Putschversuch in Venezuela verschärft Spannungen, Opposition erklärt Gegenpräsidenten

Parlamentschef Guaidó erklärt sich zum „amtierenden Präsidenten“. Anerkennung von USA und Rechtsregierungen. Maduro bricht Beziehung zu USA ab

In Venezuela hat Präsident Nicolás Maduro am Mittwoch bei einer Ansprache am Regierungssitz den vollständigen Bruch der diplomatischen und politischen Beziehungen zur US-Regierung erklärt. Er reagierte damit auf die Unterstützung einer Gegenregierung durch Washington. Die Regierung von US-Präsident Donald Trump sei an einem Putschplan gegen die venezolanische Demokratie beteiligt, so Maduro.

Der Linkspolitiker verurteilte zugleich Strategien der USA mit dem Ziel, eine „Marionettenregierung“ in Venezuela zu installieren. Dadurch werde das südamerikanische Land den Interessen transnationaler Unternehmen überlassen. „Sie schielen auf Öl, Gas und Gold. Aber wir sagen euch: Diese Reichtümer gehören nicht euch, sie gehören dem venezolanischen Volk und so wird es für immer bleiben“, sagte er vor tausenden Anhängern.

Am 23. Januar, dem 61. Jahrestag des Sturzes der Diktatur von Marcos Pérez Jiménez, hatten Anhänger von Regierung und Opposition zu Großaufmärschen mobilisiert. Auf der Oppositionskundgebung erklärte sich Parlamentschef Juan Guaidó zum „amtierenden Präsidenten“ des südamerikanischen Landes. „Ich schwöre, die Regierungsgewalt als amtierender Präsident von Venezuela zu übernehmen, um die Usurpation zu beenden“, sagte der 35-jährige Politiker der rechtspopulistischen Partei Volkswille (Voluntad Popular). Er wolle eine Übergangsregierung einsetzen und Neuwahlen anberaumen, fügte er bei einer Demonstration gegen Präsident Nicolás Maduro an. Guaidó war Anfang des Jahres zum Präsidenten der oppositionell dominierten Nationalversammlung gewählt worden. Das Parlament hat angesichts einer parallel tagenden, regierungstreuen Verfassunggebenden Versammlung kaum mehr Einfluss.

Nach den Aufrufen sowohl der Opposition als auch des Regierungslagers zu Demonstrationen war mit Spannung die jeweilige tatsächliche Mobilisierungskraft erwartet worden. Gewalttätige Proteste von Regierungsgegnern in den Jahren 2014 und 2017 ließen zunächst auch für diese Machtprobe gewaltsame Zusammenstöße befürchten.

Der führende Oppositionspolitiker Juan Guaidó vollzog seine Selbsternennung zum Präsidenten vor zehntausenden von Anhängern in Chacao, einem der wohlhabenden Stadtteile von Caracas. Während die Opposition durchaus volle Plätze vorweisen konnte, zog auch die Regierung zu einer Rede von Präsident Nicolás Maduro vor seinem Amtssitz Miraflores nicht weniger große Menschenmassen an.

Während des Tages scheinen die Proteste überwiegend friedlich verlaufen zu sein. Aus Teilen der Hauptstadt wie auch aus anderen Bundesstaaten wurden vereinzelt Straßenblockaden und Plünderungen gemeldet. In sozialen Netzwerken sind Bilder über Ausschreitungen bei Demonstrationen und Tränengaseinsätze der Polizei dokumentiert. Im Unterschied zu den Unruhen in den vergangenen Jahren, waren die Schauplätze dabei auch die Wohnviertel der ärmeren Bevölkerung. Regierungskritische Medien berichteten indes von bis zu 13 Toten am Abend und in der Nacht, während die Hintergründe unklar blieben.

Für Schlagzeilen sorgte die offenbar gut vorbereitete Reaktion der US-Regierung. „Heute erkenne ich den Präsidenten der venezolanischen Nationalversammlung, Juan Guaidó, offiziell als Interimspräsidenten Venezuelas an“, heißt es in einem Statement von US-Präsident Donald Trump. Die Nationalversammlung als „einzige legitime Regierungsinstitution“ habe Nicolás Maduros Präsidentschaft für unrechtmäßig erklärt, so dass das Amt des Präsidenten vakant sei. Das venezolanische Volk habe sich mutig gegen Maduro und sein Regime ausgesprochen und Freiheit und Rechtsstaatlichkeit gefordert. „Ich werde weiterhin das volle Gewicht der wirtschaftlichen und diplomatischen Macht der Vereinigten Staaten nutzen, um auf die Wiederherstellung der venezolanischen Demokratie zu drängen“, so Trump. Anerkannt wurde Guadó bislang auch von den meist rechsgerichteten Regierungen in Brasilien, Argentinien, Kolumbien, Chile, Costa Rica, Guatemala, Honduras, Panama, Paraguay, Peru, Ecuador sowie Kanada und vom Generalsekretär der Organisation Amerikanischer Staaten, Luis Almagro.

Unklar blieben an dem Tag nach den Ereignissen die Folgen des Abbruchs der diplomatischen Beziehungen zu den USA. Offenbar weigern sich die US-Diplomaten auf Weisung aus Washington, der Order von Präsident Maduro Folge zu leisten, das Land binnen 72 Stunden zu verlassen. Damit gehen die USA unter Trump auf volle Konfrontation mit der venezolanischen Regierung. Unklar ist auch, wie Oppositionspolitiker Guaidó seine selbsternannte Präsidentschaft ausfüllen will.

Die Europäische Union rief indes zu vorgezogenen Wahlen in Venezuela auf und erkannte die „demokratische Legitimität“ von Juan Guaidó als Präsident der Nationalversammlung an. Allerdings vermied es Brüssel, den Oppositionspolitiker als Präsidenten des Landes anzuerkennen. Die Position der Bundesregierung blieb unklar. Zwar wurden die Ereignisse aus Berlin bislang nicht kommentiert, allerdings kursierten im Internet Fotos von einem Auftritt Guaidós Anfang des Monats gemeinsam mit dem deutschen Botschafter in Caracas, Daniel Kriener. Damals hatte Guaidó erstmals seinen Anspruch auf die Präsidentschaft des Landes erklärt.

Erstveröffentlichung am 24.1.2019 auf Portal amerika21.de