Hiroshima-Gedenktag – Rede von Tobias Pflüger in Göttingen

Autor: Tobias Pflüger

Liebe Freundinnen und Freunde,

Herzlichen Dank fürs Kommen heute hierher. Ich halte diesen Termin am 6. August für einen der wichtigen Termine der Friedensbewegung.

Wir begehen heute den 75. Jahrestag des Atombombenabwurfes auf Hiroshima. Am 6. August 1945 warf der US-amerikanische Bomber „Enola Gay“ die mit dem Spitznamen „Little Boy“ benannte erste Atombombe in einem Krieg über der japanischen Stadt Hiroshima ab. Den Befehl hatte dazu der US-amerikanische Präsident Harry S. Truman dem General Carl Spaatz gegeben. Der General hatte freie Wahl bei der Zielauswahl. Nur – so wollte es der damalige US-Kriegsminister Stimson, Kyoto war ausgenommen, wegen seiner wichtigen kulturellen Güter. Der Pilot Paul Tibbets erfuhr am 4.8.1945, was sein Auftrag war, nämlich eine Atombombe über Hiroshima abzuwerfen.

In einer Schilderung des Atombombenabwurfs heißt es: „Um 08:16 Uhr und zwei Sekunden explodierte die Atombombe in 600 Metern Höhe über der Innenstadt. Dort befand sich ein Krankenhaus, die Shima-Klinik. Eigentliches Ziel war die etwa 250 Meter entfernte T-förmige Aioi-Brücke gewesen. 43 Sekunden später hatte die Druckwelle 80 Prozent der Innenstadt dem Erdboden gleichgemacht. Es entstand ein Feuerball mit einer Innentemperatur von über einer Million Grad Celsius. Die Hitzewirkung von mindestens 6000 °C ließ noch in über zehn Kilometern Entfernung Bäume in Flammen aufgehen. Von den 76.000 Häusern der Großstadt wurden 70.000 zerstört oder beschädigt. Von den 350.000 Bewohnern der japanischen Stadt starben damals auf einen Schlag schätzungsweise mehr als 70.000 Menschen. Bis Ende Dezember 1945 erhöhte sich die Zahl der Toten auf 140.000.“

Und dann wurde drei Tage nach dem ersten Einsatz eine zweite Atombombe über Nagasaki von den US-Truppen abgeworfen. Japan setzte die vor den Abwürfen geplante Kapitulation um. Und noch heute sterben Menschen an den Spätfolgen der atomaren Strahlung.

Die Zahlen zeigen das ganze Leid nicht wirklich auf.

Wir gedenken der Opfer der Atombombenabwürfe. So etwas darf nie wieder geschehen. Atombombenabwürfe darf es nie wieder geben, alle Atomwaffen müssen vernichtet werden!

Erinnert sei in Göttingen auch an die Göttinger 18 mit ihrer „Göttinger Erklärung“ im Jahre 1957.

Konrad Adenauer meinte damals: „Die taktischen atomaren Waffen sind im Grunde genommen nichts anderes als eine Weiterentwicklung der Artillerie.“ „Und es ist ganz selbstverständlich, dass wir nicht darauf verzichten können, dass unsere Truppen auch die neuesten Typen haben und die neueste Entwicklung mitmachen.“

Die Unterzeichner darunter Otto Hahn und Carl Friedrich von Weizsäcker stellten klar:

„Taktische Atomwaffen haben die zerstörende Wirkung normaler Atombomben. Als „taktisch“ bezeichnet man sie, um auszudrücken, daß sie nicht nur gegen menschliche Siedlungen, sondern auch im Erdkampf eingesetzt werden sollen. Jede einzelne taktische Atombombe oder -granate hat eine ähnliche Wirkung wie die erste Atombombe, die Hiroshima zerstört hat.“

Doch es war ausgerechnet Japan, das vom letzten großen Atomunfall in Fukushima betroffen war. Bis heute sind Menschen von der atomaren Strahlung aus Fukushima betroffen, die Unfallstelle in Fukushima ist bis heute eine gefährliche atomare Zeitbombe. Die Trennung in militärische und angeblich „zivile“ Nutzung der Atomenergie war noch nie logisch.

Es wird tagtäglich in den Atomkraftwerken weltweit Unmengen strahlender Atommüll produziert, der teilweise bis zu 24.000 Jahre Halbwertszeit hat. Bis heute ist unklar, was mit diesem Atommüll passieren soll, ein „Endlager“, wie uns die einflussstarke Atomindustrie weiß machen will, kann und wird es nicht geben. Trotzdem wird weiter Atomstrom produziert. Den nachfolgenden Generationen wird dieser hochgiftige Atommüll verantwortungslos überlassen.

Auch in Deutschland laufen noch Atomkraftwerke wie Neckarwestheim II, sie müssen endlich abgeschaltet werden.

