzusetzen (und natürlich auch „militärische Mittel“ vom Militärgeheimdienst National Security Agency N.S.A., im als Kriegsgebiet uminterpretierten Internet).
Nach unserer Analyse versucht sich die Regierung sich nun mit dem neuen B.N.D.-Gesetz vor genau dieser Verfassungsklage der G 10-Kommision in Sicherheit zu bringen, die darüber entscheiden wird, ob die Regierung wenigstens dem 1968 durch die Verfassungsänderungen der „Notstandsgesetze“ installierten Geheimgericht die Spionage-Ziele ihrer Geheimdienste offenlegen muss. Dazu muss die Regierung aber eben dieses Verfassungsurteil abwarten. Gleichzeitig versucht sie Machtbeweise, Einschüchterungsversuche und Täuschungsmanöver, um Zeit zu gewinnen die sie nicht hat.
Und genau das scheint der Hintergrund dieses surrealen Vor-Und-Zurück der Regierung beim B.N.D.-Gesetz, sowie in der nunmehr seit drei Jahren andauernden Staatsaffäre zu sein, in der Republik und Gewaltenteilung des Grundgesetzes vor aller Augen außer Funktion gesetzt wurden, um einen außer Kontrolle geratenen geheimdienstlichen Komplex, dessen Aktivitäten und dessen Beihelfer in Regierung, Parlament und Justiz zu decken.