Ein leitender Planer im „Strategischen Kommando“ und hochdekorierter Spezialist für „psychologische Kriegführung“ des US-Militärs, hat einem Bericht der „New York Times“ zufolge für US-Operationen in Afghanistan und Pakistan ein illegales Spionage-Netzwerk mit ehemals hochrangigen Agenten, früheren Soldaten aus Sondereinheiten, Söldnern, Medienkonzernen und Informanten unter dem Deckmantel eines angeblichen „Open-Source-Projektes“ einer Webseite betrieben. Laut Zeugen wurden in mehreren Fällen die Informationen des Spionage-Netzwerkes für Killerkommandos und die Tötung von „Terrorverdächtigen“ benutzt. Das US-Militär streitet ab, von dem Netzwerk gewusst zu haben, obwohl es dessen Informationen nutzte und 22 Millionen Dollar aus dem eigenen Etat für die Operation „Afpax“ abzweigte.
Wie die „New York Times“ (1) heute mit Bezug auf mehrere hochrangige Quellen in US-Militär und Regierung berichtet, hat ein Angestellter des Strategischen Kommandos des Pentagon (Stratcom) namens Michael D. Furlong ein weltweites illegales Spionage-Netzwerk mit „ehemaligen“ Cia-Agenten US-Elitesoldaten, sowie Söldnern, Informanten, Journalisten und Medienkonzernen betrieben. Dieses versorgte die staatlichen US-Militärs und Spionagedienste in Afghanistan und Pakistan mit Informationen für Killerkommandos und Angriffe. Offiziell heisst es, die Quellen der NYT in der Regierung seien sich „nicht sicher“, wer das Netzwerk betrieben hat, wann es aufgebaut wurde, wann es operative in Betrieb ging, ob es Rückdeckung von oben gab, von wo das Geld für das äusserst umfangreiche Netzwerk herkam und ob Attentate („rogue operation“) durchgeführt wurden.
Das Furlong-Netzwerk erhielt Mitte 2008 aus dem US-Militäretat 22 Millionen Dollar – angeblich um kommerzielle („private“) Firmen dazu zu nutzen, um über eine Webseite Informationen über politische und kulturelle Verhältnisse in Afghanistan zu sammeln. US-Militärs verlautbarten aber gegenüber der „New York Times“, Furlong habe gegenüber hochrangigen Offizieren immer wieder mit seinem Spionage-Netzwerk in Afghanistan und Pakistan „geprahlt“ und mit diesem in mindestens einem Fall zum Tod eines „mutmasslichen Militanten“ („suspected militant“) beigetragen. Mehrere Quellen bestätigten gegenüber der Zeitung, dass das Netzwerk des Stratcom-Angestellten Furlong direkt in Angriffe von US-Kräften mit tödlichem Ausgang verwickelt war.
Stratcom verweigerte gegenüber der Zeitung ein Interview mit Furlong.
MICHAEL D. FURLONG
Michael D. Furlong ist nicht irgendwer. Im Bericht der „New York Times“ steht sehr wenig über den Hintergrund seiner Militärkarriere. Es wird lediglich erwähnt, der heutige „zivile Angestellte“ des Militärs sei ein ehemaliger Offizier der Air Force.
Furlong ist hochdekorierter Spezialist für „strategische Kommunikation“ und psychologische Kriegführung („psychological operations“). U.a. war er Projektmanager für den Aufbau von drei durch die US-Regierung bezahlten Fernseh- und Radiostationen in Bosnien, Kosovo und Irak und war weltweit in Kriegsgebieten im Einsatz. Furlong arbeitete u.a. für den Vereinigten Generalstab des US-Militärs („Joint Chiefs of Staff“), den Generalstab der US-Army, das Europa-Kommando (Eucom), in der Abteilung für Weltraum-Politik der US-Luftwaffe sowie dem Kommando für Sonderoperationen (Socom). Teil des Socom ist übrigens das „Joint Special Operations Command“ (Jsoc), aber dazu später.
Mitte 2008 war Furlong der strategische Planer und Berater für technologische Integration des „Joint Information Operations Warfare Command„, welches Teil des Strategischen Kommandos Stratcom ist. Es ist anzunehmen, dass er bis heute diesen Posten innehat, da Stratcom in der New York Times als sein Vorgesetzter aufgeführt wird. Zu Stratcom gehört auch das ab Juni 2009 eingerichtete „Cyber Command“ mit dem „Verantwortungsbereich“ Internet.
