Verurteilung Trumps wegen Syrien?

Autor: Stephen Kinzer

Muss man lesen: Ob es darum ging, Kurden und „moderate“ Rebellen in Syrien zu bewaffnen oder Wege zu finden, um einen Hillary-Sieg zu sichern, Obamas tragischer Fehler war, dass er dachte, John Brennan sei „clever wie Kissinger“. Hut ab vor dem Boston Globe und Stephen Kinzer für die Darstellung, wie es in Syrien gelaufen ist. – Ray McGovern

Es ist „Empörung am Buffet“.

Vor einigen Jahren heuerten die Vereinigten Staaten kurdische Kämpfer an, die unsere Söldner in Syrien sein sollten. Diesen Monat haben wir entschieden, dass wir sie nicht mehr brauchen und sie ihrem Schicksal überlassen. Die Türkei, die die kurdische Militanz als tödliche Bedrohung betrachtet, begann schnell, sie zu bombardieren. Dies löste in Washington eine wahre Orgie der Empörung aus. Es ist ein klassisches Beispiel für „Empörung am Buffet“, in dem man auswählt und entscheidet, welche Schrecken man verurteilen will.

Zu denjenigen, die Krokodilstränen vergießen, oft begleitet von lebhaften Drohungen gegen die Türkei, gehören Politiker und Experten, die noch nie einen Pieps über amerikanische Bomben, die den Jemen verwüsteten, oder amerikanische Sanktionen, die das Leben im Iran zerstörten, verlauten haben lassen. Die Vereinigten Staaten verdienen es, verurteilt zu werden, weil sie ihr Versprechen an die Kurden gebrochen haben. Vieles davon ist jedoch eine scheinheilige Mischung aus Anti-Trump-Fanatismus und Frustration über die aufkommende Realität, dass wir den syrischen Krieg verloren haben.

Die Abkehr von den Kurden ist keine Politik, die sich aus dem Nichts heraus verwirklicht hat. Sie ist das Ergebnis von zwei langen Ketten amerikanischer Fehler, von denen eine auf den Beginn des syrischen Krieges zurückgeht und die andere noch weiter zurück. Die tiefere Geschichte unserer Nahost-Tragödie beginnt 1980, als Präsident Carter erklärte, dass jede Herausforderung amerikanischer Macht in der Golfregion „mit allen notwendigen Mitteln, einschließlich militärischer Gewalt“, zurückgewiesen würde.

Eine Generation später befahl Präsident George W. Bush rücksichtslos die Invasion des Irak, die die Region in Brand setzte und zur Gründung von ISIS führte.

Die jüngeren Ursachen für unser kurdisches Ungemach begannen 2011, als Präsident Obama Präsident Bashar Assad von Syrien aufforderte „zur Seite zu treten“. Jenseits der Arroganz, die amerikanische Präsidenten dazu bringt, zu denken, dass sie entscheiden können und sollten, wer andere Länder regieren darf, liegt die völlige Unmöglichkeit, dieses Ziel zu erreichen.

Die kopfabschneidenden Todeskulte, die gemeinsam mit unseren Partnern in Syrien gekämpft haben, darunter Jabhat al-Nusra, die lokale al-Qaida-Franchise, und Ahrar al-Sham, der darauf abzielt, „einen islamischen Staat aufzubauen“, der auf „Allahs allmächtiger Scharia“ basiert, haben den Mord an jedem schiitischen Muslim auf ihrer Agenda. Da die Bevölkerung des nahen Irans zu 90 Prozent schiitisch ist, hätte von Anfang an klar sein müssen, dass der Iran jede Unze seiner beträchtlichen Macht einsetzen würde, um Assads Überleben zu sichern. Wenn Obama Syrien realistisch betrachtet hätte, anstatt der Fantasie zu erliegen, hätte er verstanden, dass Assad und seine iranischen Unterstützer alles in ihrer Macht Stehende tun würden, um das amerikanische Projekt zu besiegen. Stattdessen stürzte er ignorant in einen Konflikt, in dem wir keine Aussicht auf einen Sieg hatten.

