Merkel und Schäuble: Ziemlich mutig für eine 20-Prozent-Partei

Medienkomplex und „politische Klasse“ winden sich darum, dem Wahlvolk ihre tatsächliche Lage erklären zu müssen. Aber dafür gibt es ja Radio Utopie.

Die am 1. Oktober veröffentlichte und vom Institut INSA für die Bild-Zeitung erhobene Umfrage zur Bundestagswahl führt die Ergebnisse von CDU und CSU auch getrennt auf. Stehen beide zusammen als „Union“ noch bei satten 26 Prozent, sieht es in der getrennten Auflistung erst richtig katastrophal aus für die Staatspartei Nr.1 seit dem Faschismus:

Die „Christlich-Demokratische Union“ (C.D.U.) steht nur in dieser Umfrage noch bei 20 Prozent bundesweit. Damit liegt sie nur noch anderthalb Prozentpunkte vor der rechtsreaktionären „Alternative für Deutschland“ (A.f.D.). Deren Umfragewerte sind mit 18,5 Prozent mittlerweile dreimal so hoch wie die der Regierungspartei „Christlich-Soziale Union“ (C.S.U.), die bislang nur in Bayern antritt und dort bei kommenden Landtagswahlen zum ersten Mal in der Geschichte Westdeutschlands und der Berliner Republik gezwungen sein könnte in die Opposition zu emigrieren (was höchstwahrscheinlich nicht passieren wird, weil jetzt schon die anderen Schildträger von mittelrechts, „S.P.D.“, „Grüne“, „F.D.P.“ und „Freie Wähler“ als Koalitionäre der Willigen Schlange stehen).

Das dürfte den Hintergrund erläutern für die Versuche von Kanzlerin Dr. Angela Merkel und dem (nicht nur formal) übergeordneten zweithöchsten Staatsmann und fast ewigem Paten von Apparat und Ehrenlogen, Parlamentspräsident Dr. Wolfgang Schäuble, nun den absehbaren Kollaps nicht nur dieser „großen Koalition“, sondern des Prinzips „große Koalition“ wegzureden.

Dr. Merkel sprach auf dem Deutschlandtag der „Jungen Union“ in Kiel von einer „großen Enttäuschung und „staatspolitisch einem großen Fehler“. Und zwar seitens der „F.D.P.“, weil diese während des unvergesslichen Republikparteitages im November 2017 nach den Bundestagswahlen nicht ihre „Jamaika“-Koalitionäre werden wollten.

Nun, staatspolitisch war dies in der Tat ein Fehler. Denn es nötigte den alten Bruder Schäubles in den Ehrenlogen, den heute formal höchsten Staatsmann Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, aus der Deckung zu kommen, seine Truppenteile zu mobilisieren, die Demokratie-Simulation zu entlarven (die uns alle Staatsparteien seit Jahrzehnten vorheucheln) und nicht nur dem kläglichen Martin Schulz die erneute „große Koalition“ und damit den Selbstmord zu befehlen, sondern gleich der ganzen Fantompartei „Sozialdemokratische Partei Deutschlands“.

Nebenbei machte diese auch noch deutlich, dass deren einziges Vorhaben und einziger politischer Inhalt ist, statt sich selbst die Republik zu beseitigen und diese in den „Vereinigten Staaten“ verschwinden zu lassen – wohlgemerkt, auch noch über den Kontinent Europa.

Warum Steinmeier dies tun musste, haben wir erläutert: weil der Staat immer noch einen staatspolitisch extrem verhassten Chef hat, den es in seinem „Europa“ endlich loswerden will – das Grundgesetz.  Steinmeier musste, dazu zwang ihn die Verfassung, seiner geschäftsführenden Kanzlerin die Blamage einer für Neuwahlen zwingend notwendigen zweifachen Wahlniederlage im Bundestag ersparen und überdies eine günstige Position der „S.P.D.“ bei Neuwahlen verhindern. Denn diese hätten womöglich in eine „rot-rot-grüne“ Regierungskoalition mit dem Kanzler Schulz gemündet – eine Konstellation, die Schulz noch am 20. November nicht ausgeschlossen hatte.

