Parteienbündnis MUD kritisiert vorgezogene Abstimmung, hatte aber lange „sofortige Wahlen“ über Präsidentschaft gefordert
Vertreter der Opposition in Venezuela und Unterstützer auf Internationaler Ebene haben mit Ablehnung auf die Ankündigung reagiert, die Präsidentschaftswahlen bereits Ende April dieses Jahres zu organisieren. Ursprünglich war die Abstimmung für Dezember vorgesehen. Das neue Datum wurde von der permanent tagenden verfassunggebenden Versammlung auf Antrag des ersten Vizepräsidenten der Regierungspartei PSUV, Diosdado Cabello, festgelegt. Das allen anderen staatlichen Gewalten übergeordnete Gremium übernahm damit die Befugnisse des bisher zuständigen Wahlrates, CNE.
Der ehemalige Präsident des entmachteten, oppositionell dominierten Parlaments, Henry Ramos Allup, bezeichnete die Entscheidung zur Vorverlegung der Präsidentschaftswahlen als „repressive Maßnahme in Reaktion auf Sanktionen (der USA und EU). Zuvor hatte die vom Regierungslager dominierte verfassunggebende Versammlung den Antrag Cabellos mehrheitlich angenommen und die Regierungsgegner damit sichtlich überrascht.
Hinter dem nun entbrannten Streit steht auf ein Konflikt der staatlichen Gewalten: Wahlen wurden in Venezuela bisher ausschließlich von CNE organisiert. Nun hat die am 30. Juni vergangenen Jahres gewählte verfassunggebende Versammlung diese Entscheidung übernommen. Das Gremium, das eigentlich dafür vorgesehen ist, eine neue Verfassung zu erarbeiten, tagt permanent und fungiert somit zugleich als übergeordnetes Parallelparlament. Die Ende 2016 gewählte Nationalversammlung, in der die Opposition eine Mehrheit hat, ist damit faktisch entmachtet. Dieser Umstand sorgt auch unabhängig von der aktuellen Debatte um das Wahldatum für anhaltende Kritik.
Auch die US-Regierung lehnte die Abhaltung von Präsidentschaftswahlen binnen gut drei Monaten umgehend ab. „Wir unterstützen ein echtes, umfassendes und gerechtes Wahlsystem und nicht die illegitime verfassunggebende Versammlung, die eigens auf (Venezuelas Präsident Nicolás) Maduro zugeschnitten ist“, sagte Außenamtssprecherin Heather Nauert in Washington.
Die deutsche Bundesregierung reagierte indes „mit Sorge“ auf die Ankündigung aus Venezuela. Die venezolanische Regierung und alle an der Wahlvorbereitung beteiligten Institutionen seien dazu aufgerufen, sicherzustellen, dass die Wahl mit einem ausreichenden zeitlichen Vorlauf abgehalten wird, hieß es aus Berlin: „Ein faires und transparentes Wahlverfahren ist im Interesse aller Beteiligten, um einer künftigen Regierung zu Legitimität und Glaubwürdigkeit zu verhelfen.“
PSUV-Vizepräsident Diodado Cabello reagierte indes konsterniert auf die Kritik aus den Reihen der Regierungsgegner. Man benötige wohl eine Art Gebrauchsanweisung, um die Opposition zu verstehen, merkte er ironisch an. Tatsächlich hatten Parteien des oppositionellen Bündnisses Tisch der demokratischen Einheit (MUD) in den vergangenen Jahren und Monaten immer wieder den Slogan „¡Elecciones Ya!“ vertreten – „Wahlen jetzt! Dass sie sich nun gegen eine rasche Abstimmung wenden, wird ihnen aus dem Regierungslager als mangelnde Glaubwürdigkeit vorgehalten.
Dessen ungeachtet kündigte Mexikos Außenminister an, dass sich sein Land aus Protest gegen die Wahlentscheidung aus den Gesprächen zwischen Regierung und Opposition zurückziehen werde. Dieser Zusammenkünfte waren in den vergangenen Wochen in der Dominikanischen Republik abgehalten worden. Zuletzt hatte das MUD-Bündnis die Gespräche jedoch boykottiert.
Die sogenannte Lima-Gruppe, ein Verbund rechtsgerichteter Regierungen aus Lateinamerika, zu dem auch Mexiko und die De-facto-Regierung in Brasilien gehören, forderte ebenso eine Präsidentschaftswahl mit „angemessener Vorbereitungszeit“. Der Generalsekretär der US-nahen Organisation Amerikanischer Staaten (OAS), Luis Almagro, sprach von einer „Farce“ und unterstützte die Erklärung der politisch einseitigen Lima-Gruppe ausdrücklich.
Venezolanische Medien verwiesen indes auf eine Umfrage des Meinungsforschungsinstitutes Hinterlaces, nach der 72 Prozent der Venezolaner vorgezogene Wahlen begrüßen. 26 Prozent der Befragten lehnen diese Möglichkeit ab.
Für weitere Kontroversen sorgte indes die Entscheidung des Wahlrates in Caracas, CNE, das oppositionelle Parteienbündnis MUD von den Wahlen auszuschließen. Grund dafür sei, dass die Allianz ebenso als Partei zu Wahlen antreten wolle wie die in ihr vertretenen Einzelparteien, hieß es seitens des CNE. Venezolanische Gesetze würden jedoch eine Doppelmitgliedschaft in Parteien verbieten. Internationale Medien berichteten daraufhin von einem „Ausschluss“ der Opposition von den Wahlen.
Erstveröffentlichung auf Portal amerika21.de am 26.1.2018
https://amerika21.de/2018/01/194194/venezuela-wahlen-opposition-cne-2018