Niedersachsen: Mit Hilfe der Bodycams der Polizisten in Privaträumen Ton- und Videoaufnahmen anfertigen können.
Die Wohnung eines Bürgers ist durch unsere Verfassung grundsätzlich geschützt. Wenn ein richterlicher Durchsuchungsbefehl vorliegt, müssen dafür zwingende Gründe vorliegen und bestimmte gesetzlich vorgeschriebene Regeln eingehalten werden wie das Recht auf einen hinzugezogenen Anwalt, Zeugen und die Anwesenheit des Wohnungsbesitzers, die Uhrzeit – nicht mitten in den Nachtsstunden (ausser bei Fluchtgefahr). Werden persönliche Gegenstände konfisziert, müssen diese Stück für Stück protokollarisch erfasst werden. Oft werden von diesen auch Fotos angefertigt. Diese und das unterschriebene Protokoll müssen auch dem Besitzer noch an Ort und Stelle auf dessen Verlangen ausgehändigt werden. Alles, was nicht im Zusammenhang damit steht, ist nicht gestattet.
Der Versuch, diese Vorschriften zu umgehen und Filmaufnahmen – wohlgmerkt das Anfertigen von Videos und nicht Fotos – von einer Wohnung zu erhalten, ist ein weiterer Schritt in die falsche Richtung hin zu einem Polizeistaat.
Unter dem Vorwand, bei einem Einsatz der Polizei, die wegen eines häuslichen Streites zu dem Einsatzort gerufen wird, Ton- und Videoaufnahmen mit Hilfe der Bodycams der Polizisten einzuschalten, wird die verfassungsrechtlich geschützte Privatsphäre gestört. Die Polizisten könnten in jeden Raum eindringen und alle Ecken filmen mit der Begründung, sich selber oder das „Opfer“ schützen zu müssen, falls sich dort eine „gewalttätige“ Person befindet.
Der Landesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP) von Niedersachsen, Dietmar Schilff, forderte Ende November 2018 in einem Interview mit der Nordwest-Zeitung von der Politik, die Bodycams der Polizisten auch für solche Anlässe nutzen zu dürfen.
Vorwände, in eine bestimmte Wohnung wegen eines „Streites“ gerufen zu werden, sind sehr leicht herzustellen, es genügt ein Anruf bei der zuständigen Polizeibehörde. Als Ausrede kann immer ein „blinder Alarm“ dienen, anschliessend rechtliche Schritte einzuleiten sind ziemlich aussichtslos, da langwierig. Niemand würde letztendlich zur Rechenschaft gezogen werden. Die eingesetzten Beamten könnten selber als ahnungslose Ausführende benutzt werden,für den Fall, dass von höherer Stelle Ambitionen bestehen, Privaträume auf diese Weise sehr leicht zu erforschen.
Würde diesem Ansinnen von Schilff stattgegeben, ist kein Bürger vor einem derartigen Überfall zu keiner Tageszeit mehr geschützt. Zudem kommt hinzu, dass der Bürger keinen Einfluss darauf hat, wer das Filmmaterial der Bodycams zu sehen bekommt, wo und wie lange dieses gespeichert wird.
Die Polizei beklagt sich, dass ihr Ansehen in der Öffentlichkeit zu wünschen übrig lässt. Wie sollte es sich verbessern, wenn ihre Kamera-Augen in jeden Winkel deiner Wohnung ohne richterlichen Durchsuchungsbeschluss spähen könnten – deine Bücher, deine Musiksammlung, deine Utensilien, eventuelle Besucher eingeschlossen… und Dritte deine Lebensumstände auswerten.
Noch leben wir in einem Rechtsstaat, der genau das verhindert.
Quelle: „Polizei pfeift aus dem letzten Loch“, NWZ Online, 26.11.2018