Samara, Russland: Bei einer gemeinsamen Pressekonferenz haben die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel, EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso und der Präsident von Russland, Wladimir Putin, die derzeitigen wirtschaftlichen Beziehungen zuerst einhellig gelobt.
Die politischen Probleme waren offenbar von allen Seiten ausgeklammert worden.
Angela Merkel erklärte, das Thema Iran und den Mittleren Osten „beim Mittagessen“ anzusprechen.
Zum Schluss ihrer Rede sprach sie dann allerdings davon, dass sie hoffe, dass sich die Demonstranten in Samara – die angekündigt hatten, hier gegen Putin zu demonstrieren – durchsetzen würden.
Bei der anschliessenden Befragung durch die anwesenden Journalisten kam es dann zum Eklat.
Die erste Frage eines russischen Journalisten ging an Frau Merkel. Wie es denn zu der Brutalität des Einsatzes der deutschen Polizei in Hamburg gegen die Gegner des G8-Gipfels gekommen sei.
Diese antwortete ausweichend. Auch der angesprochene Barroso antwortete nicht direkt zu der erwähnten Tatsache, dass in den baltischen Staaten neuerdings Denkmäler für SS-Soldaten errichtet werden, während die Denkmäler zu Ehren des Sieges über die faschistischen Armeen 1945 abgebaut werden (wie in Tallin, ein russisch-stämmiger Demonstrant war dort von der Polizei erschossen worden.)
Die deutsche Promi-Riege der deutschen Journaille, allen voran ARD-Korrespondent Thomas Roth, provozierte dann den russischen Präsidenten in unerträglicher Weise.
Der Entzug des Passes für den vom Westen unterstützten Dissidenten Kasparow, damit dieser nicht an der (genehmigten) Demonstration in Samara teilnehmen konnte (1), gab den Anlass für die Journalisten-Prominenz die für Hunderte von Millionen Menschen höchst wichtige und sensible Zusammenarbeit zwischen Russland und Europa und zwischen Deutschland und Russland im ganz Besonderen zu torpedieren.
Hier ein Mitschrift der Pressekonferenz.
DIE KONFERENZ
THOMAS ROTH (ARD):
Aähm, ein Frage an die, äh, Ratspräsidentin, Frau Merkel, haben Sie denn den Eindruck, dass Russland sich wirklich der EU weiter annähern WILL? Es gibt ja ´ne Menge Probleme, sie haben einige davon sicher besprochen, offenbar keines davon lösen können, erkennen Sie also diesen Willen, wirklich, einer weiteren Annäherung Russlands an Europa, und an den Herrn Präsidenten, doch die Nachfrage, auch wenn sie die Demonstrationsfreiheit vergleichen mit anderen Ländern, im Augenblick, äh, sitzt Herr Kasparow in Moskau am Flughafen fest weil ihm der Pass entzogen worden ist, einigen anderen, äh, geht das ebenso, der Geheimdienst und die Polizei hat Computer beschlagnahmt bei der Opposition, warum haben sie eine solche Sorge, um nicht zu sagen Angst, eine so, eher kleine Anzahl Opposition nicht frei und ungehindert vorbereiten und demonstrieren zu lassen, vielen Dank.
Merkel antworte auf die allgemeine Frage eher ausweichend, sprach aber Meinungsverschiedenheiten und Schwierigkeiten.
Dann antworte Präsident Putin.
WLADIMIR PUTIN:
Das wir in keiner Frage uns vereinbaren können, dass ist absolut falsch. Wir sind fast in allen Fragen klargekommen, mit Ausnahme der akuten Fragen und der Fragen, die noch zuätzliche Beschäftigung verlangen. Und hauptsächlich handelt es sich dabei um Fragen, die im Bereich des ökonomischen Egoismus liegen – des einen oder des anderen europäischen Landes, die nicht immer ganz und gar den Interessen der EU entsprechen, wie auch den Interessen Russlands..