DAS NETZWERK
Laut dem NYT-Bericht waren Teil von Furlongs Netzwerk:
– „International Media Ventures“, Medienkonzern für „strategische Kommunikation“, betrieben von ex-Soldaten aus US-Sondereinheiten wie der Delta Force. Die Firma hat Filialen, u.a. in St.Petersburg (Florida) sowie San Antonio und bezeichnet sich selbst als „Werbeagentur“ und einem „Industrie-Führer im Schaffen von potenten Inhalts-Botschaften und interaktiver Kommunikation“. An die Firma floss ein Teil der Mitte 2008 vom US-Militär an das Furlong-Netzwerk ausgeschütteten 22 Millionen Dollar für Informationsbeschaffung in Afghanistan.
Leitendes Mitglied im internationalen Direktor-Stab des Konzerns: Gen. Dell L. Dailey, ehemaliger Chef des oben erwähnten Jsoc.
General Daily antwortete der Zeitung in einer email, er habe den Posten bei „International Media Ventures“ mittlerweile niedergelegt. Er sagte nicht, wann das der Fall gewesen ist und verweigerte Auskünfte über die Art der Zusammenarbeit von „International Media Ventures“ mit dem US-Militär.
Das Jsoc wurde bereits 2008 in mehreren Artikeln von Seymour Hersh als Teil einer geheimen Attentats-Armee der damaligen Bush-Cheney-Regierung in Washington benannt. (Die Hersh-Bombe, 3.Juli 2008)
Mitte 2009, als die Obama-Regierung im Amt war, flug ein bis zu diesem Zeitpunkt in Kraft befindliches geheimes Attentats-Programm innerhalb der CIA auf, welches vom neuen CIA-Chef Leon Panetta nach dessen eigenen Angaben bei der Entdeckung sofort stillgelegt wurde. Später stellte sich heraus: das Attentats-Progamm stand unter direkter Kontrolle von Dick Cheney. Auch waren Söldner des Kriegskonzerns Blackwater involviert. (CIA und Blackwater: Puzzleteile Dick Cheneys geheimer Attentats-Armee, 24.August 2009)
Ende 2009 sagte dann der Blackwater-Gründer Eric Prince gegenüber der Zeitung „Vanity Fair“ (3) aus, seine Firma sei in ein geplantes Attentat auf Mamoun Darkazanli in Deutschland involviert gewesen, welches an der lokalen Residenz der CIA vorbei geplant worden sei. Die deutsche Presse schwieg durch die Bank weg über Monate zu dem Bericht. Erst als Darkazanli selbst eine offenbar von deutschen Dienste in seinem Auto installierte Wanze entdeckte und sich an die Presse wandte, wurde über die Affäre berichtet. Konsequenzen gab es keine, die Affäre wurde durch Parlament, Regierung und Justiz bis zum heutigen Tag konsequent ausgesessen.
– „American International Security Corporation“, betrieben von Mike Taylor, ex-„Green Breret“. Dieser sagte in einem Telefon-Interview aus, er habe ex-Cia-Mann Duane Clarridge unter Vertrag gehabt, der bereits in den 80er-Jahren in die Iran-Contra-Affäre verstrickt war. Clarridge leugnete dies in einer Anfrage der Zeitung. Taylor gab an, seine Firma habe „auf beiden Seiten der Grenze“ (!) von Pakistan und Afghanistan operiert und sei „nicht spezifisch“ dafür angestellt gewesen, um Informationen zur Tötung von Aufständischen zu besorgen.
– ex-CIA-Mann Duane Clarridge spielte offenbar eine grössere Rolle. Laut Quellen prahlte Furlong gegenüber seinen Vorgesetzten bei Stratcom mit seinem Spitzenmann Clarridge. Dieser helfe bei der Operation zur Entlassung des US-Soldaten Bowe Bergdahl aus der Geiselhaft von „Taliban“.
Bergdahl war im Juni 2009 in Afghanistan verschwunden und tauchte dann in recht mittelmässigen psychologischen Operationen der „Taliban“ als Geiseldarsteller in Videos auf. Immer wieder wurde in den Videos die jahrelang verschwundene Wissenschaftlierin Aafia Siddiqui erwähnt und in Zusammenhang gebracht. Siddiqui, eine in den USA ausgebildete Wissenschaftlerin, war mit ihren Kindern im März 2003 in Pakistan verschleppt worden und tauchte erst am 18.Juli 2008 mit einer Schusswunde im US-Stützpunkt Bagram wieder auf. Bagram enthält ein berüchtigtes Geheimgefängnis für „Verdächtige“. Angeblich war die Frau am 17.Juni auf der Strasse durch afghanische Polizei verhaftet worden, hatte einen Tag später US-Soldaten überwältigt, ihnen die Waffe entrissen und auf sie geschossen ohne sie zu treffen. Daraufhin sei sie selbst durch US-Kugeln schwer verletzt worden, etc.
