Autoren: Sabine Lösing und Jürgen Wagner
Per Rechtsbeugung in die militarisierte EU-Entwicklungshilfe
Die Bundesrepublik hat 2016 eine „Ertüchtigungsinitiative“ ausgerufen. Sie sei, heißt es in einem „Arbeitspapier“ einer Bundesakademie, anders als geunkt werde, kein Versuch, „Rüstungsexporte in Krisengebiete zu rechtfertigen“, sondern „ein vielschichtiges Instrument vorbeugender Sicherheitspolitik“.[1] Dahinter stehe die Idee, „regionale Akteure in die Lage zu versetzen, selbst für Sicherheit und Stabilität in ihrer Nachbarschaft zu sorgen“. Sie sei „Hilfe zur Selbsthilfe“: „Staaten oder Organisationen, die als Stabilitätsanker in fragilen Regionen dienen können, sollen dahingehend ausgebildet und befähigt werden. Neben Schulung und Ausbildung zivilen und militärischen Personals schließt das deutsche Konzept auch die Bereitstellung von Ausrüstung mit ein.“ Schwerpunktländer sind gegenwärtig der Irak, Jordanien, Tunesien, Mali und Nigeria.
Auch die NATO „ertüchtigt“, vor allem im Rahmen des Einsatzes „Resolute Support“ in Afghanistan, an dem Deutschland mit knapp 1.000 Soldaten beteiligt ist. Und unter dem Dach der Europäischen Union tragen 14 von 16 momentanen „Missionen“ in der ein oder anderen Form zur „Kapazitätsbildung“ bei, wie es im Brüsseler Jargon heißt. Bezahlt werden müssen solche EU-Einsätze derzeit allerdings noch überwiegend aus der nationalen Tasche – und genau das soll sich in Kürze ändern.
Schon lange wollen interessierte Kreise den EU-Haushalt für die Finanzierung militärischer Belange heranziehen. Seit einiger Zeit werden die diesbezüglichen Anstrengungen aber ganz erheblich intensiviert. Die EU-Kommission hat bereits den Entwurf für einen Rüstungsetat vorgelegt, der spätestens bis 2018 verabschiedet werden soll. Ergänzend hierzu erfolgt der Versuch, Gelder aus anderen Töpfen „umzuwidmen“, so dass die nationalen Rüstungsbudgets auch auf diesem Weg „entlastet“ werden können. Das ist zwar nicht brandneu, aber mit dem jüngsten Kommissionsvorschlag, das zum Portfolio der EU-Entwicklungspolitik gehörende „Instrument für Stabilität und Frieden“ (ISP) zur Finanzierung von „Ertüchtigungsmaßnahmen“ zu öffnen, droht aber gleich aus mehreren Gründen ein Dammbruch.
Erstens wird der zunehmenden Bedeutung dieser Maßnahmen durch zusätzliche Gelder buchstäblich Rechnung getragen, um bislang bestehende Hürden für die Ausweitung einer solchen Praxis zu überwinden. Zweitens soll hierdurch ein – zumindest offiziell – der zivilen Konfliktbearbeitung und Krisenprävention gewidmetes „Instrument“ nach allen Regeln der Kunst militarisiert werden. Drittens soll das Ganze dann auch mit Mitteln finanziert werden, die für die sogenannte Entwicklungshilfe bestimmt waren, die durch solche Umwidmungen immer stärker militarisiert wird. Und viertens ist es auch noch schlicht illegal.
Dennoch nahm der Kommissionsvorschlag im Juli 2017 zwei wichtige Hürden, als ihm sowohl der Entwicklungs- wie auch der Auswärtige Ausschuss des Europäischen Parlaments zustimmte. Somit deutet vieles darauf hin, dass ihn die Plenarversammlung bei der nächsten, auf Mitte September 2017 terminierten, Sitzung durchwinken wird – allen moralischen, politischen und rechtlichen Bedenken zum Trotz.