Und wir haben bis jetzt noch (nicht) über die Frage des polnischen Fleisches entschieden, unsere polnischen Kollegen sprechen mit uns nicht seit über einem Jahr. Gottseidank, dass die deutsche Bundeskanzlerin ihre Interessen und unsere Interessen vertritt..
Unsere Landwirte träumen nicht einmal von solchen Subventionen.
Dann wies der Präsident von Russland auf den Aufbau der staatlichen Strukturen in den 90er Jahren hin und verwies auf die anfängliche Gefahr des Zerfalls der territorialen Integrität der russischen Förderation hin. Dann kam er, immer ärgerlicher, auf die Dissidenten und die Festsetzung von Kasparow zu sprechen.
WLADIMIR PUTIN:
(..)angesichts der vierfachen Steigerung der Realeinnahmen der russischen Bürger und der Verdoppelung der Reallöhne in Euro haben wir keine Angst vor solchen Gruppen, die zumal sehr klein sind. Aber in allen Staaten setzen die Behörden präventive Massnahmen ein, ob das gut ist oder nicht, dass ist auch nicht immer gerechtfertigt, aber heute gab es eben solche Beispiele, dass präventive Festnahmen und Verhaftungen durchgeführt wurden.
In Hamburg wurden 146 Personen festgenommen, bei uns wollten lediglich 200 demonstrieren. Ob das gut ist oder nicht, wir haben das heute mit Frau Merkel besprochen. Ich glaube, dass Handlungen deutscher Rechtsschutzorgane nicht immer gerechtfertigt sind, aber, wir sind alles nur Menschen, wir, die Staatsoberhäupter tragen dafür die Verantwortung. (..)
Daraufhin Angela Merkel. Sie entschuldigte zuerst die polnische Regierung und ging dann auf die Razzien in Deutschland ein.
MERKEL:
Und was die Demonstranten anbelangt, möcht ich noch sagen, ich habe jedes Verständnis, wenn Demonstranten Gewalt anwenden, wenn sie Steine haben, wenn sie irgendwelche Waffen haben oder sonstiges, dass man dann sie festnehmen muss, das ist wichtig. Demonstrationsrecht heisst nicht, dass man das Gewaltmonopol eines Staates in Frage stellt. Aber wenn jemand gar nichts gemacht hat, sondern nur auf dem Weg zu einer Demonstration ist, ist das aus meiner Sicht nochmal eine andere Sache.
Daraufhin der Promi-Journalist Udo van Kampen, ZDF:
VAN KAMPEN (ZDF):
Herr Barroso, ich hab die letzten drei EU-Russland-Gipfel verfolgt, äh, und, äh, wenn Sie sich erinnern, vor dem letzten Gipfel in Finnland, Mord an der Journalistin Politkowskaja, den zweiten Gipfel in Helsinki, an dem Tag, äh, Tod Litwinenko, und jetzt auch, äh, und jetzt auch…
– Unterbrechung. Man weisst ihn daraufhin, dass die Übersetzung nicht funktioniert. Barroso, der gut drauf ist, radebrecht ein wenig, „Isch spreche ein bischen deutsch, but, also nischt..“. Daraufhin wiederholt van Kampen (ZDF) nicht etwa seine Frage, sondern fährt einfach fort.. –
VON KAMPEN (ZDF):
Die letzte Frage, und jetzt eben der aktuelle Beispiel (Anm.:wörtliche Mitschrift) an diesem Russlandgipfel mit Kasparow, wie ist das in Einklang zu bringen mit einer (langsam sprechend) strategischen Partnerschaft?
Barroso versuchte daraufhin zu besänftigen und dass man nicht zulassen dürfe, „dass einige Probleme die ganzen Beziehungen vergiften“.
Der russische Präsident daraufhin ergänzend, bereits kurz vor´m Wutausbruch.
WLADIMIR PUTIN:
Da möchte ich noch ein paar Bemerkungen dazu machen, was die präventiven Massnahmen angeht.