Mittlerweile ist Aafia Siddiqui in New York zu 60 Jahren Haft verurteilt worden – aber nicht wegen irgendwelcher terroristischer Aktivitäten, wegen denen sie jahrelang offensichtlich in Geheimgefängnissen verschwand, sondern wegen „versuchten Mordes“ an den Soldaten die sie fast erschossen; und dies obwohl ein FBI-Beamter ausgesagt hatte, dass die auf der Tatwaffe gefundenen Fingerabdrücke nicht von ihr stammten. Der Fall Siddiqui hat weltweit grosse Empröung ausgelöst, besonders in Pakistan. Millionen verlangen die Freilassung der Wissenschaftlerin und Heimkehr nach Pakistan.
– Ex-„Green Beret“ Taylor und ex-CIA-Mann Clarridge waren zeitweise auch Angestellte der „New York Times“. Sie sollten bei der Befreiung von David Rohde aus der „Geiselhaft der Taliban“ helfen. Rohde war zwischen Dezember 2008 bis Mitte Juni 2009 angeblich in Afghanistan entführt und dann unbemerkt nach Pakistan gebracht worden. Anschliessend entkam er aus eigener Kraft, wie es heisst.
Einige US-Beamte merkten nun gegenüber der „New York Times“ an, das ganze Netzwerk des Pentagon-Beamten habe beim regulären US-Auslandsgeheimdienst CIA „Wut“ ausgelöst. Letzten Herbst habe der CIA-Chef von Kabul ein Memorandum an den leitenden Beamten der US-Militärspionage im Pentagon geschickt. Näheres wurde nicht gesagt, aber das Memo soll dazu beigetragen haben eine Untersuchung im Pentagon auszulösen, deren Erkenntnisse nun an die Presse durchsickerten.
Das US-Militär in Afghanistan bezahlt nach eigenen Angaben derzeit neun Medienkonzerne für „Informationsverarbeitung und -analyse“, sowie „Schutz-Tätigkeiten“. Was die Angestellten von internationalen Medienkonzernen in Afghanistan möglicherweise darüber hinaus täten, läge nicht in der eigenen Verwantwortung, so das US-Militär über einen Sprecher.
IDEE UND BEWILLIGUNG VON „AFPAX“
Die Idee zum dem Spionage-Netzwerk stammte dem Bericht der NYT zufolge vom ehemaligen Chef des US-Nachrichtensenders CNN, Eason Jordan, sowie dem Autor Robert Young Pelton, Verfasser solcher modernen Werke wie „Lizenz zum Töten: gekaufte Knarren im War on Terror“, oder „Die gefährlichsten Plätze der Welt“. Beide wurden in 2008 vorstellig bei US-General David D. McKiernan.
McKiernan hatte 2003 die Bodentruppen der Kriegskoalition während der Invasion des Irak kommandiert. Anschliessend war er dort bis Mai 2008 hochrangiger General der Besatzungsmächte. McKiernans Irak-Kommandeur war ab dem 10.Februar 2007 General David Petraeus. Am 23.April 2008 gab die US-Regierung dann bekannt, dass US-Präsident George Bush Petraeus zum Chef des US-Zentralkommandos (Centcom) ernennen werde. Das Centcom ist den US-Truppen in Irak und Afghanistan übergeordnet.
Am 3.Juni 2008 wurde McKiernan aus dem Irak zum Afghanistan-Kommandeur der Isaf befördert. Sein alter Vorgesetzter war nun auch sein neuer Vorgesetzter: David Petraeus. Dieser trat sein Amt als Centcom-Chef (und damit als direkter Vorgesetzter der Truppen im Irak und Afghanistan) am 31.Oktober 2008 an.
Nun sassen also im Jahre 2008 der ehemalige Chef des US-Nachrichtensenders CNN, Eason Jordan, sowie Autor Robert Young Pelton bei General McKiernan, kurz vor dessen Beförderung zum Afghanistan-Kommandeur. Jordan und Pelton trugen McKiernan, dessen Ernennung sich bereits herumgesprochen hatte, eine Idee vor, die sie bereits im Irak umgesetzt hatten: eine Webseite zu betreiben und mit dieser Deckung ein umfassendes Informations- und Spionagesystem aufzubauen. Auf „Iraq Slogger“ hatten sie gegen Bezahlung Iraker aus ihrer Region berichten lassen und auf diese Art und Weise wetvolle Informationen gesammelt.
Jordan und Pelton stellten nun ihr neues Konzept für Afghanistan und Pakistan vor: abermals eine Webseite, genannt „Afpax“, auf der Bewohner des jeweiligen Landes dann vermeintlich nur Artikel aus ihrer Region veröffentlichen könnten, um so dem US-Militär Eindrücke und Informationen aus erster Hand zu liefern. Wie Jordan nun gegenüber der New York Times betonte, habe es sich lediglich um völlig legales Sammeln von Nachrichten aus öffentlichen Quellen gehandelt. Das Ganze sei ein „open source-Projekt“ gewesen, so Jordan. Faktisch ging es jedoch um eine „Berichterstattungs- und Recherche-Netzwerk“ („reporting and research network“). Die Operation sollte vollständig vom US-Militär bezahlt werden.
