Regierung und Parlament im bewaffneten Konflikt mit der Verfassung

FDP-Aussenminister Guido Westerwelle ermächtigte sich selbst heute zu erklären, dass die Republik sich in Afghanistan in einem „bewaffneten Konflikt“ befände. Dabei wies vor einigen Tagen selbst Verteidigungs-Staatssekretär Thomas Kossendey (CDU) darauf hin, dass nicht die Exekutive, sondern nur die Justiz zu so einem Schritt befugt ist.

Guido Westerwelle heute im Bundestag wörtlich:

„Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kolleginnen und Kollegen! Die verheerenden Anschläge des 11. September im Jahre 2001 waren nicht allein ein Angriff auf die Vereinigten Staaten von Amerika; sie waren ein Angriff auf die Grundlagen und die freiheitlichen Werte der Völkergemeinschaft. Die internationale Gemeinschaft hat mit beispielloser Geschlossenheit auf diese Herausforderung reagiert. Auch Deutschland folgte dem Aufruf des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen, der die Situation in Afghanistan als Bedrohung für den Weltfrieden einstufte. Heute beteiligen sich mehr als 40 Nationen unter dem Mandat der Vereinten Nationen am Einsatz in Afghanistan..

„Die Bundesregierung hat sehr sorgfältig die Frage geprüft, wie die Lage im Norden Afghanistans zu bewerten ist. Die Intensität der mit Waffengewalt ausgetragenen Auseinandersetzung mit Aufständischen und deren militärischer Organisation führt uns zu der Bewertung, die Einsatzsituation von ISAF auch im Norden Afghanistans als bewaffneten Konflikt im Sinne des humanitären Völkerrechts zu qualifizieren. Ob uns das politisch gefällt oder nicht, so ist die Lage. Ob wir es so nennen oder nicht, so ist die Lage. Die Lage beim Namen zu nennen, sind wir all denen schuldig, die sich vor Ort den Gefahren aussetzen.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Diese rechtliche Qualifizierung der objektiven Einsatzsituation von ISAF hat Konsequenzen für die Handlungsbefugnisse der Soldaten, für die Befehlsgebung und für die Beurteilung des Verhaltens von Soldaten in strafrechtlicher Hinsicht. Sie hat keine Auswirkungen auf das Mandat, für das wir um Zustimmung bitten. Sie hat auch keine Auswirkungen auf den Einsatz unserer Polizisten. Unsere Polizisten wurden und werden ausschließlich im Norden Afghanistans und ausschließlich zu Ausbildungszwecken eingesetzt. Für ihren Einsatz ist entscheidend, dass wir ihn angesichts der tatsächlichen Sicherheitslage verantworten können“

Der seit 2006 als parlamentarischer Staatssekretär amtierende Thomas Kossendey (CDU) Anfang Februar als Antwort auf eine Anfrage der SPD-Bundestagsfraktion:

„Ob in Nordafghanistan ein nichtinternationaler bewaffneter Konflikt anzunehmen ist, steht nicht in der Entscheidungskompetenz der Bundesregierung, sondern bestimmt sich nach der rechtsstaatssächlichen Lage vor Ort“

Wie die „Financial Times Deutschland“ (2) weiter schrieb, gilt es unter Juristen als „ausgemacht“, dass es in Teilen Afghanistans tatsächlich einen „bewaffneten Konflikt“ im Sinne des Völkerrechts gibt. Die Juristen verwiesen aber zugleich darauf, dass die rechtliche Bewertung Aufgabe der Justiz und nicht der Politik sei. Und siehe da:

„Diese Position teilt auch das Kanzleramt, das eine offizielle Neubewertung des Einsatzes ebenso wie das Auswärtige Amt daher skeptisch sieht.“

Die Tatsache, dass bisher die Wenigsten von dieser Anfrage der Soziopathen im Bundestag gehört haben dürften, liegt daran, dass die SPD nie davon erzählt hat. Die Antwort Kossendeys wurde durch die „Financial Times“ (2) veröffentlicht, der das Schreiben zugespielt wurde. Die SPD verliert kein einziges Wort zu diesem vor aller Augen stattfindenden Putsch gegen das Grundgesetz, gegen die zivile Republik und gegen die Gewaltenteilung, im Gegenteil – diese „Partei“ kollaboriert, ehrlos, aber nicht bundeswehrmachtlos.

