Toulouse: Worüber, mit Ausnahme von Eva Schweitzer und der Berliner Zeitung (1), in den letzten Tagen niemand berichtete, ist der ökonomische Hintergrund der Massenentlassungen bei Airbus zugunsten einer kurzfristigen massiven Kapital-Aufstockung von EADS – mehrere bereits abgeschlossene Militärdeals mit Australien, den Vereinigten Arabischen Emiraten, Grossbritannien (2) und ein in der Schwebe hängender Rüstungsauftrag des Pentagons in Höhe von 100 Milliarden Dollar.Es geht um die militärische Variante des für den zivilen Luftverkehr entwickelten Airbus 330, den A330 (MRTT) („Multi-role Tanker/Transport“), laut Presseberichten das zur Zeit modernste und effektivste militärische Tankflugzeug weltweit. Kleinere Deals mit Australien (3 Flugzeuge, hier lief das Airbus-Modell unter der Kennzeichnung „KC-30B“ ), mit dem britischen Militär im Rahmen des „Future Strategic Tanker Aircraft“ (FSTA)-Projektes und mit den Vereinigten Arabischen Emiraten über drei Tankflugzeuge scheinen erst der Anfang zu sein.
Der dickste Köder hängt von drüben rüber. Es geht um den kompletten Ersatz der gesamten, vom Airbus-Konkurrenten Boeing gebauten alten Tankerflotte des Pentagon, welches sich ja nun bekanntlich in einem Weltkrieg befindet.
Umfang des Geschäftes 100 Milliarden Dollar.(1)
Eigentlich war die Entscheidung des weltweit operierenden US-„Verteidigungsministeriums“ schon 2003 durch korrupte Einkäufer im Pentagon zugunsten von Boeing gefallen. Die Affäre flog auf, eine Ausschreibung wurde angesetzt.(3)
Ein radikaler Preiskampf der beiden Superkonzerne entbrannte, die Nase vorn hat bisher Boeing, allerdings bei grösseren Kapazitäten vom A330 MRTT.
Um an den Deal im traditionell abgeschotteten US-Waffenmarkt zu kommen, tat sich EADS mit dem US-Rüstungskonzern Northrop Grumman zusammen. Diese offerieren nun die KC-30 Variante des A330 MRTT, Northrop liefert Elektronik und Systemtechnologie, ca.30-40% des Auftragsvolumens.(4)
Es könnte auf einen „split deal“ (5) (bzw „split“, 4, oder „split decision“,6) der beiden Superkonzerne Boeing und EADS hinauslaufen, d.h., das Pentagon kauft bei beiden Waffen-Multis Tankflugzeuge, mit dem erleichterten Segen der Regierungen von Jaque Chirac und Merkel/Müntefering.
Nach Meinung von Börsen-Beobachtern wird für EADS durch die Stärkung des Rüstungssegments die Umsatz- und Ertragsabhängigkeit von Airbus verringert.
Soll heissen: die zivile Sparte wird der militärischen untergeordnet.
Der Einstieg in den sonst strikt abgeschotteten US-Rüstungsmarkt wäre ein sogenannter „Meilenstein“ für den „europäischen“ Waffenkonzern, heisst es, steigende Kurse an der Börse währen die Belohnung für ein weiteres Absaufen des zivilen Sektors von Airbus.
Aufgrund des enormen Preisdrucks braucht EADS Geld. Die strategische Ausrichtung zugunsten des Rüstungssektors scheint gefallen. Die neuen Zivil-Modelle wie der A380 scheinen abgeschrieben, bevor sie ausgeliefert werden.
Dabei war gerade die Stadtregierung von Hamburg dem Rüstungsgiganten praktisch vor die Füße gefallen.
Im Juni 2002 hatte die Hamburger Bürgschaft mit den Stimmen von CDU, der Schill-Partei, FDP und SPD das sogenannte „Airbus“-Gesetz verabschiedet, mit der es den Bewohners des als Fabrik-Standort schon präventiv eingeplanten Geländes praktisch unmöglich wurde, sich ihrer Enteignung und Vertreibung überhaupt zu widersetzen – das Hamburger Airbus-Projekt für einfach für „gemeinnützig“ erklärt.
Und weil es damit einen „dem Allgemeinwohl dienenden Betriebszweck“ hatte, konnten die Rechtsansprüche der Gegner gemindert und Enteignungen von verkaufsunwilligen Landbesitzern angeordnet werden.(8)
Auf die seit Anfang des Jahres bereitstehenden EU-Hilfen in Höhe von 500 Millionen Euro können die Arbeiter bei Airbus übrigens kaum hoffen, da dies von der Welthandelsorganisation (WTO) als Subvention aufgefasst werden könnte. Gegen EADS läuft, nach einer Anzeige von Boeing, ein schwebendes Verfahren durch die WTO. Sollte in diesem Verfahren gegen EADS entschieden werden, wäre der Pentagon-Deal aller Wahrscheinlichkeit nach geplatzt.(7)
Im Klartext: die weltweiten Strukturen des Weltkapitalismus („Globalisierung“) zwingen den Konzernen ihre Bedingungen auf, die zwingen den Regierungen ihre Bedingungen auf, und die zwingen ihren Wählern diese Bedingungen auf, die sie zum Dank wiederwählen.
Ein Irrenhaus, kein Planet, möchte man meinen.
Quellen:
(1)
http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/print/wirtschaft/632618.html
(2)
http://www.epicos.com/epicos/portal/media-type/html/user/anon/page/default.psml/js_panename/News+Information+Article+View;jsessionid=407E1F5045FE3FBB4036C672D2F200FF.tomcat4?articleid=73200&showfull=false
(3)
http://en.wikipedia.org/wiki/Boeing#Unethical_conduct
(4)
http://www.yeald.de/Yeald/a/41391/talking_shares_flash__eads.html;jsessionid=B52FF3F3DCA4DD4E981014FF34D5308C
(5)
http://www.rotor.com/Default.aspx?tabid=510&newsid905=54241
(6)
http://www.defensenews.com/story.php?F=2541598&C=airwar
(7)
http://www.euractiv.com/en/trade/protests-spread-airbus-announces-10000-job-cuts/article-162140
(8)
http://stern.de/wirtschaft/unternehmen/:Sparprogramm-Hamburg-Airbus/572878.html