Autor: Gene Marx
Zwischen den verblassenden Hornsignalen des Veteranentages und dem Schwarzen Freitag kehren meine tagelangen Überlegungen immer nach Vietnam zurück, aber in diesem Jahr gab es eine neue Facette meiner Abstraktionen. Siehst du, meine Enkelin Kaya, wird nächste Woche 14 Jahre alt, und sie hat noch nie in einer Zeit gelebt, in der ihr Land nicht irgendwo einen unerbittlichen interventionistischen Krieg geführt hat. Nicht für einen Moment, und ich konnte das nicht einfach auf sich beruhen lassen.
Also, was hat das mit Vietnam zu tun? Nun, als ich aufwuchs und unvermeidlich im Kampf diente, hätte ich nie gedacht, dass „mein Krieg“ jemals enden würde. Niemals. Er war immer die Triebfeder meiner eigenen Existenz und der meiner Zeitgenossen. Er war auch ein Monster mit einem unstillbaren Appetit, das Freunde, Beziehungen, Pläne und Träume verschlang, und niemand konnte und wollte es töten, kein Diplomat, kein gewählter Kongress oder Präsident, niemand.
Unser südostasiatisches Missgeschick war sehr ähnlich wie sein böser Zwilling, der katastrophale Krieg in Afghanistan – eine illegale Intervention zur Unterstützung einer korrupten Regierung, angeheizt von Anmaßung, ohne erkennbaren Endeffekt. Dennoch vermieden die US-Streitkräfte es, den Krieg in Vietnam vor 50 Jahren als ungewinnbar zu bezeichnen, wie es auch heute in Afghanistan der Fall ist. Derartige militärische Kurzsichtigkeit ist ungebrochen, aber als ich 1971 zum ersten Mal nach Da Nang kam, war klar, dass die Besten und die Hellsten versagt hatten. Das amerikanische Militär hatte nach allen Maßstäben eindeutig zu seiner Schande Tausende von US-Leben verloren, bevor ich überhaupt angekommen war, ohne dass ein Ende in Sicht war.
Im Vergleich dazu, wie der Historiker und pensionierte Oberst der Armee Andrew Bacevich in einer kürzlich veröffentlichten Studie betonte: „Mit Ausnahme von Vietnam stellt der andauernde Afghanistan-Krieg den größten Misserfolg in der US-Militärgeschichte dar. Heute verstehen alle bis auf wenige Ewiggestrige, dass Vietnam ein Debakel von epischem Ausmaß war. Bei Afghanistan ist es anders: Sowohl in politischen als auch in militärischen Kreisen bleibt der Drang, der Wahrheit auszuweichen, stark.“
Es überrascht nicht, dass das Ausweichen vor der Wahrheit für die Täter immer noch von größter Bedeutung ist. Sogar einen hoffnungslos gescheiterten afghanischen Krieg zu verkaufen nährt weiterhin exponentiell den Gewinn der Kriegsmaschine, die Wahlkampfkassen von Repräsentantenhaus und Senat und die wachsenden Verteidigungsbudgets. Nach achtzehn Jahren, unzähligen Verlusten und einer Billion Dollar auf kurze Sicht – eine weitere Billion in den nächsten 40 Jahren für die Betreuung von Veteranen nach dem 9/11 – scheint es jedoch, als schuldeten die „Master“-Planer und nicht blutbefleckten Patrioten dem Rest von uns eine längst überfällige Erklärung, wenn nicht sogar eine Entschuldigung. Leider wird nichts dergleichen erwartet, während die Auswirkungen der ungezügelten Hegemonie weiterhin die zukünftigen Generationen ausplündern.
Erst kürzlich, als wäre es ein Nachhall vergangener Jahrzehnte, bemerkte der Aktivist für soziale Gerechtigkeit und Umwelt Jean-Louis Bourgeois: „Für die Amerikaner ist der Rückzug aus Afghanistan kein Grund zur Schande. Hier geht es nicht um Amerika; hier bringt uns der amerikanische Exzeptionalismus in Schwierigkeiten. Die Schande besteht darin, die Realität der Situation zu leugnen.“
Eines Tages, wenn die existentiellen Folgen des ewigen Krieges weit über die Katastrophe hinausgehen, werden die schuldigen Ältesten meiner Enkelin Kaya und ihren Zeitgenossen erklären müssen, warum wieder einmal diejenigen, die die Möglichkeit hatten – die gewählten Vorsitzenden, der Kongress, alle Männer und Frauen des Präsidenten sowie schamlos mitmachende Konzernmedien – ein halbes Jahrhundert nach Vietnam und darüber hinaus absolut nichts getan haben, um ihr Monster zu töten.
Gene Marx ist Vietnam-Veteran und ehemaliger Sekretär des nationalen Vorstands von Veterans for Peace. Derzeit ist er Kommunikationskoordinator für Bellinghams VFP Kapitel 111.
Orginalartikel „Vietnam vs. Afghanistan – Matched Mayhem, Ceaseless War“ vom 15.11.2019
Quelle: antikrieg.com