Autor: Tobias Pflüger
Jede deutsche Beteiligung im Konflikt in der Straße von Hormus ist unakzeptabel
Am Persischen Golf folgt derzeit eine Krise auf die andere. Zuletzt traf es den iranischen Tanker »Sabiti«. Auf dem Schiff sollen sich Mitte Oktober zwei Explosionen ereignet haben. Das iranische Außenministerium meinte, es sei »gefährliches Abenteurertum«, die Iranische Ölgesellschaft (NIOC) sprach von einer »terroristischen Attacke«, das Schiff sei auf der Fahrt durchs Rote Meer mit Raketen angegriffen worden. Der iranische Außenminister Mohammed Dschawad Sarif machte »eine oder mehrere« Regierungen für den angeblichen Angriff verantwortlich, ohne konkrete Beweise liefern zu können. Denn die Untersuchung läuft noch, wie er selbst bestätigte.
Der mysteriöse Zwischenfall ist nicht der einzige seiner Art. Die Lage am Persischen Golf ist angespannt. Saudi-Arabien und Iran beschuldigen sich gegenseitig, den Terrorismus zu fördern, die Regierung in Riad agitiert gegen das Atomabkommen, da dadurch unter anderem die Sanktionen gegen den Iran gelockert wurden. In der Straße von Hormus, einem der wichtigsten Schifffahrtswege der Welt, entlädt sich der Konflikt.
Wie instabil die Lage ist, zeigte sich am 13. Juni 2019, als die bislang größte Krise begann. Damals wurden die Öl-Tanker »Front Altair« und »Kokuka Courageous« im Golf von Oman attackiert. Von wem, ist bis heute nicht bekannt. Die USA und Großbritannien beschuldigten jedoch sofort – und ohne Beweise – den Iran. Die Situation drohte zu eskalieren. Der UN-Sicherheitsrat kam zu einer Dringlichkeitssitzung zusammen. Auch US-Präsident Trump und sein Außenminister Pompeo machten den Iran für den Angriff verantwortlich. Das Pentagon schickte daraufhin 1.000 weitere Soldaten in die Region.
Die Eskalation ging weiter: Ende Juni schoss der Iran eine US-Aufklärungsdrohne vom Typ »RQ-4A Global Hawk« ab. Nach US-Angaben war sie über der Straße von Hormus im Einsatz, nach iranischen Angaben dagegen in den iranischen Luftraum eingedrungen. Die USA reagierten mit Cyber-Angriffen auf militärische Systeme des Iran. Ein physischer Militärschlag war angeblich in Vorbereitung, den Donald Trump nach eigenen Angaben abblies, da dabei unverhältnismäßig viele Menschen getötet worden wären.
Fragile Lage
Doch damit war die Krise keineswegs beendet. Am 4. Juli setzte die britische Regierung vor Gibraltar den iranischen Öltanker »Adrian Darya 1« fest, mit der Begründung, das Schiff würde Öl nach Syrien liefern und damit gegen das EU-Embargo verstoßen. Darauf hielten die iranischen Revolutionsgarden den britischen Tanker »Stena Impero« im Persischen Golf fest, weil er angeblich gegen das Seerecht verstoßen hat.
Jetzt wurde auch in Deutschland diskutiert, Kriegsschiffe in den Persischen Golf zu schicken. »Die Sicherung der internationalen Seeschifffahrt geht uns als drittgrößte Exportnation unmittelbar an«, mahnte der ehemalige SPD-Außenminister Sigmar Gabriel und frischgebackene Vorsitzende der transatlantischen Lobby-Organisation »Atlantik-Brücke«. »Deutschland sollte diese Aufgabe weder an die USA delegieren noch sich einer Beobachtungsmission verweigern, sondern sie gemeinsam mit europäischen Partnern annehmen«, forderte Gabriel.
Inzwischen sind beide Schiffe wieder frei, doch der Vorfall zeigt deutlich, wie fragil die Lage ist, seit US-Präsident Donald Trump das Atomabkommen mit dem Iran aufgekündigt hat. Damit ist ein wichtiger Bestandteil der Rüstungskontrolle im Nahen Osten in akuter Gefahr. Vorschläge zur Lösung der Krise sind Mangelware. Zuletzt hat zwar der britische Premier Boris Johnson ein neues Atomabkommen ins Spiel gebracht. Aber das ist bisher eine reine Absichtserklärung, die schnell wieder vergessen war. Immerhin ein Achtungserfolg war die Pendeldiplomatie, die der französische Präsident Emmanuel Macron bei der UN-Vollversammlung in New York betrieb, als er sich abwechselnd mit Trump und dem iranischen Staatspräsidenten Hassan Rouhani traf. Doch auch das führte bislang zu nichts.
