Öl-Putsch im Tschad

N’Djamena: Während man sich sogar schon im österreichischen „Kurier“ fragt (1), ob angesichts der merkwürdigen Untätigkeit der mit Panzern bewaffneten französischen Fallschirmbattaillone im Tschad der dortige Umsturz im Eiltempo vielleicht mit Billigung Frankreichs über die Bühne der Weltpolitik ging, aktivierten chinesische Behörden einen „Notfallplan“ und flogen Landsleute aus (2). Die US-Regierung und französische Stellen empfahlen ihren Staatsbürgern dagegen lediglich, sich an „sicheren Orten“ zu versammeln. Erst Donnerstag hatte Frankreich noch seine Truppen in der ex-Kolonie verstärkt (3).

DIE TSCHAD-KAMERUN-PIPELINE

Der US-Ölkonzern Exxon, der seinen Rekordgewinn letztes Jahr auf 40.6 Milliarden steigern (4) konnte (weltweite Verkäufe für 404 Milliarden Dollar), tritt im Tschad (Chad) unter dem Namen „Esso Exploration and Production Chad Inc“ auf (6) und ist der Führer eines Konsortiums (ExxonMobil 40%, Petronas 35% und ChevronTexaco 25%, 5) welches die Tschad-Kamerun-Pipeline an die Atlantik-Küste betreibt. Die Pipeline wurde ab 2000 gebaut und lieferte 2003 das erste Öl. Sie erstreckt sich unterirdisch über 1000 Kilometer und liefert 200 000 Barrel Öl – täglich. Sie wurde für 3.7 Milliarden Dollar gebaut und reicht von den Ölfeldern in Kome bis zum Hafen Kribi in der ex-Kolonie Frankreichs, Kamerun. Schon vom ersten Bonus der Ölkonzerne an die Regierung des Tschad landeten 4,5 Millionen US$ bei Waffenhändlern.

Speziell für den Bau der Tschad-Kamerun Pipeline wurde die TOTCO (Tchad Oil Transportation Company) gegründet. TOTCO ist ein Zusammenschluss aus dem Konsortium (ExxonMobil, Petronas und Chevron) und dem tschadischen Staat, wobei 20% der Anteile dem Staat gehören und 80% dem Konsortium. TOTCO ist für den gesamten Bau der Pipeline und den Betrieb im Tschad verantwortlich. In Kamerun wurde das selbe Unternehmen gegründet, die „Cameroon Oil Transportation Company“ (COTCO). (6)

Schon in 2004 war klar, wohin die Gewinne letztlich fliessen. Begleitend von den üblichen Sprüchen (Sozialprogramme, „Wachstumschancen“, Hilfe für die Bevölkerung, blabla) rechnete Exxon die Öleinnahmen aus dem Tschad mit dessen „Regierung“ zu einem mittleren Preis von 25 Dollar ab, während der Weltmarktpreis für Öl zum Teil bei 50 $ pro Barrel lag. (5)

Der Dikator des Tschad – Idriss Deby, militärische Ausbildung in Frankreich, regierte mit französischer Hilfe seit Militärputsch 1990 – beschwerte sich im August 2006 und wollte mehr Moos, genauer: einen Anteil von 60% am Erdöl. Zur Erinnerung: dem Tschad (also dem jeweils rechtmässig regierenden Ausbeuter) standen nur 20% von der Ausbeute via Pipeline zu.

Daraufhin geschah folgendes: auf einmal zeigte sich das ehrenwerte US-Magazin „Forbes“ so erschüttert, dass es den Staat als „korruptestes Land der Welt“ bezeichnete, die höchst ehrenwerte Weltbank sperrte dem Tschad (also Deby) die Konten und zwangen ihn ein Gesetz zu erlassen, was zur Strafe vorschrieb, wie die dem Tschad verbleibenden Ölprofite zu verwenden seien. Neben so noblen Dingen wie „Erziehung“, „Gesundheit“ auch „Infrastrukturprojekte“. Am 2.Juli 2007 wurde dann der Sohn von Deby in Paris tot aufgefunden. (7)

Daraufhin gab es bereits kurz danach ernstzunehmende Anzeichen einer Hinwendung des tschadischen Diktators zu anderen Geschäftspartnern – den Chinesen, auch im benachbarten Darfur sehr aktiv, sehr zu Leidwesen westlicher, ob es dortigen menschlichen Leids schwer erschütterter Ölmonopole und deren Regierungsangestellten.(8)
Am 24.September geschah dann das Unerhörte: Idriss Deby unterzeichnete für seinen Tschad mit der „China National Petroleum Corp“ (CNPC) einen Vertrag über den Bau einer eigenen Raffinierungsanlage. Bis dahin hatte der Tschad – dank der mitfühlenden Konservativen in den oberen Öl-Etagen – raffinierte Ölprodukte importieren müssen. Einen Tag später nannte er bei seinem Besuch in Peking (Beijing) die Zusammenarbeit mit China „strategisch“. (10)
Dass sahen die Chinesen offenbar schon eine ganze Weile so, schliesslich hatten sie Anfang 2007 über die CNPC die Explorationsgebiete des kanadischen Unternehmen
ENCANA im Tschad aufgekauft. CNPC durfte nun auf einer Gesamtfläche von über 54 Millionen Hektar nach Erdöl suchen, welche die Sedimentbecken Tschadsee, Bongor,
Doba, Doseo, Salamat, Logone Birni und Erdis Basin/Becken umfasste. (6)

