Absturz in Smolensk: Mit Kaczynski stirbt halbe Führungsriege Polens
Bei einem Flugzeugabsturz in Russland sterben mit dem polnischen Präsidenten Lech Kaczynski eine ganze Reihe hochrangiger polnischer Vertreter auf dem Weg zu einer Gedenkveranstaltung in Katyn.
Heute stürzte gegen 10.50 Uhr Ortszeit (8.50 Uhr MESZ) aus ungeklärter Ursache eine Tupolew-154 beim Landeanflug auf den kleinen Flughafen der westrussischen Stadt Smolensk ab. An Bord: 132 Menschen. Es gab offenbar keine Überlebenden.
Unter den Toten befinden sich der Präsident Polens, Lech Kaczynski, seine Frau Maria, der Präsident der polnischen Zentralbank, Slawomir Skrzypek, der Generalstabschef Franciszek Gagor, der stellvertretende Außenminister Polens, der ehemalige Verteidigungsminister Jerzy Szmajdzinski, der Chef des Büros für nationale Sicherheit, Aleksander Szczyglo, der Leiter der Präsidentenkanzlei, Wladyslaw Stasiak, der dortige Staatssekretär Pawel Wypych sowie der dortige Unterstaatssekretär Mariusz Handzlik, der ehemalige Geheimdienstminister Zbigniew Wassermann, der ehemalige Minister und Vizepremierminister Przemyslaw Gosiewski, der letzte Präsident der polnischen Exilregierung in London während des zweiten Weltkriegs, Ryszard Kaczorowski und der stellvertertretende Parlamentspräsident Jerzy Szmajdzinski. (1,2,3)
Die Katastrophe für die polnische Republik ist noch nicht abzusehen. Auch das sensible polnisch-russische Verhältnis steht auf dem Spiel. Der russische Präsident Dimitri Medwedjew setzte eine Untersuchungskommission ein, unter dem Vorsitz von Ministerpräsident Wladimir Putin. Putin hatte vor wenigen Tagen noch zusammen mit dem polnischen Ministerpräsidenten Donald Tusk den Toten von Katyn gedacht. (4)
1940 waren im Zuge des Hitler-Stalin-Paktes Truppen der Sowjetunion in Ostpolen einmarschiert. Danach hatten Verbände des sowjetischen Geheimdienstes NKWD in einer konzertierten Aktion Tausende polnischer Offiziere, Polizisten, Intellektuelle und Vertreter der polnischen Führungsriege ermorden lassen. Allein in Katyn starben über 4000. Die Sowjetunion behauptete nach der Entdeckung des Massengrabes bei Katyn, das Massaker sei von den Nazis angerichtet worden. Später übernahm Russland diese Geschichtsfälschung.
Putin beendete dies nun vor wenigen Tagen und gab die Urheberschaft des sowjetischen Regimes an den Massenmorden in Polen zu. Seine zusammen mit Amtskollege Tusk vorgebrachte Geste der Versöhnung am Denkmal Katyns löste weltweit Erleichterung aus und brachte Russland große Sympathien in Polen.
Nun das. Ausgerechnet Smolensk, das zudem mit großen Teilen Ostpolens nach dem zweiten Weltkrieg von der Sowjetunion annektiert worden war. Erste Reaktionen aus Polen, u.a. von ex-Präsident Aleksander Kwasniewski und Lech Walesa zeigen: der Schock sitzt tief. Kwasniewski (5):
„Es ist ein verdammter Ort. Es jagt mir Schauer über den Rücken. Zuerst wird die Blume der zweiten polnischen Republik in den Wäldern rund um Smolensk ermordet, jetzt stirbt die intellektuelle Elite der dritten polnischen Republik in diesem tragischen Flugzeugabsturz, als sie den Flughafen von Smolensk anfliegt“
Es bleibt zu hoffen, dass es ein tragischer Unfall war, dessen Ursache von der Kommission schnell aufgeklärt wird.
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Quellen:
(1) http://www.tagesschau.de/ausland/kaczynski114.html
(2) http://www.kleinezeitung.at/nachrichten/politik/aussenpolitik/2331134/viele-hochrangige-polen-bord-abgestuerzter-maschinen.story
(3) http://www.independent.co.uk/news/world/europe/polish-president-feared-among-87-dead-in-plane-crash-1940932.html
(4) http://de.rian.ru/world/20100407/125803859.html
(5) http://www.nytimes.com/2010/04/11/world/europe/11poland.html