Das größte Rüstungsprojekt Europas
Anfang Februar 2021 wurde gemeldet, das Verteidigungsministerium habe dem Bundestag eine Liste mit 51 sogenannten 25-Millionen-Vorlagen übermittelt, die noch vor der Bundestagswahl im September verabschiedet werden sollen. Dabei handelt es sich um Rüstungsprojekte, die den besagten Betrag überschreiten und aus diesem Grund auch noch einmal gesondert vom Haushaltsausschuss bewilligt werden müssen. Auf dieser Liste findet sich auch die nächste Projektphase des „Future Combat Air Systems“ (FCAS), ein Luftkampfsystem, dessen wichtigste Komponente ein neues Kampfflugzeug darstellt, das auch von unbemannten teilweise bewaffneten Drohnen begleitet werden soll.[1]
Damit soll noch vor dem Ende der Legislaturperiode eine weitere wichtige Hürden für das „größte europäische Rüstungsprojekt überhaupt“, genommen werden. So jedenfalls bezeichnete Luftwaffen-Inspekteur Ingo Gerhartz das FCAS bei einer Tagung des „Bundesverbandes der Deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie“ (BDLI) Ende Januar 2021.[2] Das FCAS gilt als Kernprojekt bei den deutsch-französischen Bestrebungen, einen von ihnen dominierten europäischen Rüstungskomplex aufzubauen. Allein schon deshalb wird aufs Tempo gedrückt, zumal das Großprojekt keineswegs bereits in trockenen Tüchern ist. Mit einer Auslieferung wird nicht vor 2040 gerechnet und bis dahin kann noch viel schiefgehen: So knirscht es zwischen den beiden Führungsnationen Deutschland und Frankreich ganz erheblich, auch wenn es Mitte August 2021 zu einer vorläufigen Einigung gekommen ist. Außerdem sitzt dem Vorhaben mit dem „Tempest“ auch ein durchaus aussichtsreiches europäisches Konkurrenzprojekt im Nacken, das eine ernste Bedrohung für das Vorhaben darstellt.
Doch allein schon aufgrund der massiv mit dem Projekt verwobenen industriellen und militärischen Interessen gilt das FCAS als „too big to fail“, wie es die Regierungsberater der „Stiftung Wissenschaft und Politik“ formuliert haben.[3] Von französischer Seite wird dabei erwartet, dass Deutschland in mindestens vier Bereichen seine Hausaufgaben macht, um dem FCAS den Weg zu ebnen: In der Frage der Rüstungsexporte, bei der Integration bewaffneter Drohnen, insbesondere der Eurodrohne, bei der Ausblendung sämtlicher ethischer Bedenken gegenüber dem FCAS als wichtigem Schritt zur KI-Automatisierung des Krieges und schließlich bei der langfristigen Sicherung der Projektfinanzierung.
In allen vier Bereichen scheint Deutschland bereit zu sein, zu „liefern“. Besonders „interessant“ sind dabei aktuell kursierende Vorschläge für die Finanzierung des Projektes. Denn dem Vernehmen nach soll es nun richtig teuer werden, nachdem bislang „nur“ etwas über 200 Mio. Euro in das Projekt gepumpt wurden. Insgesamt ist von Entwicklungskosten im dreistelligen Milliardenbereich die Rede. Vor diesem Hintergrund wird gefordert, die Kosten für die FCAS-Entwicklung nicht aus dem Verteidigungsbudget, sondern aus dem Allgemeinen Haushalt zu entnehmen, um so die Finanzierung zu gewährleisten.
INHALTSVERZEICHNIS
Atomares KI-Luftkampfsystem
Meilenstein: Aus Millionen werden Milliarden
Schlüsselprojekt in deutsch-französischer Hand
Tempest-Konkurrenz
French Combat Air System?
Deutschland liefert I: Freie Bahn für Rüstungsexporte
Deutschland liefert II: Entwicklung von Kampfdrohnen
Deutschland liefert III: Die Sache mit der Ethik
Deutschland liefert IV: Outsourcing der Rüstungskosten?
Ausblick: Nach der Wahl
Die gesamte Studie zum herunterladen
Veröffentlicht auf Informationsstelle Militarisierung (IMI), 16.4.2021