„Schlimmer als eine bürgerliche Regierung ist ein Verrat der Linken“

Am 9.Mai sind Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen. Dazu ist Michael Bruns, Kandidat der NRW-Linken für den Landtag, Interview-Gast bei Radio Utopie.

zur Person: Michael Bruns, geboren 1973, verheiratet, Werkzeugmechaniker, Ratsmitglied in Lippstadt, Kandidat auf der Landesliste der Linken NRW für die Wahlen zum Landtag am 9.Mai, sowie Direktkandidat im Wahlkreis 120.

Radio Utopie: Schönen guten Tag Herr Bruns. Trinken Sie auch so gerne Kaffee mit der SPD-Führung in Nordrhein-Westfalen wie Ihre Landessprecherin Katharina Schwabedissen?

Michael Bruns: Ich habe nicht nachgeprüft, ob meine Genossin einem Kaffeekränzchen teilgenommen hat. Ich habe vollstes Vertrauen in Katharinas politische Zuverlässigkeit. Kaffee trinke ich auch mit meinem Chef bei Tarifverhandlungen. Ich wüsste nicht was mit Frau Kraft zu verhandeln wäre, durch gutes Zureden wird die SPD nicht nach links rücken.

Radio Utopie: Das würden die meisten unterhalb der oberen Einkommensklassen sicherlich für eine weise Erkenntnis halten. Zu diesem Thema sagte uns just ein ehemaliges Mitglied der WASG Nordrhein-Westfalen, die Gewerkschaften des DGB seien zu einer Art „ADAC des Lohn- und Gehaltsadels“ mutiert. Sie sind Betriebsratsvorsitzender und Gesamtbetriebsratsmitglied, sowie Ortsvorstandsmitglied der IG Metall Hamm. Was sagen Sie denn dazu, dass Ihr Vorsitzender, IG Metall-Chef Berthold Huber, nicht nur Kaffee im Kanzleramt trinkt, sondern am 17.März auf Einladung der CDU-Kanzlerin Angela Merkel gleich seinen 60.Geburtstag dort feiert?

Michael Bruns: Das wäre ja schön, wenn wir einen breiten gewerkschaftlichen „Lohn- und Gehaltsadel“ hätten. Wo ich arbeite, haben wir nur einen Haustarifvertrag mit schlechten Konditionen bei Lohn und Arbeitszeit. Ich wünsche mir, dass die Gewerkschaften Schwarz-Gelb in Düsseldorf und Berlin Feuer unter dem Hintern machen. Die von Kurzarbeit gebeutelten Kollegen werden auch noch Steuernachzahlungen zu erleiden haben. Der neue Flächentarifvertrag mit tariflicher Kurzarbeit ist nicht ohne politische Komponenten (Übernahme von Sozialversicherungsbeiträgen durch den Bund) zu haben. Schwarz-Gelb ist schwach und zerstritten. Es wäre nützlich und eine gute Gelegenheit gewesen auf die Regierung Druck auszuüben vor der NRW-Wahl am 9. Mai. Die nur-gewerkschaftliche Ausrichtung und die Rücksicht auf Schwarz-Gelb sind völlig falsch. Ich würde Berthold Huber lieber auf der Anti-Krisen-Demo am 20. März in Essen sehen. Da können wir wirklich gebührend seinen Geburtstag begehen.

Radio Utopie: Wissen Sie, wir kriegen ja schon so ein bisschen was mit hier. Aber von einer „Anti-Krisen-Demo“ am 20. März in Essen haben wir noch nichts gehört. Schildern Sie unseren Lesern und Leserinnen doch einmal das Anliegen der Demonstration, das Bündnis, dessen Organisationsstruktur und wer da wieder einmal den Daumen drauf hat bezüglich der Rednerliste bei der Abschlusskundgebung.

Michael Bruns: Am 20. März kocht Essen! Ich hoffe, viele Menschen nehmen an der landesweiten Demo teil. Getragen und organisiert wird die Demo von einem Bündnis aus linken Gewerkschaftsgruppen, Antifa-Gruppen, attac-Gruppen, der Linken, der DKP, DIDF, dem Erwerbslosenforum u.v.m. Wir fordern Entlassungsverbot, die Abschaffung von Hartz IV, Rente ab 60, Eine Schule für alle, die Abschaffung der Studiengebühren, Mindestlohn, Ausbildungsplätze für alle, … Siehe: http://krisendemonrw.wordpress.com/

Radio Utopie: Sind das entsprechend auch die Wahlkampfthemen und Forderungen der NRW-Linken hinsichtlich der Landtagswahlen am 9.Mai?

