Antrag im April im Landtag für Abschaffung der vor zweieinhalb Jahren erlassenen Verordnung – Zweckverband war „Schuss in Ofen“
Wie die Mitteldeutsche Zeitung am 10.März mitteilte, soll das im Herbst 2007 beschlossene Stadt-Umland-Gesetz für Halle und Magdeburg wieder abgeschafft werden. (Bild: Halle mit Markt um 1900 / Wikipedia)
„Das Gesetz ist gescheitert.“ sagte Ralf Bergmann (SPD).
Das Gesetz habe keinerlei Nutzen gebracht, die Zusammenarbeit sei nicht gestärkt worden, stellte der Ausschuss für Landesentwicklung und Verkehr fest. Einige bestehende Verordnungen wie die Baugesetzgebung liessen sich nicht damit vereinbaren sowie die noch nicht abgeschlossene Gemeindereform.
Im April wird im Landtag ein entsprechender Antrag eingebracht werden, um das Gesetz wieder abzuschaffen. Für die Gemeinden hat das Stadt-Umland-Gesetz Rechtunsicherheit wegen der noch nicht abgeschlossenen Gemeindereform gebracht, so dass das eine oder andere Bauvorhaben wegen dieser Handlungsunfähigkeit nicht realisiert werden konnte.
Der einzige Gewinner ist die Landschaft, die so in den letzten beiden Jahren nicht so stark bebaut und versiegelt werden konnte. So ein modernes Gewerbegebiet mit seinen grossen hässlichen klotzigen Zweckbauten am Rande eines idyllischen Dorfes ist eine kulturlose, die Ästhetik verletzende, nicht wieder gut zu machende Bausünde und trägt zur Zersiedelung von Naturlandschaften bei. Ein Extrembeispiel sind die bebauten hochwassergefährdeten Flächen in der Saaleaue entlang der B88 zwischen Jena und Rudolstadt in Thüringen mit Industrie- und Gewerbebauten, die sich nahtlos auf den noch vor der Wende unbebauten Wiesen rechts und links der Fernverkehrsstrasse aneinanderreihen und die Felder und Dorfflecken mit ihrem unpassenden Anblick verschandeln.
Die meisten Unternehmen würden sich durchaus in der Stadt ansiedeln schon allein wegen der Kunden- und Verkehrsanbindung. Hier spielen Angebot der Flächen, die Preise und Nachfrage eine Rolle, die auf dem Land niedriger sind.
Das Stadt-Umland-Gesetz für Halle und Magdeburg hatte die Bildung von Zweckverbänden zur besseren Kooperation vorschrieben. Dahinter steht die Verhinderung von Konkurrenz der ländlichen Gebiete zur Stadt, die gestärkt werden sollte, bei der Ansiedelung von Gewerbegebieten. Vor zwei Jahren hiess es, dass man damit zunächst einmal drohende Zwangseingemeindungen von Umlandgemeinden in die Grosszentren verhindern würde.
Unter anderen war der Sinn, dass die Zweckverbände die leeren Steuerkassen der beiden grossen Städte auffüllen helfen sollten, die Begründung war unter anderem auch ein unsolidarischer Appell an das schlechte Gewissen der Bürger: viele Menschen, die in den Grossstädten arbeiten würden, hätten ihren Wohnsitz im Umland. Warum wohl? Weil es die Familien aufs Land zieht – wären die Städte mit Parks, Grünflächen, Spielflächen und Rückzugsmöglichkeiten in Form von ruhigen Oasen attraktiver, wäre es umgekehrt. Immerhin nehmen Familien mit Kindern damit eine sehr komplizierte logistische Transportplanung in Kauf, denn eine gute Nahverkehrsanbindung ist selten die Regel und diese Situation wird sich angesichts der leeren Kassen weiter verschärfen.
Stilllegungen von Teilstrecken von Bus und Bahn, Abschaffung von Haltepunkten sowie grössere zeitliche Taktzeiten sind vorprogrammiert, überall wird gespart und rationalisiert, zuerst bei den kleinen regionalen Routen.
Als ein weiterer Grund für das vor zwei Jahren verabschiedete Gesetz neben dem der entgangenen Gewerbesteuern für die Grossstädte wurde auch die Nutzung der Kultur- und Sportangebote der Städte von der „Landbevölkerung“ genannt – dass kann man als Vorwurf betrachten: nichts geben, aber nehmen. Heutzutage gibt es aber kaum kostenlose Angebote in der Stadt – alles muss bezahlt werden: Kino, Theater, Zoo, Konzerte, Kurse, Museen, Parkplätze. Wer es sich leisten kann, die Angebote wahrzunehmen, tut dies auch, ganz gleich wo er wohnt. In der Grossstadt gibt es jedoch genügend Menschen, die diese Angebote vor der Haustür haben und sie sich nicht leisten können.
Bei kostenlosen Kulturveranstaltungen wie speziellen thematischen Märkten, Stadtfesten oder Weihnachtsmärkten klingelt die Kasse in der Stadt durch den Verkauf der Händler, die wiederum horrende Standgebühren zahlen müssen.
An verkaufsoffenen Sonntagen oder den Samstagen kommen Scharen von Käufern in die Geschäfte der Stadt aus dem Umland zum Shopping – ist die Stadt unattraktiv, bleiben sie aus, eine Folge ihres eigenen Missmanagements und nicht das der „Abwanderung“ der Bürger, die man hier als egoistische Nutzniesser degradierte, obwohl jede Stadt um diese Kundschaft buhlt und anzuziehen versucht. Bürger, die in der Grossstadt arbeiten, werden ihr Geld hier in den Geschäften lassen, rein aus zeitlichen Gründen, bevor sie „nach Hause aufs Land“ fahren.
Wenn also ein Angebot der Stadt einmal für die Menschen kostenlos sein sollte, dann ist es als Kultur und Geselligkeit, als uneigennütziges Geschenk, als Das-Miteinander-fördern zu betrachten und nicht kleinlich aufzurechnen. Schon allein deshalb, weil es nicht der wahre Grund für die Etablierung des gescheiterten Zweckverbands war.
Derartige Zweckverbände zur Abstimmung der gemeinsamen Flächennutzungsplanung sind vollkommen überflüssig, es entsteht Zwang, Diktat und kein gesundes organisches Wachsen. Jede Gemeinde, die einen Vorteil für ihre Bürger darin sieht, mit einer grösseren Stadt Kooperationsvereinbarungen einzugehen, wird diesen Anschluss von sich aus freiwillig vollziehen – es wäre ein gesundes organisches Wachsen.
Das Schlimmste an der Politik ist die Heuchelei, mit der Wörter und Bezeichnungen umgebogen werden, um die Bevölkerung zu täuschen.
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