„Ertüchtigung“ als Allzweckwaffe
Aufgrund der desaströsen Erfahrungen mit militärischer Besatzung wie in Afghanistan und im Irak gewinnen seit einigen Jahren politisch wie finanziell „kostengünstigere“ Alternativen an Bedeutung. Dazu gehört der zunehmende Einsatz von Spezialeinheiten und Drohnen ebenso wie der verstärkte Rückgriff auf die Aufrüstung und Ausbildung lokaler Akteure. Vor allem auch beim deutschen Staat erfreut sich die „Ertüchtigung“ wachsender Beliebtheit: Sie ist „für die deutsche Politik zunehmend zu einer Art Allzweckwaffe geworden, die sich im Rahmen des neuen ›Verantwortungsdiskurses‹ legitimieren lässt und die sowohl militärische Machtprojektion und Rüstungsexporte als auch Kontrolle über andere Länder ermöglicht, ohne sich auf langfristige, teure und personalintensive Einsätze einlassen zu müssen – auch wenn sie sich gegenseitig nicht ausschließen müssen!“[2] Dementsprechend wurden im „Bundeshaushaltsplan 2016“ erstmals 100 Millionen Euro (2017 bereits 130 Millionen) eigens für die „Ertüchtigung von Partnerstaaten im Bereich Sicherheit, Verteidigung und Stabilisierung“ eingestellt.
Auch auf EU-Ebene war es nicht zuletzt die Bundesregierung, die versuchte, „Ertüchtigungsinitiativen“ voranzutreiben. Dort erwies sich deren Finanzierung allerdings lange als relativ schwierig. Dies lag vor allem an den Bestimmungen in Artikel 41 (2) des Lissabon-Vertrages, der es verbietet, „Maßnahmen mit militärischen oder verteidigungspolitischen Bezügen“ im Rahmen der „Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik“ (GASP) aus dem gemeinsamen Etat zu bezahlen. Lange wurde davon ausgegangen, dass von diesem Finanzierungsverbot auch „Ertüchtigungsmaßnahmen“ betroffen sind. So beklagten sich etwa die Autoren des „Readers Sicherheitspolitik“ der Bundeswehr noch im Jahr 2015 wortstark: „Es gibt derzeit kein EU-Haushaltsinstrument, das darauf zugeschnitten wäre, den Aufbau militärischer Kapazitäten in Drittstaaten zu unterstützen. [Es] offenbart sich ein großes, funktionales Problem bei der konkreten Umsetzung der europäischen Ertüchtigungsinitiative: Offenbar gelten innerhalb der EU sehr viel größere Hürden für die materielle Ausstattung ausländischer Sicherheitskräfte als für deren Ausbildung. Ein primärrechtliches Hindernis stellt schon der Lissabon-Vertrag von 2009 dar“.[3]
Um dieses Problem zu umschiffen, wurde bereits 2004 die „Afrikanische Friedensfazilität“ gestiftet, der seither vor allem für den Aufbau afrikanischer Interventionstruppen und zur Finanzierung von Militäreinsätzen der Afrikanischen Union 1,9 Milliarden Euro entnommen wurden. Der „Vorteil“ des Verfahrens wurde vor allem darin gesehen, dass die Gelder aus dem „Europäischen Entwicklungsfonds“ kommen, der seinerseits wiederum technisch gesehen kein offizieller Teil des EU-Haushaltes ist und damit nicht den damals noch als relevant erachteten Beschränkungen aus Artikel 41 (2) unterlag. Allerdings sind der Verwendbarkeit der Fazilität buchstäblich (regionale) Grenzen gesetzt, weshalb nach Alternativen gesucht wurde.
Im April 2015 veröffentlichte die Kommission zusammen mit der EU-Außenbeauftragten das Papier „Kapazitätsaufbau zur Förderung von Sicherheit und Entwicklung“. Den sogenannten Ertüchtigungsmaßnahmen räumen die Verfasser einen hohen Stellenwert ein, bemängeln allerdings das Fehlen „angemessener“ Finanzierungsmöglichkeiten und unterbreiten Vorschläge zur Abhilfe: „Dementsprechend gibt es derzeit kein EU-Haushaltsinstrument, das für die umfassende Finanzierung des Aufbaus von Sicherheitskapazitäten – und insbesondere von militärischen Kapazitäten – in Partnerländern konzipiert wäre. […] Angesichts des Umfangs der Problematik sollten für die bestehenden Beschränkungen nicht nur Ad-hoc-Lösungen gefunden werden. Die Europäische Kommission und die Hohe Vertreterin sind vielmehr der Ansicht, dass die praktische Durchführbarkeit der drei folgenden Maßnahmen geprüft werden sollte: i) Vorschlag zur Anpassung der Friedensfazilität für Afrika, um deren Beschränkungen abzubauen; ii) Einrichtung einer Fazilität für die Verknüpfung von Frieden, Sicherheit und Entwicklung im Rahmen eines oder mehrerer bestehender Instrumente; iii) Einrichtung eines spezifischen Instruments zu diesem Zweck“.[4]
