Lateinamerika-Experten warnen vor neuen Rechten in Argentinien

Dutzende Lateinamerika-Experten aus Europa, den USA, Kanada und Australien haben vor den Folgen der neoliberalen Politik unter Präsident Mauricio Macri in Argentinien gewarnt. Es ist der zweite Aufruf zur kritischen Auseinandersetzung mit der Regierung Macri seit ihrem Amtsantritt im Dezember 2015. Die Unterzeichner, von denen die meisten aus der universitären Forschung kommen, sehen sie im Kontext neuer rechter Bewegungen weltweit. Zum zweiten Mal seit Beginn des Neoliberalismus werde Lateinamerika zum Experimentierfeld dieser Ideologie, warnen sie. Die ersten Versuche neoliberaler Vordenker waren in den 1970er und 1980er Jahren unter den Militärdiktaturen Südamerikas gemacht worden, vor allem in Chile.

Der Wahlsieg von Donald Trump in den USA und die bevorstehenden Präsidentschaftswahlen in Frankreich, bei denen allen Umfragen zufolge die extreme Rechte vorn liegt, ließen wenig Zweifel an den globalen politischen Trends, heißt es in dem Text, der auch bei amerika21 erscheint.

Die Forscher sehen vier Schwerpunkte der neurechten Experimente in Argentinien.

Erstens führen sie staatlich forcierten Fremdenhass an. „Als Argentiniens Präsident Mauricio Macri im Januar 2017 per Dekret die sofortige Ausweisung von Immigranten autorisierte, wurde dies als Imitation von Donald Trumps nur wenige Tage zuvor lanciertem ‚travel ban‘ verstanden“, schreiben sie. Tatsächlich sei bereits 2016 ein Sondergefängnis für Migranten eingerichtet worden, „in denen Ausländer bereits nach minimalen Ordnungsverstößen interniert werden können“.

Zum Zweiten führen sie eine zunehmende Verquickung der politischen und wirtschaftlichen Ebene an. Macris Kabinett sei vor allem mit schillernden Persönlichkeiten aus der Finanzwelt besetzt. „Der Stabschef des Präsidenten war bis vor kurzem auf Teilzeitbasis auch in den Aufsichtsräten von Fluggesellschaften der Macri-Holding tätig, die seit Amtsantritt des Präsidenten kräftig von der Privatisierung der staatlichen Inlandsflugrouten profitieren“, heißt es in dem Text.

Drittens konstatieren sie eine verstärkte Kriminalisierung der politischen Opposition und der sozialen Proteste bei gleichzeitiger Forcierung der Ausbeutung natürlicher Ressourcen. „Zusätzlich zur bereits durch die Vorgängerregierungen vorangetriebenen Expansion des Tagebaus wurden seit Macris Amtsantritt eine Reihe von Maßnahmen umgesetzt, die den intensiven Abbau natürlicher Ressourcen und die Ausweitung agroindustrieller Produktionsformen weiter erleichtern.“

Schließlich konstatieren die Unterzeichner eine Zunahme der politischen Justiz. „Organisierte Formen von Widerstand geraten derweil ins Visier einer brutalen sozialen Disziplinierung, die von direkter polizeilicher Repression bis zur Inhaftierung und psychologischen Folter durch eine politisch gefügige Justizmaschinerie reicht.“

„Argentiniens Regierung ist im Begriff, den schwersten Anschlag auf den Pluralismus, die soziale Gerechtigkeit, die Unabhängigkeit der Justiz, die freie Meinungsäußerung und die soziale Integration seit dem Ende der Militärdiktatur zu verüben“, heißt es abschließend in dem Text, den amerika21 hier dokumentiert. Verbunden ist der Aufruf mit einer Unterschriftensammlung, die Sie hier finden.

Erstveröffentlichung auf Portal amerika21.de am 29.3.2017