Michael Bruns: Das sind alles auch Forderungen der Linken in NRW. Wir haben ja ein sehr umfangreiches 80 Seiten langes Wahlprogramm. Arbeit, Armut, Bildung, Anti-Privatisierung, die Not der Kommunen (Freibäder, Theater etc. werden
geschlossen), mehr Demokratie und Rechte für alle, Gesundheit, erneuerbare Energien, Geschlechtergerechtigkeit und Frieden sind die Hauptthemen, die wir in ein kurzes 3 seitiges Aktionsprogramm gegossen haben. Das gilt es jetzt fokussiert mit guten Argumenten, auf Plakaten und Flyern unter die Leute zu bringen. Soziale Gerechtigkeit und Frieden sind unsere Herzensangelegenheiten. Deshalb werden wir gewählt und kommen hoffentlich in den Landtag. Genauso wünsche ich mir allerdings, dass noch mehr Leute aktiv werden gegen Krise, Krieg und Kapitalismus.

Radio Utopie: Thema Frieden. Warum macht die Linke NRW nicht den Einsatz der Landespolizei in Afghanistan zum Thema?

Michael Bruns: Zu dem Thema Frieden wird es ein Plakat im Landtagswahlkampf geben, obwohl es sich auf den ersten Blick um Bundespolitik handelt. Ich finde das richtig. Die Ausbildung der afghanischen Polizei durch deutsche Polizisten ist ein Versuch, die Besatzungsherrschaft zu optimieren. Die deutschen Beamten werden dabei angehalten, aufs Engste mit der Bundeswehr zusammenzuarbeiten. Ich kann mich daran erinnern, dass z.B. unsere MdB Ulla Jelpke das thematisiert hat. Die Linke in NRW wendet sich gegen zivil-militärische Zusammenarbeit und den Einsatz in Afghanistan. Einzig humanitäre Hilfe und Reparationen für die Besatzung wären sinnvoll.

Radio Utopie: Es sind Ende 2008 deutsche Marineverbände ins Rote und Arabische Meer verlegt worden, angeblich zur Bekämpfung von „Piraten“. An der Operation Atalanta unter britischem Oberkommando nehmen auch U-Boot-Zerstörer teil.
Sehen Sie die Gefahr einer Verwicklung der Republik in „Sanktionen“ gegen den Iran, etwa durch eine Seeblockade?

Michael Bruns: Die Frage ist mir zu speziell. Welche Republik? Ich lehne die Operation Atalanta ab, genauso wie Bundespolizeieinsätze. Die ständigen Drohungen gegen den Iran u.a. bezüglich seines zivilen Atomprogrammes sehe ich ähnlich
wie seinerzeit die Propaganda gegen den Irak und seine angeblichen Massenvernichtungswaffen, die einen Krieg vorbereiten und rechtfertigen sollten. Inwiefern USA und NATO neben den bisherigen Militäreinsätzen auch noch Ressourcen haben für einen Angriff auf den Iran kann ich nicht genau einschätzen.

Radio Utopie: Dann nochmal direkt nachgefragt: stellt sich die Linke in Nordrhein-Westfalen klar und eindeutig gegen eine Verwicklung Deutschlands (Republik) in eine Iran-Krise oder gar einen Iran-Krieg?

Michael Bruns: Ja.

Radio Utopie: Bei den Landtagswahlen am 9.Mai wird die CDU-FDP-Regierung unter Ministerpräsident Jürgen Rüttgers höchstwahrscheinlich ihre Mehrheit verlieren und damit auch die CDU/CSU-FDP-Bundesregierung ihre Mehrheit im Bundesrat. Was glauben Sie, was dann passiert?

Michael Bruns: Die Landtagswahl in NRW ist eine kleine Bundestagswahl. Unser Wahlerfolg bei der Landtagswahl 2005 erschütterte das erstarrte Parteiensystem, führte zur Neuwahl des Bundestages und fegte die Regierung Schröder hinfort. Dieses Jahr wollen wir den Einzug in den Landtag und einen politischen Richtungswechsel in NRW schaffen! Wie in Hessen können wir z.B. dazu beitragen die Studiengebühren abzuschaffen. Es ist konkret zu befürchten, dass die Bundesregierung nach den Landtagswahlen die Krisenlasten ungehemmt auf die kleinen Leute abwälzt – durch Sozialabbau, Verschärfungen bei Hartz IV, Lohndumping, Einschränkungen des Kündigungsschutzes, Kopfpauschale, … Je stärker die Linke wird, desto eher werden sich die Herrschenden nicht trauen alle sozialen Sauereien umzusetzen.

Radio Utopie: Von welcher Regierung in Nordrhein-Westfalen nach dem 9.Mai gehen Sie aus? Werden Sie sich auf die von der SPD-Landesvorsitzenden Hannelore Kraft indirekt geforderte Koalition einlassen?