Diese verfassungspolitische Situation seines Staates dürfte nun wie das berühmte Schwert des Damokles Dr. Schäuble über dem Haupt geschwebt sein, als er sich gestern in der „Bild am Sonntag“ in einen Gegenangriff retten wollte, mit dem in Staatspolitik und Medienkomplex quasi eingebauten maximalen Zynismus.

Wenn die „S.P.D.“ „nicht mehr könne“, also nach den Landtagswahlen in Bayern (14. Oktober) und Hessen (28. Oktober) aus dem Selbstmord alias „große Koallition“ aussteige, ginge davon „die Welt nicht unter“. Schäuble weiter:

„Ich glaube aber auch, dass wir mit einer Minderheitenregierung eine stabile Regierung hinbekommen würden. Die Väter und Mütter des Grundgesetzes haben aus der Erfahrung des Scheiterns der Weimarer Republik die Position des Kanzlers oder der Kanzlerin so stark gemacht, dass wir davor nicht erschrecken müssen.“ 

 

Wie der Jurist Schäuble sicher weiß, war die nach der Revolution in Chemnitz

(Stille)

… war die nach der von Matrosen, Soldaten und Arbeitern angeführte deutschen Revolution vor hundert Jahren in der späteren Weimarer Verfassungsgebenden Versammlung / Nationalversammlung beschlossene Verfassung so verheerend, dass sie schon rund fünfzehn Jahre später, nach der Wahlniederlage der faschistischen N.S.D.A.P. im November 1932, dem direkt gewählten Reichspräsidenten Paul von Hindenburg dennoch ermöglichte ohne irgendeine Wahl, weder vom Volk noch vom Reichstag, Monate später den Reichskanzler Adolf Hitler zu ernennen.

Und Schäuble ist sich ebenfalls ganz sicher über die bereits geschilderte Verfassungslage bewusst: nämlich dass es vor allem und zuerst das Parlament ist, was aus den Erfahren von Weimar durch die Väter und Mütter des Grundgesetzes stark gemacht wurde.

Erstens wählt es den Kanzler / die Kanzlerin und zweitens kann es diesen / diese auch jederzeit wieder abwählen. Drittens kann es der Bundespräsident, im Gegensatz zum Reichspräsidenten Weimars, nicht einfach auflösen wann es ihm passt und Neuwahlen anberaumen.

Und viertens will Schäuble natürlich Neuwahlen um jeden Preis verhindern. Weil das die „Union“ atomisieren würde.

Und fünftens ist eine vermeintliche „Minderheitenregierung“ von „C.D.U.“ und „C.S.U.“ genau so ein Täuschkörper wie die „Gespräche“, „Sondierungen“ und angeblichen „neuen Modelle“, wie sie die  „S.P.D.“ am 23. November letzten Jahres abwarf, nachdem sich Martin Schulz aus Steinmeiers Schloss Bellevue geschlichen hatte und die „Beratungen“ im Willy-Brandt-Haus bis in die Nacht taktisch verzögert waren, weil die Sache sowieso schon gelaufen und für politisch Erfahrene / Trainierte durchschaubar war.

Schäuble und Merkel steht das Wasser schlicht bis zum Hals. Und nun versuchen beide, wohl darüber informiert dass die Funktionäre der „S.P.D.“ auf der mittleren Ebene kurz vor einem Versuch der Arbeitsplatzsicherung stehen (also vor dem Rauswurf der leitenden Parteikader Olaf Scholz und Andrea Nahles), ihre Zweitpartei irgendwie in der „großen Koalition“ zu halten.

Der Staat muss jetzt aufpassen: das Ganze könnte am Ende noch dem Grundgesetz in die Hände spielen.

Es liegt in der Luft: bald ist wieder Republikparteitag.