„WAS PASSIERT DA EIGENTLICH, HMMM, WIR HABEN KEINE AHNUNG ABER WISSEN WOLLEN WIR NIX DAVON“

Am 22.Juni 2007 hatte sich u.a. die „Junge Welt“ über die „unübersichtliche Lage“ im Tschad und Darfur (Westen des Nord-Sudan) gewundert. Ja, was passiere denn da im Grenzgebiet, die französische Luftwaffe im Tschad im Einsatz, selbstverständlich „humanitär“ und so weiter, die werfen da was ab, werden schon Rosinen sein (oder Croissants) (11).

Letztlich gab es nach den Erdöl- und Uranfunden in Darfur 2003 ein langes Gemetzel und Gerangel um die entsprechenden Profite. Die Interessen der Menschen spielten keine Rolle, die EU, USA, UN und die Afrikanische Union (AU) sahen monatelang einfach zu, wie Abermillionen der eigenen unter grossen Täterä gespendeten Hilfsgelder und Soldzahlungen an die 7000 AU-Soldaten in Darfur irgendwo in Addis Abeba im AU-Hauptquartier verdunsteten. Und nicht nur das – die EU-Gelder, eigentlich doch wohl gedacht das monatelang in der Wüste rumsitzende, benzinlose AU-Gesindel, landete auch noch genau bei den westlich gestützten Milizen, die regelmässig AU-Soldaten umbrachten. Alles unter den Augen der schwer mitfühlenden „westlichen Staatengemeinschaft“.(12)

Gleichzeitig versuchte man der deutsch-mittelständigen Öffentlichkeit unter „wir-müssen-was-tun“-Heulen mit allen „taz“-Tricks die eigenen Truppen nach Darfur abzuschwatzen (13).
Was aber misslang, höhö.

Aber auch im Tschad hiess es regelmässig: Ölauge, sei wachsam. Wir erinnern uns: im August 2006 wollte Diktator Deby einen Anteil von 60% aus den Ölprofiten, im Oktober 2006 war schon eine „Union of Forces for Democracy and Development“ (whatever) gegründet, die ihn stürzen wollte.(14). Das zog sich dann so hin, aber im November 2007 war man dann in der „UFDD“ gleich so höflich, auch noch Frankreich den Krieg zu erklären (15). Dass die Franzosen zu diesem Zeitpunkt hier in Berlin wieder mal auf der Matte standen und um deutsche Truppen für einen EUFOR-Einsatz im Tschad bettelten, hatte damit natürlich gar nichts zu tun.

Aber schon 5 Tage nach Unterschrift des chinesisch-tschadischen Öldeals, am 29.September 2007, hatte unser Verteidigungsminister Franz Jung in weiser Voraussicht ob des Geplärres irgendwelcher Intellektueller (..) es dann doch sein gelassen mit den deutschen Truppen, auch noch im Tschad jedenfalls. Stattdessen sitzen jetzt ein paar Offiziere im EUFOR-Hauptquartier in Paris rum und wissen natürlich von nix.(16)
Noch im Januar 2008 stand dann in „Finanztreff.de“, die „Financial Times Deutschland“ würde schreiben, der „Figaro“ täte wissen, dass Nicolas Sarkozy „sehr verärgert“ sei, dass deutsche Soldaten nicht im Tschad nicht für seine Milliardärsfreunde stünden und stürben. (17)

DIE KAMERUN-CONNECTION

Dieses Land ist auch so ein Fall. Seit der „Unabhängigkeit“ von französischer Kolonialherrschaft 1960 wurde der Staat von genau zwei Leuten regiert, Ahmadou Babatoura Ahidjo (1960-1982) und Paul Biya (1982 bis jetzt). Ahidjo wurde 1982 offenbar von seinem französischem Arzt hereingelegt, der ihm eine Krankheit vorgaukelte. Er trat zurück, Biya übernahm die Macht.(18)
Die Lebenserwartung der Kameruner beträgt immerhin satte 51 Jahre, das sind 4.25 Jahre für jeden Ölkonzern, der die Ressourcen des „unabhängigen“ Landes ausplündert (Tochtergesellschaften nicht mitgerechnet).
Neben ExxonMobil, Petronas und ChevronTexaco sind das Societé National des Hydrocarbures (SNH) (Kamerun), Total (Total/Elf/Fina – Frankreich), Shell (UK/NL), ConocoPhilips (Kanada), Perenco (Frankreich/ UK), Halliburton (USA), Energy Africa Ltd. (Tochterunternehmen von Tullow), Addax Petroleum Cameroon Ltd. (USA) und Tullow Oil (USA). (6)

Schlussendlich gibt es da noch die Bank of Central African States (French: Banque des Etats de l‘Afrique Centrale, BEAC), die die finanziellen Angelegenheiten von immerhin 6 Ländern regelt, Kamerun, die Zentralafrikanische Republik, Tschad, Äquatorial Guinea, Gabun und Kongo. Die „Bank der westafrikanischen Staaten“ (West African CFA) entsprechend den Rest, der da unten zu haben ist (19).