Michael Bruns: Frau Kraft diffamiert uns als nicht regierungsfähig und nicht regierungswillig. Die jüngsten Aussagen von Frau Kraft, sie fordere gemeinnützige Arbeit für Langzeitarbeitslose für einen sympolischen Preis, haben klar gestellt, dass
die SPD für einen Politikwechsel als unser Partner nicht in Frage kommt. Über eine Regierungsunterstützung durch Die Linke NRW wäre ein Mitgliederentscheid durchzuführen. Wir haben jedoch im Wahlprogramm schon klar gestellt, dass Die Linke NRW sich an keiner Regierung beteiligen oder diese tolerieren wird, die Privatisierungen, Personal- und Sozialabbau vornimmt und die nicht die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Menschen verbessert. Verbesserungen für die Menschen werden wir im Landtag zustimmen, keinen Verschlechterungen. Wir koalieren mit den Beschäftigten, sozial Benachteiligten, Erwerbslosen, Auszubildenden, den jungen Leuten in Warteschleifen, Schülerinnen und Schülern, Studierenden, Rentnerinnen und Rentnern, kranken und behinderten Menschen. Ihre Interessen sind unser Kompass.

Radio Utopie: Ihr Vizevorsitzender auf Bundesebene und „designierter“ Nachfolger Oskar Lafontaines als Bundesvorsitzender, Klaus Ernst, hat heute allerdings über den Berliner „Tagesspiegel“, stellvertretend für Sie, Hannelore Kraft und der SPD in Nordrhein-Westfalen eine Koalition angeboten. Er gehe davon aus, dass „ein Mitgliederentscheid nach der Landtagswahl eine entsprechende Mehrheit finden“ würde, so Ernst. Was sagen Sie denn dazu? Haben Sie nicht einen weisen, gütigen und vorausschauenden Parteimonarchen?

Michael Bruns: DIE LINKE in NRW wird gerne als realitätsfern und fundamentalistisch diffamiert. Dagegen sollten wir uns wehren. Auch Frau Kraft diffamiert uns und begibt sich damit in die Ypsilanti-Falle, wenn sie eine Zusammenarbeit mit der Linken ausschließt. Will Sie gar nicht regieren?

Oskar Lafontaine hat der SPD im Bundestag in der vergangenen Legislaturperiode immer wieder angeboten eine Regierung zu bilden, wenn Hartz IV und die Rentenkürzungen zurück genommen werden, die Bundeswehr aus Afghanistan abgezogen und der Mindestlohn eingeführt wird. In diesem Sinne verstehe ich auch die Aussagen unseres stellvertretenden Parteivorsitzenden Klaus Ernst. Die SPD wird gezwungen Farbe zu bekennen. Ist sie reif für einen Politikwechsel? Weder Klaus noch ich machen bedingungslose Unterstützungsangebote an die SPD. Uns geht es um Politik. Wie gebührenfreie Bildung von der Kita bis zur Uni und „Eine Schule für alle.“ Ich unterstütze die Kandidatur von Klaus für den Bundesvorsitz. Er wird den erfolgreichen Weg der LINKEN, wie wir ihn mit Oskar Lafontaine gegangen sind, fortsetzen. Über Beschränkungen der parlamentarischen Demokratie im Kapitalismus ist unabhängig davon sicher weiter Aufklärungsarbeit zu leisten.

Jetzt ist Wahlkampf und wir werden im Landtag gebraucht. Im Landtag brauchen wir endlich ein Sprachrohr für den Widerstand gegen eine SPD, die Studiengebühren eingeführt hat, gegen GRÜNE, die den ökologisch verheerenden Braunkohletagebau genehmigten, gegen eine FDP, die gegen den Elternwillen Gesamtschulen bekämpft und gegen eine CDU, die die Existenz von Stadtwerken, Sparkassen und öffentlichen Betrieben gefährdet. Die Linksfraktion im Landtag kann dazu beitragen ein flächendeckendes Netz von unabhängigen Hartz-IV-Beratungsstellen aufzubauen und den Kampf gegen Sozialabbau vor Ort zu unterstützen!

Radio Utopie: Noch einmal nachgehakt: auch ihre andere designierte Parteichefin auf Bundesebene Gesine Lötzsch hat heute bekundet – in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ – sie strebe „die Beteiligung ihrer Partei an einer künftigen Landesregierung in Nordrhein-Westfalen an“. Befürworten Sie also eine Koalition mit der SPD in Nordrhein-Westfalen?

Michael Bruns: Unter unseren Bedingungen, den Bedingungen einen Politikwechsels im Sinne der „kleinen Leute“. Ich sage nicht „Ja“ zur Katze im Sack. Die Rahmenbedingungen müssen auch stimmen, die Beschränkung der Politik der Linken auf das was mit der SPD und einer leeren Landeskasse möglich ist, lehne ich ab. Schlimmer als eine bürgerliche Regierung ist ein Verrat der Linken. Ich finde Regieren großartig, wenn wir dadurch erreichen, dass wieder Politik für die Mehrheit gemacht wird. Nicht nur für die Reichen.

Wenn wir 51 Prozent hätten und dies durchsetzen könnten, wäre ich sofort fürs Regieren.Wir machen nicht Politik als Selbstzweck, sondern für einen Politikwechsel! Wir gehen nicht zum Fußballspielen auf den Platz, sondern um
zu gewinnen!

Radio Utopie: Herr Bruns, vielen Dank für das Interview.

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