Die Europäische Union hat mit dem EURATOM-Vertrag bis heute einen Vertrag, der die Atomenergie fördert. In Frankreich zeigt sich, wie eng die militärische und die „zivile“ Nutzung der Atomenergie zusammenhängen. In den französischen Atomanlagen wird Plutonium und waffenfähiges Uran produziert, vor allem auch für französische Atomwaffen. Atomwaffen und Atomenergie sind zwei Seiten der derselben gefährlichen Medaille.

Deshalb fordern wir ein Ende der Nutzung der Atomenergie und die Stilllegung aller Atomkraftwerke.

Das Eintreten für eine atomwaffenfreie Welt ist heute so notwendig denn je. Daran erinnert uns nicht zuletzt das heutige Datum. Die Atomwaffenstaaten haben sich im Atomwaffensperrvertrag dazu verpflichtet, ihre Arsenale schnellstmöglich abzurüsten. Diese Verpflichtung wird bekanntlich von allen Atomwaffenstaaten ignoriert und hintergangen.

Die Generalversammlung der Vereinten Nationen legte 2015 den Atomwaffenverbotsvertrag aus. Jeder Staat, der beim Beitritt Atomwaffen besitzt, verpflichtet sich, diese so bald wie möglich zu vernichten und untersagt zudem Einsatz, Entwicklung, Tests oder die Stationierung von Atomwaffen.

Bis heute hat die Bundesregierung ihn nicht unterzeichnet. Das ist eine Schande. Wir fordern eine Unterzeichnung des Atomwaffenverbotsvertrags!

Offensichtlich gibt es eine Renaissance von Atomwaffen.

Schon im Jahr 2004 veröffentlichte die NATO eine Studie u.a. vom deutschen General Klaus Naumann. Dort heißt es u.a.: „Die atomare Eskalation bleibt weiterhin ein Element jeder modernen Strategie“ und „Ein derartiges Konzept der interaktiven Eskalation setzt Dominanz bei der Eskalation voraus, den Einsatz des ganzen Spektrums von Zuckerbrot und Peitsche, aller weichen und harten Machtinstrumente, vom diplomatischen Protest bis zu Atomwaffen.“

Die jetzige Bundesregierung ist die erste, die in ihrem Koalitionsvertrag wieder positiv Bezug nahm auf Atomwaffen im NATO-Kontext. Im Koalitionsvertrag hieß es: „Solange Kernwaffen als Instrument der Abschreckung im strategischen Konzept der NATO eine Rolle spielen, hat Deutschland ein Interesse daran, an den strategischen Diskussionen und Planungsprozessen teilzuhaben.“ Die letzten Regierungen hatten hier zumindest deklariert, dass ein Abzug der US-amerikanischen Atomwaffen aus Deutschland angestrebt wird, wenn dies auch nie geschehen ist.

Wir wollen einen Abzug der Atomwaffen aus Deutschland, Atomwaffen sind immer verbrecherische Waffen und gehören abgeschafft!

In Büchel in Rheinland-Pfalz lagern ca. 20 Atomwaffen der USA. Diese Atomwaffen sollen nun modernisiert werden. Die neue Generation von Atomwaffen soll „B61-12“ heißen.

Derzeit wird die Nachfolge für die Tornados auch die der so genannten nuklearen Teilhabe diskutiert. Deutsche Tornados sind die Trägersysteme dieser Atomwaffen in Büchel im Rahmen der so genannten „Nuklearen Teilhabe“.

Annegret Kamp-Karrenbauer (CDU) hat vorgeschlagen, als neues Trägersystem für die Atomwaffen in Büchel us-amerikanische F-18 zu kaufen, Kosten ca. 8 Milliarden Euro (herausgefunden von Greenpeace u.a., uns wird diese Antwort im Bundestag verweigert.)

Die SPD ist sich nicht einig, manche wollen an der Nuklearen Teilhabe unbedingt festhalten und noch teurere F-35 kaufen, wie der verteidigungspolitische Sprecher Fritz Felgentreu, andere wie der Fraktionsvorsitzende Rolf Mützenich wollen die nukleare Teilhabe beenden.

Wir sagen von hier aus: Jetzt ist es an der Zeit, nicht eine Nachfolge der Atomwaffenträger Tornados zu diskutieren sondern es ist Zeit auszusteigen aus der atomaren Rüstung. Deshalb Abzug der Atomwaffen aus Büchel und keine neuen Trägersysteme der Bundeswehr!

Liebe Freundinnen und Freunde, Hiroshima mahnt und wir haben eine klare Aufgabensetzung auch heute: Es gilt die Menschheit von der schlimmen Idee der Atomwaffen zu befreien. Lasst uns damit hierzulande anfangen!

Veröffentlicht am 11. August 2020 auf Informationsstelle Militarisierung (IMI)