Ein Artikel der Gewerkschaft Deutscher Lokmotivführer
Liebe Kolleginnen und Kollegen, so mancher unter uns hat wohl geglaubt, 2016 würde ein eher ruhiges, ja beschauliches Jahr werden. Nach der harten Tarifrunde 2014/15 schienen gravierende Konflikte bis auf Weiteres weder wünschenswert noch vorstellbar. Doch die Realität hat derartigen Wunschträumen ein schnelles Ende bereit. Denn auf den Zügen und in den Bahnbetrieben dieser Republik herrschen teilweise Zustände, die von Wohlgefühlen weit entfernt sind.
Nach wie vor haben wir es in der Deutschen Bahn mit einem Arbeitgeber zu tun, der auch in der fünften Runde der laufenden Tarifverhandlungen noch immer die Belastung seiner wertvollsten Mitarbeiter leugnet.
Geht es nach der DB, sind Lokomotivführer, Zugbegleiter, Bordgastronomen, Trainer/Instruktoren und Disponenten – also jene Beschäftigten, die den Betrieb trotz aller hausgemachten technischen und strukturellen Mängel am Laufen halten – wenn überhaupt dann „nur punktuell“ belastet. Ist das nun Dummheit, Verblendung oder eiskalte Berechnung? Vielleicht ein bisschen was von allem. Einem Arbeitgeber, der lauthals das autonome Fahren auf der Schiene propagiert und der Eisenbahn damit zum Ärger der gesamten Branche den dringend benötigten Nachwuchs vergrault, ist jedenfalls alles zuzutrauen.
Doch worum es sich auch immer handelt: die GDL ist unter dem Motto „Mehr Plan, mehr Leben“ angetreten, über umfangreichen Arbeitszeitverbesserungen eine wirkliche Belastungssenkung für das Zugpersonal zu erreichen. Wer uns kennt weiß, dass wir das schaffen.
Geschafft haben wir ohnehin einiges in den zurückliegenden zwölf Monaten. So konnten wir die Arbeits- und Lebensbedingungen bei den NE-Bahnen in deren Tarifverträgen deutlich verbessern. Mit dem Abschluss des Konzernrahmentarifvertrages KoRa-ZugTV bei Abellio, Hessischer Landesbahn, Transdev und Netinera ist es uns außerdem gelungen, für das Zugpersonal im jeweiligen Unternehmen ein einheitliches Niveau in einem gemeinsamen Tarifvertrag zu verankern. Das bedeutet die gesicherte Vergütung auf dem marktüblichen Niveau und Schutz bei gesundheitsbedingter Fahruntauglichkeit. Das sind Erfolge, die sich sehen lassen können.
Habe ich eingangs von Ruhe und Beschaulichkeit gesprochen, so komme ich nun darauf zurück. Abgesehen davon, dass beide Eigenschaften ohnehin nicht zur GDL passen wollen, kann ich auch für das kommende Jahr weder das eine noch das andere versprechen – dafür sind die Missstände die es anzupacken gilt, einfach zu groß. Dennoch wünsche ich ein frohes Weihnachtsfest und ein glückliches, gesundes neues Jahr.
Claus Weselsky