Jetzt muss man sich noch die Landkarte angucken, die heute leiiiiider nirgends zu sehen war und dann soll sich jeder mal für sich selbst überlegen wie wahrscheinlich das ist, dass da angeblich vor 3 Tagen (just zum Zeitpunkt der französischen Truppenverstärkung) sich 250 Trucks AUS DEM SUDAN nach N’Djamena aufgemacht haben sollen, um im Menschzahn ruckzuck durch den Dschungel zu brettern und dann gleich mit 1000 Mann gestern in der tschadischen Haupstadt anzukommen. (3)

Extrem witzig wird es dann, wenn im „Kurier“ steht, es seien 4000 Mann und 300 „mit Artillerie bestückten Lkw“ (1). Und sie seien schon FREITAG vor der Haupstadt gewesen, wo sie doch erst am DONNERSTAG aus dem Sudan losgefahren sind. (3)

Schönen Sonntag noch.

PS: Sie haben was zu meckern? Sie haben was zu bekritteln? Tun Sie dass im Forum.

(..)

update 14.30 Uhr: Gestern hat sich der Aussenminister des Tschad, Ahmat Allam-mi, zu Wort gemeldet und erneut den Sudan beschuldigt, diese sagenhafte Invasionstruppe aus dem Hut und – schlimperdibix – durch den Dschungel gezaubert zu haben. Man muss sich den Namen merken, wahrscheinlich wird´s der nächste Machthaber von Paris Gnaden, nachdem der Held in ein paar Tagen verkünden darf, dass er anstelle des leider verschwundenen Deby die ruchlosen Rebellen in die Flucht geschlagen hat. Zur Zeit findet ja der AU-Gipfel in Addis Abeba statt, „überschattet“ von der Gewalt in Tschad und in Kenia, wie die SZ schreibt.

Da passt es, wenn „Oppositonsführer“ Odinga in Kenia nun auch nach „Friedenstruppen“ ruft. Vorerst aus der AU.

Dabei hatte er schon am 3.Januar in der SZ gebeten: „Deutschland soll sich einmischen“. Dass Stefan Kornelius, Leiter des Ressort Außenpolitik der “Süddeutschen Zeitung”, nun ausgerechnet mit Klaus Naumann (dem mit dem Hang zu präventiven Atomkriegen) und dem halben Verteidigungsausschuss im Präsidium der “Atlantischen Gesellschaft” sitzt, spielt dabei sicher gar keine Rolle..

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Quellen:
(1)
http://www.kurier.at/nachrichten/128560.php
(2)
http://german.china.org.cn/international/2008-02/03/content_9644757.htm
(3)
http://www.china.org.cn/english/international/241899.htm
(4)
http://www.iht.com/articles/2008/02/01/business/exxon.php
(5)
http://www.greenpeace.de/themen/oel/konzerne/artikel/esso_zerstoert_afrikas_natur_fuer_den_bau_der_tschad_kamerun_pipeline/
(6)
http://www.misereor.de/fileadmin/user_upload/pflege_thema/Microsoft_Word_Viewer_97_-_Erd_l_factsheets_Afrika_final.pdf
(7)
http://en.wikipedia.org/wiki/Idriss_Deby
(8)
http://www.weltexpress.info/index.php?artikel_id=51879&lan=de&rubrik=2
(9)
http://www.ad-hoc-news.de/drucken.html?art_id=13397572
(10)
http://www.cnpc.com.cn/eng/press/newsreleases/ChadianPresidentIdrissDeby_visitsCNPC.htm
(11)
http://www.jungewelt.de/2007/06-22/033.php
(12)
http://www.radio-utopie.de/archiv/archiv.php?themenID=787&JAHR_AKTUELL=2007&MON_AKTUELL=8
(13)
http://www.radio-utopie.de/archiv/archiv.php?themenID=349&JAHR_AKTUELL=2007&MON_AKTUELL=3
(14)
http://en.wikipedia.org/wiki/Union_of_Forces_for_Democracy_and_Development
(15)
http://news.bbc.co.uk/2/hi/africa/7120750.stm
(16)
http://www.welt.de/welt_print/article1221531/Jung_bejaht_EU-_Einsatz_im_Tschad.html
(17)
http://www.finanztreff.de/ftreff/news,id,27647247,sektion,ftd.html
(18)
http://en.wikipedia.org/wiki/Ahmadou_Ahidjo
(19)
http://en.wikipedia.org/wiki/Bank_of_Central_African_States

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