Dem Beispiel seines Vorgängers bei der Invasion in Afghanistan folgend, suchte Obama nach „Partnern“, die den Anti-Assad-Krieg für uns führen würden. Viele der Milizen, die wir angeheuert und bewaffnet haben, waren mit jihadistischen Terrorbanden verbunden. Das machte Sinn, denn die Assad-Regierung ist entschlossen säkular, und diese Fanatiker hassen den Säkularismus. Wir haben auch syrische Kurden angeheuert. Sie waren bereit zu kämpfen, nicht weil sie Völkermord an schiitischen Muslimen und anderen Ungläubigen begehen wollten, sondern aus einem ganz anderen Grund. Sie hatten beobachtet, wie ihre kurdischen Cousins im Nordirak einen Mini-Staat gründeten, und träumten davon, dasselbe in Nordsyrien zu tun. Wenn sie den amerikanischen Krieg gegen Assad unterstützten, so argumentierten sie, könnten die Vereinigten Staaten sie belohnen, indem sie ihnen helfen, ihr Stück Syrien in eine autonome Region oder einen quasi-unabhängigen Staat zu verwandeln.

Dies war nie eine realistische Möglichkeit. Das Land, das die syrischen Kurden für sich selbst errichten wollten, das sie „Rojava“ nannten, hatte nicht annähernd die Größe, Bevölkerung oder militärische Stärke, um im unerbittlichen Nahen Osten zu überleben. Kurdische Führer verstanden das, glaubten aber, dass sie trotzdem erfolgreich sein würden, weil ihre amerikanischen Freunde sie verteidigen würden. Das war eine bedauernswert naive Fehleinschätzung. Die Vereinigten Staaten haben den Kurden wiederholt großzügige Versprechungen gemacht und sie dann verraten – vor allem in den 1970er Jahren, als wir die irakischen Kurden ermutigten, gegen die Regierung von Saddam Hussein zu rebellieren, und sie dann im Stich ließen, als Saddam eine Übereinkunft mit unserem Verbündeten, dem Schah von Iran, traf.

Doch die Kurden scheinen nie zu lernen. Ihr kindliches Vertrauen in amerikanische Versprechungen erinnert an die Cartoonfigur Charlie Brown, dessen so genannte Freundin Lucy den Fußball jedes Mal im letzten Moment wegzieht, wenn er zu treten versucht, der aber trotzdem immer wieder glaubt, dass es dieses Mal anders sein wird.

Obwohl die Kurden diesen Verrat nicht voraussahen, tat es Assad. „Wir sagen den Gruppen, die auf die Amerikaner setzen, dass die Amerikaner euch nicht schützen werden“, warnte er in einer Rede vor neun Monaten. Die Kurden hätten zuhören sollen. Tatsächlich war die Suche nach Assads Schutz immer ihr Plan B. Jetzt, sehr spät im Spiel und nachdem sie Tausende von Opfern erlitten haben, die für ihre verführerischen, aber untreuen amerikanischen „Freunde“ kämpften, tun sie es. Sie haben sich effektiv der syrischen Armee ergeben und um ihre Hilfe bei der Verteidigung gegen die Türkei gebeten, welche glaubte, dass sie die Möglichkeit hätte, sie zu zerschlagen und sich als de facto Herrscher über „Rojava“ zu etablieren. Das Bündnis der Kurden mit den Vereinigten Staaten war von Anfang an zum Scheitern verurteilt. Eine Allianz mit Assad macht mehr Sinn. Er ist vielleicht nicht der zuverlässigste Verbündete der Welt, aber er ist vertrauenswürdiger als die untauglichen Vereinigten Staaten.

Obwohl die Entscheidung der Kurden, Assad um Verzeihung zu bitten und sich ihm beim Wiederaufbau eines weltlichen Staates anzuschließen, seit Jahren überfällig ist, ist sie willkommen und klug. Es bringt die Syrer der einzigen Lösung, die ihr Leiden beenden kann, einen Schritt näher: der Wiedervereinigung. Dieser Krieg wird erst dann enden, wenn die Regierung ihre Autorität über das gesamte syrische Territorium wiedererlangt und die feindlichen ausländischen Streitkräfte sich zurückziehen. Die syrischen Kurden haben diese Wahrheit verspätet erkannt. Wir sollten das Gleiche tun.

Orginalartikel „Condemning Trump on Syria? It’s ‘buffet outrage’“ vom 18.10.2019

Quelle: antikrieg.com