Eurodrohne: Groschengrab mit Ansage

Autor: Jürgen Wagner

Anfang Februar knickte die SPD beim Treffen des Koalitionsausschusses ein und gab grünes Licht, die Gelder für die Entwicklung einer waffenfähigen Eurodrohne freizugeben (siehe IMI-Standpunkt 2021/12). Die entsprechende Abstimmung im Bundestag war ursprünglich für den 24. März terminiert, wurde nun allerdings auf den 14. April verschoben. Unklar ist der Grund: Womöglich hängt er aber damit zusammen, dass der SPD inzwischen wie aus heiterem Himmel aufgefallen zu sein scheint, dass das Projekt massive Kostenrisiken in sich birgt. Das jedenfalls wurde in einem Schreiben des von ihr geführten Finanzministeriums kurz vor dem ursprünglichen Abstimmungstermin über die Eurodrohne deutlich kritisiert. Die SPD-Argumentation ist allerdings mindestens insofern widersprüchlich, weil das Finanzministerium ungeachtet der mannigfaltigen Risiken dennoch die Zustimmung zum Bau der Eurodrohne befürwortet und in den von ihm ebenfalls soeben veröffentlichten Eckwerten des Bundeshaushaltes sogar eine Art Garantieerklärung für die Finanzierung derartiger Großprojekte in den Raum stellt.

Pyrrhussieg in der Kostenfrage

Es ist ja nicht so, dass man es nicht hätte wissen können: Schließlich kalkulierten die Hersteller der Eurodrohne schon länger mit einem Preis von 10 Mrd. Euro für die bestellten 21 Systeme (à 3 Drohnen). Im September letzten Jahres wurde dann allerdings gemeldet, es sei gelungen, den Preis auf 7,1 Mrd. Euro zu drücken (mit einem deutschen Anteil von rund drei Milliarden). Schon damals war aber eigentlich klar, dass es dabei wohl kaum bleiben dürfte: So neigen derlei Großprojekte samt und sonders zu Kostenüberschreitungen und schon jetzt hat sich das Projekt ganz erheblich verzögert, was es ebenfalls nicht günstiger machen dürfte. So war der Auslieferungstermin ursprünglich auf 2025 angesetzt, dann war von 2027 oder 2028 die Rede und in einer Antwort auf eine Linken-Anfrage vom 18. März 2021 gab Verteidigungsstaatssekretär Thomas Silberhorn an, dass der „der Lieferplan die Auslieferung erster Systeme im Jahr 2029 vorsieht.“

Die vermeintliche Preissenkung wurde buchstäblich teuer erkauft, wie inzwischen auch aus dem SPD-Finanzministerium kritisiert wird. So wurde diversen Medien ein Schreiben von Finanzstaatssekretärin Bettina Hagedorn zugespielt, nach dem in ihrem Hause „auch nach Austausch mit dem Verteidigungsministerium erhebliche Bedenken an der Beschaffungsmaßnahme verbleiben.“ Um die Auftragnehmer, Airbus, Dassault und Leonorado, von ihren Preisvorstellungen abzubringen, sollen zahlreiche obligatorische Absicherungen gekippt worden sein. Zu den Zugeständnissen der Regierungsverhandler hieß es etwa bei tagesschau.de: „So erließen sie den Unternehmen, die die ‚Eurodrohne‘ liefern sollen, umfangreiche Haftungsbeschränkungen und gewährten Haftungsfreistellungen. Selbst die Gewährleistungspflicht der Unternehmen soll nur zwölf statt wie sonst üblich 24 Monaten gelten. […] Besonders pikant: Die Auftragnehmer können laut Vertrag die Arbeit einstellen, sobald 110 Prozent der vereinbarten Kosten angefallen sind. Darüber hinaus gehende Kostenrisiken in der Entwicklung oder dem Bau der Drohnen, wie sie bei solchen Großprojekten nicht unüblich sind, liegen bei den auftraggebenden Staaten.“

Sehenden Auges wurden also mit dem Kampfdrohnenprojekt völlig unkalkulierbare finanzielle Risiken eingegangen – und das, wo noch nicht einmal die Grundfinanzierung in der aktuellen Bundeswehrplanung abgesichert ist.

Blankofinanzierung?

Laut dem Schreiben von Finanzstaatssekretärin Hagedorn sei ein weiterer Punkt problematisch, nämlich dass für die Eurodrohne nach 2025 jährlich ein dreistelliger Millionenbereich erforderlich sei. Es sei allerdings völlig unklar, woher diese Gelder stammen sollen, für sie sei „eine Haushaltsvorsorge nicht erkennbar.“ Trotzdem heißt es schlussendlich in dem Schreiben aus dem Finanzministerium, dass „das Projekt dem Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages zur Entscheidung vorgelegt“ wird. Als Begründung wird kurz und bündig geschrieben: „um das multinationale europäische Vorhaben nicht zu gefährden“.

Das Agieren des Finanzministeriums, die Kostenrisiken der Eurodrohne derart massiv zu kritisieren, sie aber gleichzeitig durchzuwinken, ist vorsichtig formuliert widersprüchlich. Zumal das Scholz-Ministerium am 24. März die „Eckwerte des Regierungsentwurfs des Bundeshaushalts 2022 und des Finanzplans 2021 bis 2025“ veröffentlichte.

Neben einer deutlichen Erhöhung des Militärhaushaltes für das kommende Jahr wird darin auch eine Art finanzielle Garantieerklärung für eine Reihe von Rüstungsgroßprojekten vorgeschlagen:
„Es besteht Einvernehmen innerhalb der Bundesregierung, dass bestimmte Großvorhaben zum Schließen von Fähigkeitslücken gemäß dem Fähigkeitsprofil der Bundeswehr und damit zur Wahrnehmung bereits eingegangener internationaler Verpflichtungen finanziert werden und dem Verteidigungshaushalt ermöglicht wird, die insoweit verabredeten Fähigkeitsziele zu erreichen. Dies gilt insbesondere für Vorhaben im Rahmen der deutsch-französischen und deutsch-norwegischen Rüstungskooperationen, die Schließung der Fähigkeitslücke zur luftgestützten, signalerfassenden Aufklärung (PEGASUS), die Nachfolge des Kampfflugzeugs TORNADO, den Ersatz der veralteten Flottendienstboote, die Beschaffung von Luftfahrzeugen zur U-Boot-Abwehr sowie eines Taktischen Luftverteidigungssystems. Die Umsetzung eines Teils dieser Vorhaben wird mit den Eckwerten bereits ermöglicht.“

Als eines der wesentlichen Projekte der „deutsch-französischen Rüstungskooperationen“ gab das SPD-Finanzministerium damit faktisch eine Garantieerklärung, diese ungeachtet aller Kostenrisiken bis 2025 (und faktisch aus darüber hinaus) finanzieren zu wollen. Die SPD scheint sich sicher zu sein, dann nicht mehr in der Regierung zu sitzen und so die leidige Angelegenheit vom Tisch zu haben – mit ihrer Entscheidung, die Gelder für den Bau der Eurodrohne freigeben zu wollen, trägt sie aber dennoch dafür – und für die daraus dann resultierenden vermeintlichen Sachzwänge – die volle Verantwortung.

Veröffentlichung am 26. März 2021 auf Informationsstelle Militarisierung (IMI)