Laut Auskünften von ex-CNN-Chef Jordan war bei dieser Besprechung mit dem angehenden Afghanistan-Kommandeur McKiernan auch eine weitere Person anwesend: Pentagon-Beamter Michael D. Furlong.
General McKiernan sei von der Idee angetan gewesen; Furlong habe eine Finanzierung versprochen. Noch am gleichen Tage, so berichten übereinstimmend der ehemalige Chef des US-Nachrichtensenders CNN Eason Jordan und Autor Robert Young Pelton, habe man ihr Programm bewilligt. Pelton wörtlich:
„An diesem Tag haben Sie uns gesagt, an die Arbeit zu gehen“
Doch hätten beide für den Betrieb dieser Webseite, samt ihres „Berichterstattungs- und Recherche-Netzwerks“, leider nie wirklich Geld gesehen. Ständig seien beide von ihrem Arbeitgeber, dem Stratcom-Beamten Michael D.Furlong hingehalten worden. Ex-CNN-Chef Jordan:
„Er erzählte uns, dass weniger und weniger Geld da wäre für das was wir taten und immer weniger Dankbarkeit für das was wir taten“
Doch wenn das Geld nicht an das „Berichterstattungs- und Recherche-Netzwerk“ von „Afpax“ ging – wohin ging es dann?
GELD? WAS FÜR GELD?
Nun zur begnadeten Erklärung des US-Militärs zur Finanzierung dieses illegalen kommerziellen Spionage-Netzwerkes und für den Verbleib der 22 Millionen Dollar.
Zuerst: Rear Admiral Gregory J. Smith ist verantwortlicher Kommunikations-Direktor im Direktorat „Strategische Kommunikation“ der „International Security Assistance Force“ (Isaf) und aller anderen US-geführten Kräfte in Afghanistan. Vorher war er der Chef für „Öffentliche Angelegenheiten“ des US-Militärs im Irak, Sonderassistent für „öffentliche Angelegenheiten“ des Vize-Chefs des Vereinigten Generalstabs und bis vor kurzem noch Kommunikations-Direktor im US-Zentralkommando – unter General David Petraeus. (4)
Dieser „Admiral Smith“ (dessen Vorname und weiteren beruflichen Hintergründe die „New York Times“ galant vergaß) erklärte nun der Zeitung, er sei ein Jahr nach Bewillung von „Afpax“ Mitte 2009 nach Afghanistan gereist. Dort habe er festgestellt, dass er das „Afpax“-Programm nicht benötige und Furlong mitgeteilt, dass weitere Gelder dafür gestrichen würden.
Was danach geschehen sei, so die „New York Times“, sei „unklar“.
Laut der Isaf-Kommunikations-Direktor Admiral Gregory J. Smith habe Furlong ihm mitgeteilt, er werde das übrig gebliebene Geld eben „irgendwo anders“ verwenden. Das seien immerhin noch 15 Millionen Dollar gewesen, so Admiral Smith, aber:
„Ich habe keine Ahnung, wo der Rest des Geldes hingeht“
Wie US-Beamte äusserst kryptisch mitteilten, „scheinen“ die Operationen des Furlong-Netzwerkes mittlerweile gestoppt worden zu sein.
(…)
zur Sache, Intelligenz:
13.01.2010 Flug 253 Chronologie: Akt IV – Attentate, CIA und Privatsphäre
30.Dezember: In der “Forward Operating”-Basis Chapman der CIA in der ostafghanischen Grenzprovinz Khost ereignet sich eine schwere Detonation. Camp Chapman liegt “in der Nachbarschaft” vom wesentlich grösseren Camp Salerno, ebenfalls eine Frontbasis für Operationen an der Grenze zu Pakistan. Camp Salerno wird von Sondereinheiten des US-Militärs genutzt. Nach ersten Meldungen werden bei der Detonation 8 “Zivilisten” getötet. Sofort wird vom Attentat eines Selbstmörders gesprochen, sowie von toten Agenten der CIA. Angaben zufolge soll die Detonation “in einem Fitnessraum” oder einem “Speisesaal” des Stützpunktes erfolgt sein.
Quellen:
(1) http://www.nytimes.com/2010/03/15/world/asia/15contractors.html
(2) http://www.af.mil/information/bios/bio.asp?bioID=11344
(3) http://www.vanityfair.com/politics/features/2010/01/blackwater-201001
(4) http://www.navy.mil/navydata/bios/bio.asp?bioID=348