In einer daraufhin wiederum von Kommission und Außenbeauftragter angefertigten und am 5. Juli 2016 veröffentlichten „Folgeabschätzung“ wurde dann argumentiert, die geographischen Beschränkungen der Friedensfazilität ließen sich nur schwer überwinden und die Schaffung eines eigenen „Ertüchtigungsinstrumentes“ würde zuviel Zeit in Anspruch nehmen. Aus diesem Grund plädierten Außenbeauftragte und Kommission dafür, das Instrument für Stabilität und Frieden (ISP) dementsprechend anzupassen: „Um auf die unmittelbaren Herausforderungen eingehen zu können, sind sofortige Lösungen vorzuziehen. […] In bezug auf Zeitplanung, geographischen Geltungsbereich und Flexibilität ist die Überarbeitung des ISP für den Einsatz als Kriseninstrument die bevorzugte Option.“[5]
Schwammige Formulierungen
Am selben Tag übermittelte die Kommission den Mitgliedsländern ebenfalls den Legislativvorschlag für eine „Änderung der Verordnung zur Schaffung eines Instruments, das zu Stabilität und Frieden beiträgt“.[6] Die Verordnung muss sowohl von den Mitgliedsstaaten als auch vom Europäischen Parlament bestätigt werden, danach hat sie bindenden Charakter. Ziel ist die Einführung eines neuen Artikels, „damit die Hilfe der Union unter außergewöhnlichen Umständen für den Aufbau von Kapazitäten militärischer Akteure in Partnerländern verwendet werden kann, um zu einer nachhaltigen Entwicklung und insbesondere zur Verwirklichung friedlicher und inklusiver Gesellschaften beizutragen“.
Gemäß der Verordnung soll die „Ertüchtigungsfinanzierung“ auch künftig gewissen Beschränkungen unterliegen: „Die Hilfe der Union wird nicht verwendet zur Finanzierung a) von laufenden militärischen Ausgaben, b) der Beschaffung von Waffen und Munition, c) von Ausbildung, die ausschließlich einen Beitrag zu den Kampfkapazitäten der Streitkräfte leisten soll“. Auf der anderen Seite öffnet der Vorschlag aber auch die Tür zur Finanzierung einer breiten Palette von Maßnahmen: „Die Hilfe kann insbesondere die Bereitstellung von Programmen für den Kapazitätsaufbau zur Förderung von Sicherheit und Entwicklung (einschließlich Schulungen, Betreuung und Beratung) sowie die Bereitstellung von Ausrüstung, die Verbesserung der Infrastruktur und die Erbringung anderer Dienstleistungen umfassen.“ Gerade die – wohl bewusst – schwammigen Formulierungen lassen allerlei Spielraum, wie Martina Fischer vom evangelischen Hilfswerk „Brot für die Welt“ kritisiert: „Da der Text keinerlei Aussagen dazu macht, welche Art von technischer Hilfe und Ausrüstung zu welchem Zweck geliefert werden darf, kann von der Uniform bis zur IT-Infrastruktur oder zum Aufbau von Stützpunkten eine Fülle von kriegsunterstützendem Gerät darunterfallen.“[7]
Für die Jahre 2017 bis 2020 sind insgesamt 100 Millionen Euro ausgelobt – das Gesamtbudget des „Instruments“ soll dementsprechend um genau diesen Betrag steigen. Ursprünglich wollte man das durch eine Umschichtung erreichen, wobei sich die Kommission konsequenterweise bei Entwicklungshilfegeldern bedienen wollte. Nachdem es zumindest hier ein wenig Widerstand gab, wurde etwas abgemildert: „Zunächst wurde erwogen, diesen Betrag komplett aus Reservemitteln für Armutsbekämpfung zu finanzieren. Der neueste Vorschlag sieht vor, das Geld aus vier unterschiedlichen Budgetlinien umzuwidmen: Je 25 Prozent sollen aus dem Entwicklungsinstrument (DCI), aus dem ›Multiannual Financial Framework‹ der EU, aus dem Nachbarschaftsinstrument und aus dem EU-Haushalt für die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik entnommen werden.“[8]
Das eigentliche Politikum bleibt damit aber ungenannt: „Ertüchtigung“ ist – selbst wenn man sie für sinnvoll erachtet und befürwortet – ein „sicherheitspolitisches Instrument“, was schon allein daran ersichtlich ist, dass der Auswärtige Ausschuss und nicht etwa der Entwicklungsausschuss die Federführung im Legislativprozess innehatte. Und dementsprechend hat man hier vor allem die Durchsetzung bestimmter Interessen im Blick, wie etwa aus der Stellungnahme des ISP-Berichterstatters Arnaud Danjean hervorgeht. Martina Fischer über Danjean: „Er begrüßte die Öffnung des ISP für militärische Ertüchtigung und plädierte dafür, die Verordnung um einen weiteren Punkt zu ergänzen, nämlich dass die ›Hilfeleistungen‹ für Partnerarmeen den ›strategischen und industriellen Interessen der EU Rechnung tragen‹ sollen.“[9]
„Ertüchtigung“ hat also überhaupt nichts mit ziviler Konfliktbearbeitung zu tun, die zumindest formal die Aufgabe des ISP sein sollte. Noch viel weniger ist damit gemeint, die Armut zu bekämpfen. Und das ist eine Tatsache, die rechtlich alles andere als irrelevant ist.
