Eine Spende für die Utopie

Berlin: Weil ich unser aller Bürgermeister Klaus Wowereit in einem Artikel vom 23.November 2006 geschmäht habe, bekam ich am 03.Mai dieses Jahres einen Strafbefehl über 600 Euro.
Am Montag, dem 30. Juli war – nach meinem eingelegten Widerspruch – die Verhandlung. Während unentgeltlichem, ausführlichem Rechtsbeistand am Sonntag davor (vielen Dank noch mal) wurde mir eindringlich geschildert, dass ich auf jeden Fall verurteilt würde und damit weitere Kosten auf mich zukämen.Am Morgen des 30. – bereits im Landgericht Berlin – nahm ich meinen Widerspruch gegen den Strafbefehl in letzter Minute zurück.
Ich wurde zur Richterin herein gebeten (selbst der Staatsanwalt schmunzelte, soviel sei hier verraten), die mir sagte: „Es wär auch nichts Anderes herausgekommen“.

Wohlgemerkt – den Widerspruch gegen den Strafbefehl nahm ich zurück. Sonst nichts. Warum auch.

Da weder ich – noch die Allermeisten im Umfeld von Radio Utopie – über irgendwelche Geldsummen verfügen, starte ich hiermit einen Spendenaufruf für mich und Radio Utopie. (Kontonummer ist hier zu sehen:)
http://radio-utopie.de/impressum.php

Und ich werde auch sagen, warum ich das tue.

DIE UTOPIE

Als ich im Januar 2007 die Medienstation „Radio Utopie“ gründete – das Internetradio war schon eine ganze Weile vor sich hin gedümpelt, schreiben tat ich für andere Online-Zeitungen – tat ich dies aus einem einfachen Grund. Ich hatte das Gefühl, dass musste jetzt mal sein.

Wo ich hinblickte, sah ich entweder nichts, Zwiedenker mit Schlips, wohlmeinende, aber zerstrittene Haufen, langsame, nette Dinosaurier die dem Tempo der Konzernmedien und ihrer Barbarenhypnose aber nicht gewachsen waren und eine schier endlose Zahl bis zur Halskrause in Schwierigkeiten, Not und Gemeinheit steckender Leute, die alle Besseres verdient hatten.

Ich gehörte – meiner bescheidenen Meinung nach – auch dazu.

Da ich zwar über 15 Jahre im Musikgeschäft unterwegs gewesen war, aber den Felsen nie über die Klippe des Sysyphos gewuppt bekommen hatte, weil mir immer und ständig in letzter Sekunde jemand die Beine wegzog, sah ich ein, ich musste einfach meine eigene Branche gründen. Es gab da keinen Ausweg.

Einen kleinen Internetvertrieb (kunstgegenkapital.de) hatte ich da bereits, man versuchte und machte, es ging irgendwie nicht vorwärts. Ohne Lobby war man nichts, gar nichts.
Einzig und allein das Schreiben war die letzte Möglichkeit der Artikulation, die einem nicht von anderen blockiert, zerschlagen, wegmanipuliert und unter den Fingern weggeraubt werden konnte.

Dies war mir – um nur ein Beispiel zu nennen – soeben mit meiner Partei geschehen. Inzwischen dürfte (fast) jeder mitbekommen haben: das war die WASG.

Nun, was soll ich sagen: inzwischen sind wir mit Radio Utopie bei vielen berüchtigt und bei den Guten berühmt. Wir sind zu alt, um noch käuflich zu sein, aber noch jung genug um zu wissen was man genau daran hat.
Jeder und jede in unseren Radioredaktionen – und auch die sich als Autoren einbringen – kann getrost davon ausgehen, dass die Gesellschaft (insgesamt) ihn oder sie als überflüssigen Dreck ansieht, der jederzeit verschwinden könnte ohne vermisst zu werden.
Das Einzige, was dagegen zu tun bleibt, ist die Moral nicht zu verlieren, die Faust in den Himmel zu heben und gegen all das anzukämpfen, was unmöglich zu ändern sein scheint.

