Funktionär der deutschen Sektensiedlung muss keine Inhaftierung in Deutschland mehr fürchten. Hopp in Chile wegen Beihilfe zu sexuellem Missbrauch verurteilt
Der ehemalige Arzt der deutschen Sektensiedlung Colonia Dignidad in Chile, Hartmut Hopp, muss in Deutschland nicht ins Gefängnis. Das in einem Urteil der chilenischen Justiz geschilderte Verhalten Hopps sei nach deutschem Recht nicht strafbar, teilte das Düsseldorfer Oberlandesgericht am Dienstag in einer Presseerklärung mit. Die Entscheidung ist abschließend, weitere Rechtsmittel von Opfern der Colonia Dignidad vor deutschen Gerichten gibt es damit nicht. Die Begründung des Urteils ist noch nicht öffentlich.
Der deutsche Staatsbürger Hopp war 2011 in Chile wegen Beihilfe zu sexuellem Kindesmissbrauch in 16 Fällen zu fünf Jahren Haft verurteilt worden. Bevor seine Strafe rechtskräftig wurde, setzte er sich in einer bis heute nicht aufgeklärten Nacht-und-Nebel-Aktion über mehrere Länder Südamerikas nach Frankfurt am Main ab. Weil er nach bundesdeutschem Recht nicht nach Chile ausgeliefert werden kann, hatte die Staatsanwaltschaft des südamerikanischen Landes beantragt, die Strafe in Deutschland zu vollstrecken.
Opfer der „Kolonie der Würde“ werfen Hopp vor, die rechte Hand des deutschen Sektengründers Paul Schäfer gewesen sein. In der Siedlung waren während der Militärdiktatur von General Augusto Pinochet (1973-1990) auch Widerstandskämpfer und Demokratieaktivisten gefoltert und ermordet worden. Hopp hat nach Ansicht der chilenischen Staatsanwaltschaft dem pädophilen Sektenchef Paul Schäfer dabei geholfen, Kinder und Jugendliche über Jahre hinweg sexuell zu missbrauchen.
„Die Feststellungen der chilenischen Urteile sind trotz des außerordentlichen Umfangs ihrer Urteilsgründe nicht ausreichend, um nach deutschem Recht die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Strafbarkeit des Verurteilten Hopp wegen Beihilfe zur Vergewaltigung bzw. zum sexuellen Missbrauch oder wegen Strafvereitelung zu erfüllen“, heißt es in einer Erklärung von Mihael Pohar, dem Pressedezernenten des Oberlandesgerichts Düsseldorf. Das in dem chilenischen Urteil festgestellte Verhalten von Hopp sei nach deutschem Recht nicht strafbar. „Es wurden keine konkreten dienlichen Handlungen festgestellt, die durch eine Einwirkung auf die äußeren Umstände die Tatbegehung Schäfers zumindest objektiv erleichtert hätten“, heißt es in der Erklärung.
Der Umstand, dass Schäfer zur Tatbegehung die repressiven und autoritären Machtstrukturen der später in Villa Baviera (Bayerisches Dorf) umbenannten Colonia Dignidad nutzte und Hopp über Jahre hinweg deren Führung angehörte und damit dieses System stützte, reiche ebenso wenig, wie das Mitwirken Hopps bei der Gründung des Internats, um eine Strafbarkeit wegen Beihilfe zu den Taten Schäfers zu begründen. „Eine Strafbarkeit wegen Beihilfe hätte vielmehr vorausgesetzt, dass sich konkrete Handlungsweisen mit unmittelbarem Bezug zu dem organisierten Tatgeschehen feststellen lassen“, hieß es am Dienstag aus Düsseldorf. Die Feststellungen der chilenischen Gerichte belegten zudem keine Handlungen Hopps, durch die Schäfer der Zugriff auf die untergebrachten Kinder ermöglicht oder erleichtert worden wäre.
Der Politologe und Colonia-Dignidad-Experte Jan Stehle sprach gegenüber amerika21 von einem „bitteren Tag für die Opfer“ der Sektensiedlung. „Es ist auch ein düsterer Tag für die Aufarbeitung der Verbrechen der Colonia Dignidad“, so Stehle weiter. Deutschland bleibe ein sicherer Hafen für die Täter: „Seit 30 Jahren ermittelt die bundesdeutsche Justiz ergebnislos gegen Hopp und andere Täter der Colonia Dignidad“, kritisierte Stehle. Eine Justizflucht nach Deutschland lohne sich weiterhin, denn die Ermittlungen blieben ergebnislos und chilenische Urteile würden nicht vollstreckt. „Dieser Beschluss des OLG Düsseldorf bestätigt jene Täter, die sich vor der chilenischen Justiz nach Deutschland abgesetzt haben, in der Hoffnung, dass sie hier straffrei bleiben“, so Stehle.
Der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der Linksfraktion im Bundestag, Jan Korte, sagte, das Urteil sei „für jeden, der sich mit den Verbrechen der Colonia Dignidad beschäftigt hat, nur schwer zu ertragen“. Insbesondere für die Opfer in Chile und Deutschland sei die Entscheidung, Hopp straffrei zu stellen, ein Schlag ins Gesicht. „Umso wichtiger ist es, dass die Bundesregierung umgehend alles ihr Mögliche unternimmt, damit sowohl in Chile als auch in Deutschland endlich mit Nachdruck gegen die Täter ermittelt wird und sowohl anhängige als auch neue Verfahren Priorität genießen“, so Korte weiter.
Veröffentlicht am 26.9.2018 auf Portal amerika21.de
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