Legal, illegal, scheißegal
Wie gesagt: Würde man einräumen, dass die „Ertüchtigungsfinanzierung“ – wie etwa von Berichterstatter Danjean gefordert – primär „strategischen und industriellen Interessen“ dient, hätte das gravierende rechtliche Auswirkungen. Diesbezügliche Maßnahmen wären dann im Politikbereich der GASP anzusiedeln und würden dadurch automatisch dem bereits oben erwähnten Finanzierungsverbot für militärische Maßnahmen aus Artikel 41 (2) unterliegen. Da aber dessen Umgehung genau Sinn und Zweck der Übung ist, versucht es die Kommission mit einem Trick: Grundlage des „Instruments für Stabilität und Frieden“ ist die Entwicklungspolitik nach den Artikeln 209 (1) und 212 (2) des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV), und genauso soll es sich bei der ergänzten Verordnung verhalten. Hierdurch wird die „Ertüchtigung“ zu einer Maßnahme der Entwicklungshilfe umdeklariert und damit aus dem EU-Haushalt finanzierbar.
Allerdings ist es eben nicht so, dass die Kommission Maßnahmen nach Gutdünken auf jede x-beliebige Kompetenzgrundlage stellen kann, wie sie gerade Lust hat. Das hat jedenfalls der Europäische Gerichtshof (EuGH) im Jahr 2016 so beurteilt: „Ergibt die Prüfung eines Unionsrechtsakts, dass er zwei Zielsetzungen hat oder zwei Komponenten umfasst, und lässt sich eine von ihnen als die hauptsächliche oder überwiegende ausmachen, während die andere nur nebensächliche Bedeutung hat, so ist der Rechtsakt nur auf eine Rechtsgrundlage zu stützen, und zwar auf die, die die hauptsächliche oder überwiegende Zielsetzung oder Komponente erfordert.“[10]
Zwar heißt es in der Verordnung außerdem, man bewege sich im „Einklang mit den Zielen des Artikels 208 [AEUV]“, dies ist aber mehr als zweifelhaft. Denn dort heißt es: „Hauptziel der Unionspolitik in diesem Bereich ist die Bekämpfung und auf längere Sicht die Beseitigung der Armut. Bei der Durchführung politischer Maßnahmen, die sich auf die Entwicklungsländer auswirken können, trägt die Union den Zielen der Entwicklungszusammenarbeit Rechnung.“ Wohlgemerkt – der Wortlaut ist hier „Hauptziel“ und nicht etwa „Kollateralnutzen“. Selbst wenn also „Ertüchtigungsmaßnahmen“ auch der Armutsbekämpfung dienen sollten, ist doch recht eindeutig, dass dies nicht ihr „Hauptziel“ ist.