Die Auseinandersetzungen sind auch im 21.Jahrhundert nach dem Arbeiter im Prinzip die Gleichen.
Die Arena der Gladiatoren ist die Arena des Amusements geworden. Ein Haufen gezüchteter Unterhalter, mässig mit Geldmitteln ausgestattet, belustigt mit seinen Blödeleien den Pöbel auf den Rängen, der neben seinem Leben als Zuschauer bald keines mehr hat.

Die Fähigkeit des Menschen etwas zu kreieren, ja der Drang, der Trieb, die Sehnsucht etwas zu schaffen wird von den herrschenden Kreisen entweder in die eigenen Bahnen gelenkt und ausgebeutet oder unterdrückt und gebrochen.
Die letze, ultimative Strafe, ist das beschäftigte Nichtstun, während eine Horde satter, fetter Ausbeuter auf der Tribüne lacht und den Pöbel auf den billigen Rängen in seinem Hohn noch anstachelt.
Solange, bis auch der Zuschauer auf einmal unten in der Arena steht.

Es werden immer mehr, die dort stehen, die Köpfe hängen, es sind Fabrikarbeiter, Bildhauer, Boxer. Sie alle arbeiten mit den Händen.
Es sind Denker, Dichter, Philosophen – sie werden nicht gebraucht, sagt man ihnen, WEIL sie gebraucht werden, mehr denn je…

All die Männer und Frauen, die mir im Leben begegnet sind, einte meist das dumpfe Gefühl, hier stimme irgendetwas nicht, und die gleichzeitige Resignation doch nichts dagegen unternehmen zu können.

Das ist ein Schluss, der dem Anfang im Wege steht und den wir uns nicht mehr länger leisten können.
Diese Welt gibt es nur einmal, und wir stehen haarscharf davor alles zu verlieren – weil wir zu lange zugesehen haben, als wir auf den Rängen sassen, weil wir zu gierig, selbstvergessen und leer uns auf auf den Tribünen gefläzt haben und andere zu unser Belustigung leiden und kämpfen liessen, und weil wir nun in der Arena stehen, die keinen anderen Ausweg als den Kampf mehr lässt.

Nur sollte dieser nicht gegeneinander sein.

Wenn wir die Geschichte des römischen Imperiums kennen (und wie sie endete), dann muss uns klar sein, was jetzt zu tun ist.
Auch sollte uns bewusst sein, das dies kein Kampf ist, der mit Schwertern geführt oder gewonnen werden kann – das wäre genau der Kampf, der für uns vorgesehen ist: ein neuer Krieg.

Worum es geht, ist die Tribüne im Sturm zu nehmen, die Fetten zu verjagen und die Herrschaft des Menschen über den Menschen endgültig zu beseitigen. Das heisst vor allem erstmal: die Herrschaft über unsere Köpfe…

Es kann nicht sein, dass jegliche Moral, jegliches Mitleid, jedes normale, substanzielle Gefühl in unserer Republik – die noch und nicht mehr Teil eines Imperiums ist – einer bräsigen, blöde vor sich lächelnden, stumpfen Gleichgültigkeit und Dekadenz weicht, während jeder weiss, was passiert, aber alle auf ein Zeichen warten.
Die Schlange, die uns in der Arena mit süssem, eindringlichen Geschwätz einschläfert und uns ruhig hält, ist weder gross noch unüberwindbar – es hat einfach seit Jahrzehnten niemand mehr versucht.

Jeder und Jede die es taten, wurden sofort zur Abschreckung in irgendeine Art der gesellschaftlichen Hinrichtung geschickt, gegeneinander in Stellung gebracht und dort im Kampf verraucht.
Wer sich dagegen wehrte korrupt zu werden, dem wurde gezeigt, welches Verbrechen man damit beging, „etwas Besseres“ sein zu wollen als alle Anderen.
Immer wurde darauf geachtet, die emporragenden Köpfe noch schneller abzuschlagen, immer unter der ständigen Angst der imperativen Kräfte, es könnte da mal Einer kommen.
Nun – irgendwas ist schiefgegangen. Irgendwas hat nicht geklappt. Irgendwo gab es etwas, was sie nicht gesehen haben, weil sie dorthin nicht schauen konnten.

