Die Bedeutung der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen am 9.Mai wird, so scheint´s, langsam begriffen. Es ist nun an der Zeit, die zurück gebliebene Bonner Republik endlich auf den Müllhaufen der Geschichte zu werfen. Dazu bedarf es einer kleinen linken Geschichte. Eine Geschichte von Mut, von Kampf, von Angst und Verrat, und von Gerechtigkeit in einer Berliner Republik, die endlich wieder eine Gelegenheit hat dazwischen zu wählen.
Es gibt sicherlich eine Menge guter Gründe die Partei „Die Linke“ auf Bundesebene nicht zu wählen. Ich kenne sie alle, da kann mir niemand was erzählen. Nur diesmal liegt der Fall etwas anders. Lassen Sie mich Ihnen eine Geschichte erzählen.
Die Linke NRW ist der einzige Landesverband dieses reaktionären und toten Haufens, in welchem ein lebendiger Landesverband der WASG aufgegangen ist, der zudem Wahl-Kampferfahrung hatte. Gegen alles Gewimmer und Geflehe des gekauften Bundesvorstands um Klaus Ernst – der nichts wollte ausser Gysi und Lafontaine auf dem Silbertablett die große Blutinfusion für die alte Staatspartei PDS an derem kalten, toten Ellenbogen zu servieren – erzwang die WASG NRW die Teilnahme an der Landtagswahl am 22.Mai 2005. Dort holte sie, mit minimalem Etat, im bevölkerungsreichsten Bundesland der Republik 2.2 Prozent, obwohl die Bundesführung sogar die eigenen Wahlplakate noch vor dem Landesverband versteckte.
Danach hatte der Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland, Gerhard Schröder (SPD), vor uns so die Hosen voll, dass er gleich den Bundestag auflösen liess und Neuwahlen ansetzte. Er gab damit – in einer Art Schröder-Lafontaine-Pakt – die WASG zum Überfall frei. Sein alter SPD-Parteifreund und Bundesfinanzminister Oskar Lafontaine erschien auf der Bühne und bat die WASG um den Selbstmord – für eine gemeiiiiinsame Linke. Anschliessend gab die WASG die Eigenständigkeit auf, die PDS benannte sich in „Linkspartei.PDS“ (LPDS) um, zog dann auf unserem Buckel mit acht Prozent in den Bundestag ein, während wir Idioten die Plakatierer geben durften. Anschliessend benutzte die umbenannte PDS ihre Millionen von Wahlkampfkostenerstattung, um mit ihrem alten, refinanzierten Parteiapparat die WASG Landesverbände einen nach dem anderen zu zerschlagen und zur Kapitulation zu zwingen.
PDS-Mitglieder sickerten als sogenannte „Doppelmitglieder“ in unsere Partei ein. Die Doppelmitgliedschaft war laut der ab dem 1.1. 2006 geltenden WASG-Satzung illegal. Doch vorher hatten die Befürworter des Anschlusses die Parteischiedsgerichte besetzt, so dass Brüche der Parteisatzung einfach nicht entschieden wurden. Man tat also in den Schiedsgerichten ab dem 1.Januar 2006 einfach Monate lang nichts. Einfach nichts. Denn gegen irgendeine Entscheidung der Parteischiedsgerichte hätte man ja vor ordentlichen Gerichten klagen können. Aber gegen nichts konnte man nicht vor Gericht ziehen. Es sei denn vor den Gerichtshof der Öffentlichen Meinung, was ich in 2005 leider noch nicht tat.
Ich hatte am 1.Januar 2006 (um 11 Uhr morgens, was mir nicht leicht gefallen war) einen Ausschlussantrag gegen das Mitte Dezember neu eingetretene WASG-Mitglied Gregor Gysi gestellt. Doch selbst das Schiedsgericht der WASG Berlin eröffnete zwar das Verfahren „Neun vs Gysi“, setzte dann aber einfach keine Verhandlungstermine fest. Vielen Dank nochmal, TrotzkistInnen. Ihr seid wahrlich die SpeerspitzInnen des Sozialismus.
Am 8.März 2006 führten wir in der WASG Berlin eine Urabstimmung über die Wahlteilnahme durch. Alle mussten schriftlich abstimmen, im Gegensatz zu vorher von Einzelpersonen des WASG-Bundesvorstandes wundersam betreuten Online-Abstimmungen. Obwohl die illegal in der WASG Berlin befindlichen Mitglieder der PDS Berlin mit darüber abstimmen durften, ob wir gegen sie und die Landesregierung Wowereits und Sarrazins antreten konnten, setzten wir uns durch und entschieden die Urabstimmung für uns.