Zu diesem Ergebnis kamen interessanterweise auch die Juristen des Europäischen Rats: „In einem internen Gutachten vom Juli 2016, das dem Spiegel vorliegt, übten die Juristen scharfe Kritik an der geplanten Neufassung der ISP-Verordnung. Sie solle ›dazu dienen, die Kapazitäten der Streitkräfte schlechthin zu verstärken, nicht die Kapazitäten der Streitkräfte für die Wahrnehmung von Entwicklungsaufgaben‹. Daran änderten auch die ›sehr begrenzten Ausnahmen‹ nichts. Der Entwurf könne ›nicht auf die vorgeschlagenen Rechtsgrundlagen gestützt werden‹, lautet das Fazit der Experten. Mit anderen Worten: Er wäre illegal.“[11]
Aller Wahrscheinlichkeit nach passte diese Einschätzung so manchem in Brüssel überhaupt nicht in den Kram, weshalb wohl hinter den Kulissen auf eine rechtliche Kursbegradigung gedrängt wurde. Dazu heißt es bei Spiegel online weiter: „Der Rechtsdienst der EU-Kommission hatte sich in Stellungnahmen vom März 2015 und Mai 2016 bereits ähnlich geäußert. Die Juristen des EU-Parlaments schlossen sich der Meinung ihrer Kollegen später an: In einem Gutachten vom 31. August 2016 kamen auch sie zu dem Schluss, dass die neue Verordnung rechtswidrig wäre. Dann aber geschah Erstaunliches: Im Januar 2017 legte der Parlamentsrechtsdienst eine zweite Expertise vor, die das genaue Gegenteil behauptete. Plötzlich war die Verordnung kompatibel mit EU-Recht. Insider vermuten, dass die Juristen unter politischen Druck geraten waren.“[12]
„Keine Entwicklung ohne Sicherheit“
Trotz der vielfältigen Bedenken gegenüber dem Legislativvorschlag der Kommission wurde er am 3. Juli vom Entwicklungsausschuss und am 11. Juli 2017 vom Auswärtigen Ausschuss des EU-Parlaments mehrheitlich angenommen. Damit ist nun der Weg für eine Plenarabstimmung zwischen dem 11. Und 14. September 2017 frei. Augenblicklich spricht wenig dafür, dass eine Mehrheit der Parlamentarier gegen das Vorhaben votieren wird.
Der Vorgang ist auch deswegen problematisch, weil interessierte Kreise seit Jahren auf eine Militarisierung der Entwicklungshilfe drängen. Hierfür könnte sich die ISP-Verordnung als ein wichtiges Mittel erweisen, wie unter anderem Martina Fischer von „Brot für die Welt“ warnt: „In dieser Dynamik kommt der Umfunktionierung des EU-Instruments für Stabilität und Frieden eine ganz besondere Brisanz zu – nämlich als Präzedenzfall und Türöffner für mögliche weitere Umwidmungen“ nach dem Ende des ISP Finanzierungsrahmens ab 2020.[13]
Diese Sorge ist alles andere als abwegig. Denn konservative EU-Abgeordnete wie Elmar Brok (CDU) frohlocken bereits, mit der Verabschiedung der Gesetzesinitiative werde eine generelle Trendwende hin zu einer Neuausrichtung der Entwicklungshilfe eingeläutet: „›Die klassische Entwicklungspolitik ist gescheitert‹, meint der CDU-Außenpolitiker. ›Die Entwicklungscommunity hat das nur noch nicht begriffen.‹ Entwicklung sei nicht ohne Sicherheit denkbar, was aber lange missachtet worden sei. Die Folge sei, so Brok, ›dass die bisherige Entwicklungspolitik in Afrika keine Verbesserung der Lage gebracht hat‹“.[14]
Anmerkungen
1 Jana Puglierin: Die „Ertüchtigungsinitiative“ der Bundesregierung: Was steckt dahinter? Bundesakademie für Sicherheitspolitik, Arbeitspapier Sicherheitspolitik, 1/2016
2 Thomas Mickan: Die Politik der militärischen Ertüchtigung, RLS Studien, 4/2016, S. 5
3 „Ertüchtigung als neue Strategie europäischer Sicherheitspolitik“, Reader Sicherheitspolitik, 11/2015
4 EU-Kommission und EU-Außenbeauftragte: Kapazitätsaufbau zur Förderung von Sicherheit und Entwicklung – Befähigung unserer Partner zur Krisenprävention und -bewältigung, Brüssel, 28.4.2015
5 Dies.: Folgenabschätzung Kapazitätsaufbau zur Unterstützung von Sicherheit und Entwicklung, 5.7.2016
6 EU-Kommission: Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 230/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. März 2014 zur Schaffung eines Instruments, das zu Stabilität und Frieden beiträgt, 5.7.2016
7 Martina Fischer: Entwicklungsgelder für Ertüchtigung von Armeen, „Brot für die Welt“, 11.7.2017
8 Ebd.
9 Ebd.
10 Urteil des Gerichtshofs (Große Kammer) in der Rechtssache C 263/14, 14. Juni 2016
11 Markus Becker: Friedensgelder fürs Militär, Spiegel online, 11.7.2017
12 Ebd.
13 Martina Fischer: a. a. O.
14 Markus Becker: a. a. O.
Dieser Beitrag erschien leicht abgändert unter dem Titel „Pflugschare zu Schwertern“ zuerst in der jungen Welt vom 1.8.2017.
http://www.imi-online.de/2017/08/03/aufruestung-als-armutsbekaempfung/