Es ist ohne Frage ein Wendepunkt in dem eingetreten, was wir Geschichte nennen. Ein paar Geister der Vergangenheit sind wieder mitten unter uns, und sie sind nicht alle schlecht.
Wäre das so, hätten wir längst verloren. Dann wäre unsere Arena bereits leer – weil sie nicht mehr gebraucht würde.

Es gibt immer mehr, als wir zu sehen im Stande sind. Dafür reichen unsere Sinne aber weiter, als wir meisten Willens sind zu begreifen.
Es gibt niemanden von uns weil einmal 2 Menschen mit einem Rechenschieber eine Kalkulation aufgemacht haben, die meisten Dinge tun wir, weil sie uns so gefallen und nicht um daraus irgendeinen Profit zu ziehen. Nur wird uns ständig eingeredet, dass ausgerechnet DAS am Wenigsten wert sein soll an uns.
Es wir uns ständig eingebleut, dass wir nichts wert sind, wenn wir andere in ihrem Wert nicht mindern oder herabwürdigen, das ewige letzte Gefecht wird uns eingesäuselt und mutiert zu einem endlosen Wartesaal des Nichts, unserer Arena.

Ein nicht endenwollendes Blabla, ein Geschwätz aus scheinbar 1000 Kehlen, immer schön bunt, immer hektisch, immer fordernd, mach dies, mach das, sonst bist Du nicht dabei, hebt uns trotzdem nicht über die Ebene des Zuschauers, ob nun als Pöbel oder Proletariat der Arena.
Das ewige Spiel des „Entertainments“, das nichts ist und alles sein will, belagert unsere innere Schutz- und Trutzburg, bis sie sich stürmen lässt, zum Wohlgefallen der Tribüne, der wir dann wunderbar sanftmütig und gebrochen ein „ich liebe Euch doch alle“ entgegenseufzen, ein Winke-Winke noch, Melodie, Abgang, Werbepause. Ein Ende hat das nicht mehr.

Wo ist die Utopie? Wo ist der Traum, den man hatte, die Inspiration, die einmal leuchtete, das Ding, was es mal war und – schwupp – verschwand, das Ziel, der Weg, das irgendwas, was man nicht sieht und man doch weiss, dass es da ist, die dunkle Materie, aus der die Zeit gemacht ist…

Nun – ich kann´s Euch nicht sagen. Aber ja, ich sage Euch, wenn wir uns mal umschauen, dann werden wir´s irgendwie finden, wisst Ihr. Es gibt so kluge Sprüche, die brauch man nicht erfinden, nur immer wieder erzählen.

Alles was ich sage ist, niemand braucht mir Mut zuzusprechen. Das werde ich tun.
Es brauch mir auch niemand Glück zu wünschen. Das werde ich mir schon holen.
Es braucht auch niemand glauben, dass ich ihn oder sie nicht höre, wenn mir was gesagt wird, das tue ich und zwar sehr genau.
Ich werde versuchen, zusammen mit meiner Mannschaft, dieses Raumschiff sicher auf Kurs zu halten und dem Ziel immer zugewandt zu sein. Manchmal kann das heissen, einfach nur stillzustehn und sich darüber bewusst zu sein, dass überall, wo wir hier sind auf diesem kleinen Planeten, immer in 20 Kilometern der Weltraum anfängt, soviele Bilanzen wir auch erstellen, soviel Kleingedrucktes wir auch entwerfen und so sehr wir das auch versuchen, durch ständiges Klebenbleiben an irgendeinem Unsinn zu übersehen.

Ich möchte es zum Schluss mit dem grossen Diktator sagen – denn das war nur einer:
der Charly. Der Chaplin.

SCHAUT NACH OBEN.
SCHAUT NACH OBEN…

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