Was von Oskar Lafontaine zu halten ist, dem auch ich Idiot von 1999 bis seinem Auftauchen als politischer Fremdparteiarbeiter 2005 hinterher getrauert hatte, das kann hier noch einmal jeder live mit ansehen. Lafontaine am 8.März 2o06 nach unserer gewonnenen Urabstimmung in der 20 Uhr Tagesschau (Fernsehausschnitt) (1):
“Wenn sich… 200 bis 300 Leute entschliessen einen eigenen Weg zu gehen, ist das völlig normal. Das wird weder eben die Fraktion gefährden noch wird das eben die neue Linke gefährden, denn es handelt sich ja um 70.000 Leute, die letztendlich zusammengeführt werden sollen, also ein paar Abgänge können wir gut verkraften…”
Wer den Nebendarsteller mit rotem Kopf nicht erkannt hat: das war der Bodo, der Ramelow. Später wurde er doch nicht Ministerpräsident von Thüringen, aber sagte am 4.Oktober 2009 in einem Interview (2) mit der Springer-Presse über den Afghanistan-Krieg:
„Uns geht es nicht um einen sofortigen Abzug. Das wäre wie eine Flucht damals aus Vietnam.“
So eine westliche Biografie in „Die Linke“ hat doch etwas für sich. Nie vergißt man dieses Bibbern der Leute auf den Häuserdächern Saigons anno `75. Damit kann man sich in dieser Partei natürlich auch identifizieren.
Dann fanden am 29.April 2006 gleichzeitige Sonderparteitage der WASG und der PDS statt. Die Zukunft der deutschen Politik, das Kräfteverhältnis im Gefüge der führenden EU-Macht, sowie des Nato-Mitgliedslandes Deutschland wurden an diesem Tag entschieden. Auf dem Spiel stand für die Linkspartei.PDS auch ihre Bundestagsfraktion. Gegen die Vergeßlichkeit, auch hier die 20 Uhr-Nachrichten der „Tagesschau“ dieses Tages (3).
Auf dem WASG Bundesparteitag wurde dann mit den Stimmen der illegal abstimmungsberechtigten PDS-Mitglieder abgestimmt, dass ihre Doppelmitgliedschaft ab jetzt wieder zulässig sei. Dieser Beschluss erfolgte mit knapper Mehrheit. Ebenfalls wurde, mit hauchdünner Mehrheit, dem Bundesvorstand gegen geltendes Recht die Ermächtigung zur Absetzung unseres demokratisch gewählten Landesvorstands der WASG Berlin gegeben.
Bis heute gibt es „Genossen“, die meinen, die Abstimmungsergebnisse des Parteitages hätten nichts mit den PDS-Doppelmitgliedern zu tun. Darunter sind sogar einige der damals Betroffenen in der WASG Berlin. Bis zuletzt glaubten gerade die Kommunisten in der WASG Berlin, man könne nach der Landtagswahl mit der Berliner Koalitionspartei von Wowereit und Sarrazin händchenhaltend an die Regierung gehen – weil das linke Politik sei.
Auf diesem WASG-Bundesparteitag wurde auch, diesmal mit 186 :107 Stimmen, der Anschluss der WASG an die PDS beschlossen. Genosse Gysi damals, in wahrlich weiser Voraussicht: (4)
„Wir sollten uns beeilen, denn die Probleme, die wir haben, werden wir sowieso nicht los.“
Nach diesem entscheidenden Parteitag (ich war wegen „allgemeinen Schimpfwörtergebrauchs“ aller meiner Ämter enthoben worden und wie einige andere zufällig leider verhindert gewesen) setzte der WASG Bundesvorstand um den IG-Metall-Funktionär Klaus Ernst, heute einer der beiden „designierten“ Parteichefs von „Die Linke“, unseren Landesvorstand ab und ernannte in bekannter totalitärer Tradition den Politkommissar Hüseyin Aydin als Zwangsverwalter der WASG Berlin. Aydin war zu diesem Zeitpunkt Sprecher der WASG Nordrhein-Westfalen, bis 2005 noch in der SPD gewesen und ebenfalls IG-Metall-Funktionär. Nur dank des Parteiengesetzes und einem Beschluss des Landgerichtes konnten wir unseren werten „Genossen“ mit einem Fußtritt wieder nach NRW schicken. Dazu hiess es damals in der „Linken Zeitung“ (5):
„Klar wird auch der politische Gehalt dieses erbitterten Streits: Es geht um den Erhalt der Regierungsbeteiligung der LPDS auf offensiv neoliberaler Grundlage als Referenzprojekt für künftige Koalitionen mit dem rechten Flügel der SPD und es geht darum, mit allen Mitteln zu verhindern, dass es eine Wahlalternative zur neoliberalen Einheitsfront aller anderen Parteien geben wird. Zum ersten Mal in der Nachkriegsgeschichte der BRD bestehen gute Aussichten, dass eine systemalternative Partei nicht nur in ein Landesparlament einzieht, sondern eine für das Kapital unkalkulierbare Ausstrahlungskraft auf die ganze Republik haben wird.“
Der Landesverband der WASG in NRW billigte damals im Jahre 2006 die Handlungen des eingesetzten Politkommissars Aydin nicht. Dieser Landesverband war einer der wenigen, die uns in Berlin nicht verrieten. Viele aus NRW unterstützten unseren Antritt der WASG Berlin zu den anschliessenden Abgeordnetenhaus-Wahlen am 17.September 2006, bei dem wir immerhin 2.9 Prozent holten. Wir hatten diesen Wahlkampf, allein gegen alle, komplett über Spenden finanzieren müssen, gegen die Berliner Stadtregierung mit ihrer PDS, gegen den eigenen Bundesvorstand, gegen fast alle Landesverbände und gegen die neue Bundestagsfraktion der „Linkspartei“.