Gleich null war die Reaktion des Westens auf den Plan des iranischen Präsidenten, unter dem Namen »Koalition der Hoffnung« die Schifffahrt im Persischen Golf zu sichern. Kein Wunder, sieht der Plan doch den freien Ölexport aller Länder vor, also ein Ende des Ölembargos gegen Iran. Außerdem sollen sich dem Plan zufolge die Anrainer ohne ausländische Mächte verständigen. Das gefällt der saudischen Monarchie gar nicht, die sich auf das Bündnis mit den USA verlassen kann. Donald Trump war bei seinem Besuch in Saudi-Arabien nicht nur angetan vom Schwertertanz mit den Wüstendiktatoren, sondern auch von den Rüstungskäufen, die Mohammed bin Salman im März 2018 tätigte.
Und die Bundesregierung ist auch nicht gerade hilfreich. Offiziell spricht sie sich für den Erhalt des Atomabkommens mit dem Iran (JCPOA) aus. Gleichzeitig nutzt sie die Krise am Golf aber, eigene – deutsche und europäische – Großmachtpläne zu forcieren. Anstatt zu deeskalieren, forderten einige Koalitionspolitiker*innen mitten in der Krise um die festgehaltenen Schiffe, auch die Deutsche Marine zur Sicherung der Handelswege an den Golf zu schicken. Dabei wird ganz offen gesagt, dass es Bundeswehr-Einsätze zur Absicherung von Handelswegen geben soll. Aussagen, für die zu früheren Zeiten noch Bundespräsidenten zurücktreten mussten.
Grundsätzlich gibt es zwei Richtungen: Die einen wollen, dass sich die Deutsche Marine an einer US-geführten Mission beteiligt. Andere bevorzugen dagegen eine eigenständige europäische Mission. So war die Lage an der Straße von Hormus und die Spannungen zwischen USA und Iran ebenfalls Thema, als sich Ende August die EU-Verteidigungsminister*innen informell in Helsinki trafen. Zu einer Beteiligung an der bereits angelaufenen »Operation Sentinel« der Vereinigten Staaten im Persischen Golf kam es dabei aber nicht. Die deutsche Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer begründete anschließend im ARD-Mittagsmagazin: »Wir wollen auf der einen Seite die Freiheit der Seewege gewähren, aber wir haben auf der anderen Seite ein besonderes diplomatisches Interesse, auch mit Blick auf den Atomvertrag mit dem Iran. Wir müssen bei allem, was wir machen, darauf achten, dass wir die diplomatischen Bemühungen, die wir sehr stark vorantreiben, nicht gefährden.«
Später änderte die Bundesregierung ihren Kurs jedoch. Nach Drohnenangriffen auf saudische Ölanlagen beschuldigte Kanzlerin Angela Merkel zusammen mit Frankreich und Großbritannien den Iran, hinter der Tat zu stecken. Beweise dafür wurden bis heute nicht vorgelegt. Politisch hat sich die Bundesregierung damit auf die Seite Saudi-Arabiens und Donald Trumps geschlagen.
Gleichzeitig nutzt die Bundesregierung und insbesondere Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer die Krise, um die EU zur Militärmacht auszubauen. Kramp-Karrenbauer befürwortete in Washington nach Gesprächen mit ihrem US-Amtskollegen Mark Esper einen europäischen Militäreinsatz in der Straße von Hormus: »Ich habe sehr deutlich gemacht, dass Deutschland bereit ist, sich zu engagieren, allerdings nur in einer europäischen Mission. (…) Wir sind nicht Teil einer Strategie von »maximum pressure« (maximalem Druck).« Also »Nein« zu Trumps Iran-Politik, aber »Ja« zu einer militärischen Sicherung der Rohstoffwege via EU-Strukturen.
Mit einer europäischen Militärpräsenz im Persischen Golf würde die EU und mit ihr Deutschland zumindest ein Stück weit mehr zum Global Player und das unabhängig von den USA – als würde eine weitere Militärmacht am Persischen Golf die Probleme dort lösen. Die Friedensbewegung hat völlig Recht, wenn sie gegen jegliche Eskalation am Golf mobilisiert. Wichtig ist, sich gegen jede deutsche Beteiligung zu wenden.
Das schließt logistische Unterstützung ein. Und auch US-Stützpunkte wie Ramstein oder das EUCOM in Stuttgart: Sie dürfen nicht für den nächsten Krieg am Golf genutzt werden: Das jetzt zu sagen, ist ein wichtiges und richtiges Signal.
Veröffentlicht am 4.12.2019 auf Informationsstelle Militarisierung (IMI)