Dass in Afghanistan ein blutiger „bewaffneter Konflikt“ im Sinne des Völkerrechts abspielt, wissen gerade die Kriegsgegner und verfassungstreuen Kräfte der Republik am Besten. Im Gegensatz zu den Heuchlern und Zynikern der Kriegslobby haben sie das seit Jahren auch laut gesagt.

Der Punkt ist: dieser“bewaffnete Konflikt“ der Berliner Republik wird nicht nur durch Regierung und Blockparteien gegen den Willen der überwältigenden Mehrheit der Deutschen geführt, sondern auch gegen ihre Verfassung.

Dieser Krieg in Afghanistan ist, 8 Jahre nach seinem Beginn, immer noch ein Angriffskrieg und wird nicht zur Verteidigung geführt. Der „Verteidigungsfall“, der für einen Krieg von den Parlamentskammern hätte ausgerufen werden müssen, ist nie ausgerufen worden. Aus gutem Grund – es gab keinen.

Was es nach dem 11.September 2001 gab, war ein erst Wochen später – am 2.Oktober – ausgerufener „Bündnisfall“ der Nato. Bis dahin brauchte man in Washington, um sich nach den Attentaten auf eigenem Boden über die Version zu einigen, die man von nun an der Weltöffentlichkeit erzählen würde.

Diese Version bestand (und besteht bis heute) aus einem behaupteten Verteidigungsfall der USA, dessen Militär, Regierung und Spionagedienste sich leider ausserstande sahen, ein blutiges Attentat in Washington und New York zu verhindern (an welchem kein einziger Afghane beteiligt war), obwohl sie darüber Vorabinformationen hatten, die sie aber leider einfach irgendwo verschlampten. Danach musste kein einziger „Chef“ an der Spitze all dieser US-Behörden zurücktreten, im Gegenteil, alle profitierten davon, wurden befördert, oder wiedergewählt, oder blieben bis heute im Amt.

Übrigens auch die Chefs von bundesdeutschen Ämtern und Behörden, wie der seit 2000 amtierende Chef des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Heinz Fromm (SPD), oder der damalige Chef des Kanzleramtes und Zuständige für die Kontrolle der Geheimdienste, Frank-Walter Steinmeier. Steinmeier ist nach seinem ganz persönlich errungenem Wahlsieg am 27.September, wie wir alle wissen, zum Vorsitzenden der SPD-Bundestagsfraktion gewählt worden, rechtzeitig zu seinem Debüt als Abgeordneter.

Deswegen kommt jetzt der Aussenminister der FDP, Guido Westerwelle, der noch vor der Wahl am 27.September 2009 nur von Abzug, aber nie von Eskalation geredet hatte, auf die Idee zu erklären, wir – Sie, ich, der Bäcker von Nebenan, die Nachbarn, Ihre Freunde, der Busfahrer Ihrer Wahl, die lieben oder auch nicht lieben Kollegen und VerwandtInnInnInnInnen, die so bescheuert sind und immer noch diese Phantomparteien „Die Grünen“  oder „die Linke“ wählen – wir also, wir wären in einem „bewaffneten Konflikt“.

Erinnern Sie sich an all die fehlgeschlagenen Versuche von CDU und SPD, für einen Einsatz des Militärs im Inneren – in Deutschland – unserer Verfassung zu ändern? Erinnern Sie sich an all das Gerede von „alles hängt mit allem zusammen“ und „die innere und äussere Sicherheit sind untrennbar miteinander verbunden“, etc, etc, etc…?

Man fragt sich derzeit, ob Regierung und Parlament nicht in Wirklichkeit einen bewaffneten Konflikt mit der Bevölkerung in Deutschland suchen.

Artikel zum Thema:
19.01.2008 Die ISAF-Verschwörung und der Afghanistan-Pakistan-Krieg
Der Möchtegern-Imperator unserer Epoche, George Bush, hat heute David McKiernan zum Oberbefehlshaber unserer sogenannten “ISAF”-Truppen in Afghanistan ernannt, welche vollständig unter NATO-Kommando stehen. Dies passiert nur 2 Tage nachdem in faschistischer Heimtücke die Parteien “Bündnis 90/Die Grünen”, “FDP”, “SPD”, “CDU”, “CSU” entgegen aller langjährigen Behauptungen der Umdefinition der ISAF-Vollmacht über unsere Soldaten in eine Kriegsvollmacht (”Kampfeinsatz”) zugestimmt haben.

Quellen:
(1)  http://www.bundestag.de/dokumente/protokolle/vorlaeufig/17022.html
(2) http://www.ftd.de/politik/deutschland/:afghanistan-ministerium-pfeift-guttenberg-zurueck/50068640.html

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