5 Jahre später, trotz Verrat, trotz Sabotage, trotz Lügen und Feigheit aller Kollaborateure dieses antidemokratischen, korrupten und Krieg führenden Regimes, was sich nur durch beständigen Betrug und Propaganda an der Macht hält, hat die Berliner Republik nun wieder genau diese Chance – die Chance eines demokratischen, legalen und verfassungsgemäßen Wandels.
Die Bundesregierung aus CDU, FDP und CSU hat in ihrem Koalitionsvertrag die Auflösung der Bankenaufsichtsbehörde Bafin und ihre Eingliederung in die Bundesbank beschlossen. Nun verlangt die Bundesbank die völlige „Rechts- und Fachaufsicht“ (6) über die Steuergelder der Deutschen, welche in die kaputten kapitalistischen Bankensysteme gepumpt wird. In den letzten Jahren wurden den kommerziellen, profitorientierten Banken unfassbare Summen an staatlichen Subventionen geschenkt, allein im Finanzmarktstabilisierungsgesetz (welches auch „Die Linke“ durch eine Zustimmung zur notwendigen Änderung der Geschäftsordnung des Parlamentes ermöglichte) wurden den Banken über 500.000.000.000 Euro geschenkt oder zur Garantie ausgeschrieben. Allein die „Rettung“ der ganz normalen kommerziellen „Hypo Real Estate“-Immobilienbank kostete die Deutschen über 100 Milliarden Euro und es werden immer mehr und mehr.
Jetzt verlangt die Bundesbank auch noch, unbegrenzt weiter staatliche Gelder „unabhängig“ von Staat, Regierung, Parlament und Republik willkürlich den Banken in den Rachen werfen zu können. Und wir sollen Angst vor dieser Linken haben??
Die neuesten Umfragen sollen ernsthaft ergeben haben, dass die CDU in Nordrhein-Westfalen um drei Prozent auf 38 Prozent zugesponsort hat. Auch die alte Verarmungsprophetin der Hartz- und Kriegspartei SPD, Hannelore Kraft, soll ein Prozent geklettert sein. (7)
Es ist jetzt an der Zeit, dass die Linke NRW die Chance bekommt, um die wir, und die gesamte Demokratische Linke der Republik, damals in Berlin betrogen wurden. Es ist an der Zeit, die Menschen nicht länger ohne Wahl, sondern wählen zu lassen. Es ist an der Zeit, den Kalten Krieg endlich zu beenden und damit die Stagnation und den Verfall eines Staates, dessen überbezahlte machtvergessene und machtversessene Repräsentanten einer aus politischem Inzest gezüchteten Parteienkaste entstammen, die nichts außer maximale Heuchelei und Zynismus kennt, aber von uns sehr bald etwas anderes kennen lernen wird.
Heben wir die Linke NRW über die Zehnprozent-Marke. Diesen einen Landesverband, der wahrlich nicht in totalitärer Tradition steht. Seien wir realistisch, tun wir einfach mal das Mögliche. Das schad nix. Und zum Fürchten, Bibbern und Ja-Aber-Nein-Sagen, hatten wir alle über Generationen hinweg reichlich Gelegenheit, ohne dass irgendeiner bisher damit geholfen ward.
Quellen:
(1) http://www.tagesschau.de/multimedia/sendung/sendung5214.html
(2) http://www.radio-utopie.de/2009/10/04/die-linken-masken-fallen/
(3) http://www.tagesschau.de/multimedia/sendung/sendung4956.html
(4) http://www.sueddeutsche.de/politik/755/402536/text/
(5) http://www.basis-demokratie.de/aktuelles.htm
(6) http://www.welt.de/die-welt/wirtschaft/article7131977/Bundesbank-wehrt-sich-gegen-Plaene-zur-Bankenaufsicht.html
(7) http://www.ruhrnachrichten.de/nachrichten/exklusiv/politik/Kopf-an-Kopf-Rennen-der-Parteien;art1572,873436