Die Polizei in den europäischen Staaten handelt auch präventiv und reagiert nicht nur auf Gewalt der Demonstranten. Wir kennen auch Fälle von präventiven Festnahmen, dass sind auch ganz frische Beispiele. Lassen Sie uns da nicht mit dem Finger aufeinander zeigen. Das war erst jetzt, vor ein paar Tagen.
Zweitens, die Verbrechen, die sie erwähnt haben, die Ermordung von Politkowskaja und der Tod von Litwinenko, dass muss erst untersucht werden. Die Justiz muss entsprechende Entscheidungen treffen, erst dann kann man nach den Schuldigen suchen und irgendwelche Schlüsse ziehen.
Aber das in Tallin ein Demonstrant getötet wurde, daran erinnern Sie sich nicht, dabei wurde er keinesfalls zufällig umgebracht. Das war keine fahrlässige Tötung, das war eine vorsätzliche Tötung. Dieser Mensch wurde ohne Hilfe gelassen, er verblutete und kam zu Tode. Das dürfen wir dabei auch nicht vergessen.
Und wir stellen auch nicht die Frage,ob wir die strategischen Beziehungen mit der EU entwickeln MÜSSEN, ich glaube das hat keine Grundlage. Wenn die EU andere Staaten hat, mit denen sie eine strategische Partnerschaft anstrebt, da entstehen verschiedene Probleme. Da ist das Problem von Guantanamo, der Todesstrafe – das gehört nicht zu den europäischen Werten, weder moralisch noch (unverständlich). Sie stellen doch auch die strategische Partnerschaft und Zusammenarbeit mit diesen Staaten in Frage.
Lassen Sie uns, als Russland und EU, interessiert sein an den Entwicklungen untereinander. Ob wir das wollen oder nicht, diese Beziehungen werden sich entwickeln. Mehr als 50% Handelsvolumen zwischen Russland und der EU, zu 90% versorgen wir ein solches Land wie Finnland mit Energie. Und auch in die anderen Staaten steigen die Lieferungen. Wir haben Interesse. Wir haben (auch) Probleme, Sie und wir. Und wir sind bereit, aktiv offen und ehrlich diese zu besprechen und zu regeln.
Auf die daraufhin folgende Frage eines russischen Journalisten an die deutsche Bundeskanzlerin, ob denn Europa bereit sei auf das russische Gas zu verzichten, antwortete unser derzeit regierender Hosenanzug mit zunehmend nervöser Stimme, dass von „abkapseln“ überhaupt keine Rede sein könne.
Man habe zwar einige Schwierigkeiten, aber „man“ brauche diese strategische Partnerschaft mit Russland, „die wir Schritt für Schritt weiterentwickeln“.
Daraufhin Putin – inzwischen wieder im Drehzahlbereich unter 100 – man brauche einander und sei bereit zu einem offenen und fairen Dialog in der EU.
Als er schon die Runde schliessen will, heisst es, ach so, noch eine Frage.
Es meldet sich zu Wort Wulf Schmiese, Frankfurter Allgemeine Zeitung, FAZ.
SCHMIESE (FAZ):
Präsident Putin, die, ähm, Diskussion hier über die Menschenrechte, ähm, zeigt, dass es eine Debatte auch in Deutschland gibt, bei der Frage, inwieweit ist Präsident Putin ein Demokrat, es gibt ja auch das Wort `lupenreiner Demokrat`. Ähm, woher, glauben Sie, stammen die Zweifel in Europa an Ihrer Demokratiefähigkeit, wie sehen Sie sich selber, sehen Sie sich durch die europäische Lupe als lupenreinen Demokraten und streben Sie´s überhaupt AN, so gesehen zu werden. Und dann noch eine Frage an Frau Merkel, und auch an Sie, Präsident Putin, welche konkreten Schritte sind denn geplant zur Verbesserung des Verhältnisses zu den direkten Nachbarländern, Polen und dem Baltikum.
