Die vorläufige Entmachtung des Parlaments in Venezuela durch den Obersten Gerichtshof (TSJ) hat im Land für heftige Reaktionen gesorgt. Das Gericht hatte der Nationalversammlung, die seit den Wahlen im Dezember 2015 von der rechtsgerichteten Opposition dominiert wird, am Mittwoch die Kompetenzen entzogen. Die Richter begründeten ihre Entscheidung damit, dass die oppositionelle Mehrheit zur Regierung von Präsident Nicolás Maduro gegen geltendes Recht verstoße. Die obersten Richter übertrugen die Kompetenzen des Parlaments bis auf weiteres auf das Gericht selbst und auf die Regierung Maduros.
Diese Regelung bleibe in Kraft, solange die Nationalversammlung geltendes Recht missachte, hieß es in der Entscheidung von Mittwochabend.
Hintergrund ist ein heftig ausgetragener Konflikt zwischen dem oppositionell dominierten Parlament und der Justiz um mehrere Mandate. Der Oberste Gerichtshof hatte in diesem Zusammenhang im vergangenen Jahr drei Abgeordneten aus dem Lager der Regierungsgegner das Mandat wegen mutmaßlichen Wahlbetrugs aberkannt. Das Oppositionsbündnis MUD lenkte in diesem Streit zwar schließlich ein, ließ die drei umstrittenen Parlamentarier zuvor aber noch den Parlamentspräsidenten Julio Borges von der rechtspopulistischen Partei Primero Justicia (Zuerst Gerechtigkeit) mitwählen. Der TSJ erklärte daraufhin alle unter dem neuen Parlamentsvorsitzenden Julio Borges gefällten Entscheide für ungültig, da dieser mit den Stimmen von drei gerichtlich suspendierten Parlamentariern gewählt worden war.
Die vorläufige Entmachtung des Parlamentes sei notwendig, so hieß es nun vom Obersten Gerichtshof, um Rechtssicherheit zu schaffen. Konkreter Auslöser war ein Antrag des staatlichen venezolanischen Energiekonzerns Corporación Venezolana del Petróleo, S.A. (CVP) zur Vorabentscheidung über die Auslegung des Gesetzes über Rohstoffe. Die CVP hatte die notwendige Entscheidung des Parlaments beantragt, um Rechtssicherheit in Bezug auf die Gründung von Mischunternehmen zu erhalten. Nach Ansicht des TSJ wäre aber jede Entscheidung der Nationalversammlung unter dem illegitim gewählten Parlamentspräsidenten nichtig gewesen. Daher sei die Übertragung der Entscheidungsbefugnisse auf Judikative und Exekutive notwendig.
Die Opposition äußerte sich zu dieser Entscheidung nicht, sondern bezeichnete die Entmachtung durch den Obersten Gerichtshof als „Staatsstreich“. Der umstrittene Parlamentspräsident Borges wählte harsche Worte: „Das heißt nichts anderes als Staatsstreich und Diktatur in Venezuela“. Der Abgeordnete Miguel Pizarro, der wie Borges der Partei Primero Justicia angehört und in Deutschland Kontakte zur CDU-nahmen Konrad-Adenauer- Stiftung unterhielt, warf Präsident Maduro vor, das Urteil persönlich angewiesen zu haben.
Erstveröffentlichung auf Portal amerika.de am 31.3.2017
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