WLADIMIR PUTIN:
Sie haben mir da eine ganz tolle Frage gestellt, ich danke Ihnen sehr.
Was ist das eigentlich, „lupenrein“? Was bedeutet „rein“? Was bedeutet es in der Welt ein „lupenreiner“ Deutscher zu sein, ohne jede Beimischung? Oder ein reiner Russe, ohne jede Beimischung?
Wissen Sie, bei uns sagt man, „Kratze an einem Russen, und es kommt ein Tartar zum Vorschein“. Und in der Region, wo wir uns zur Zeit befinden, ist das besonders aktuell.
Was ist das, die lupenreine Demokratie, wo haben Sie diese Demokratie gesehen?
Ich habe schon auf die Frage ihres Kollegen geantwortet. Gibt es bei uns in der Welt irgendwo lupenreine Demokraten, z.B auch in Deutschland selbst? Das ist immer eine Frage der politischen Bewertung, und der Wunsch zu sehen, ob das Glass halb voll oder halb leer ist.
Ich möchte nochmals betonen, wir wollen mit unseren europäischen Partnern zusammenarbeiten, wir sind interessiert aneinander, und … (Pause) … ob jemand das will oder nicht, DAS WIRD SO LAUFEN.
Unsere Aufgabe, die Aufgabe der Menschen die sich mit der politischen Tätigkeit beschäftigen, ist es das zu gewährleisten, im Interesse von Millionen von Menschen.
Aber jetzt was die Nachbarn angeht – wissen Sie, man sucht sich keine Nachbarn aus. Wir haben seit Jahrhunderten, seit Jahrtausenden zusammengelebt, wir werden auch weiter zusammenleben. Und trotz aller Schwierigkeiten in den nachbarschaftlichen Beziehungen – und häufig auch Interessen, die einander ausschliessen – werden wir die Lösung finden. Ich bin mir sicher, dass wir sie finden, wenn die Vermittlung und die Unterstützung anderer Partner in Europa dazukommt, und wenn sie ausreicht – von unseren Nachbarn, auch von uns natürlich. Ein direkter Dialog ist immer besser.
Wir sind eingestellt auf solche Arbeit und werden diese auch weiter fortsetzen.
—
Wenn man sich vor Augen hält, das seit dem 11.September 2001 Hundertausende Menschen durch einen blutigen Angriffskrieg der Regierungen der USA und der EU im arabischen und mittelasiatischen Raum ums Leben gekommen sind, während Russland sich eigentlich die ganze Zeit bemüht gerade zu Deutschland gute Beziehungen zu unterhalten – und nicht zuletzt zuverlässig Energie an uns liefert – so kann diese Äusserungen der Journalisten Roth (ARD) , van Kampen (ZDF) und Schmiese (FAZ) nur als Gefährdung der Prosperität und Sicherheit von 82 Millionen Deutschen in der Republik gewertet werden.
Hier ist keinerlei Verhältnismässigkeit, Geschichtsbewusstsein oder Verantwortungsgefühl mehr im Spiel. Das sind meiner persönlichen Meinung nach Auftragstäter, die die guten deutsch-russischen Beziehungen – welche Millionen Gräber ruhiger schlafen lassen – bewusst sabotieren und ruinieren wollen, um Platz zu machen für einen transatlantischen Wahnsinn, der mit nicht enden wollender Penetranz und Aufdringlichkeit die Deutschen – wie auch Europa – mit in den Abgrund Irak und Afghanistan, oder gar Iran zerren will.
Man kann Präsident Putin (im ureigensten Interesse) für den G8-Gipfel in Heiligendamm nur alles Gute wünschen und auf den russischen Bär hoffen – möge er in der Frage des Friedens im Nahen und Mittleren Osten nicht nachgeben.
Ein Krieg gegen den Iran wäre auch für die Deutschen eine Katastrophe.
(1)
http://www.fr-online.de/in_und_ausland/politik/aktuell/?sid=ac4bb4227b9e3257946b1dbf7ee3719b&em_cnt=1138212