Rechte, Presse und CDU kriegen Angst vor SPD und Beck

Berliner Republik: Ganze Myraden aufgescheuchter Schlappohren und -hüte gackern sich zur Zeit durch die Gazetten. Wieder einmal nichts mitbekommen, „Antragskommission, was ist das“, der Machtkampf in der SPD längst zugunsten des Vorsitzenden Kurt Beck entschieden, jammert man sich jetzt eins und trauert um die fetten Jahre, die unwiederbringlich vorbei sind. Am Horizont droht eine SPD-Regierung, die die Merkel-Minister Müntefering, Steinmeier und Steinbrück um jeden Preis verhindern wollen.Der parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Norbert Röttgen, warf SPD-Chef Kurt Beck vor, mit seinen Änderungsvorschlägen die „Geschäftsgrundlage der Koalition“ zu verändern (1). Es gehe Beck darum, seine eigene Position auch mit Blick auf die Kanzlerkandidatur der SPD zu retten (1). Dabei hatten doch Aussenminster Frank Steinmeier zusammen mit dem Wackelkandidaten Peter Struck als Fraktionsvorsitzenden der unruhigen SPD-Fraktion Beck vor einigen Monaten als „Rampensau“ bezeichnet und ob der miesen Umfragen der SPD-„Regierungspartei“ unter Merkel flugs zum Kanzlerkandidaten ausgerufen (9). Was beschweren sich die Herren denn jetzt beim zukünftigen Kanzler, wenn er gedenkt den Willen von 85% der Wähler (8) umzusetzen?

Der Arbeiterführer aus Nordrhein-Westfalen, Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU), hoffte heute öffentlich-medial, „dass die SPD sehr schnell, vielleicht noch vor ihrem Parteitag, die Debatte beenden kann“, so Rüttgers im Morgenmagazin von ARD und ZDF. Wichtig sei, dass daraus „keine Machtfrage“ werde. (1)
Er tut gerade so, als hätte er die Wahl in Nordrhein-Westfalen nicht gegen Peer Steinbrück gewonnen, dem er heute den Rücken stärkte. Offensichtlich will die CDU ihre hilfreichen Verlierer noch ein wenig bei ihrer dünner werdenden Stange halten.

Fraktionsgeschäftsführer Röttgen sagte übrigens zu der Tatsache, dass auch ein CDU-Parteitag Änderungen beim Arbeitslosengeld-I-Bezugs beschlossen hatte, damals sei es nicht um einen Kurswechsel gegangen. Da werden selbst Mikrofone schwach.
Auch der Sprecher vom lange Zeit unsichtbaren, und nur deshalb allmächtigen „Seeheimer Kreis“ in der SPD, Johannes Kahrs, ging nach der guten, alten Schule der Propaganda vor: glaubt Dir keiner mehr, fang einfach an zu blödeln. Er sagte noch am 1.Oktober, „eigentlich könnten wir jeden Tag über die Agenda jubeln“ (8). Genauso wie der FDP-Generalsekretär Gerd Niebel, der sich auch heute wieder gefährlich ins Abseits redete, verdrängte Kahrs die wirtschaftlichen Realitäten und führte gesunkene Arbeitslosenzahlen auf Kürzungen von Zahlungen an Erwerbslose zurück. Dabei sind sogenannte „1-Euro-Jobs“ selbst nach den geltenden Menschenrechten Ausbeutung, trotzdem verschwinden diese modernen Sklaven aus der Arbeitslosen-Statistik.
78% der Deutschen sind der Meinung, dass der sogenannte „Aufschwung“ weder existiert, noch mit ihnen irgendwas zu tun hat, nur 18% (!) glauben, dass die CDU soetwas wie Kompetenz für soziale Gerechtigkeit besitzt und immerhin 48% sind für die Anhebung der Armutssätze von Hartz IV.
Ganze 85 Prozent, die überwältigende Mehrheit der deutschen Bevölkerung, sieht die Verlängerung der Arbeitslosengeldzahlungen an Ältere als einen Beitrag zur sozialen Gerechtigkeit (10). Trotzdem verlor sich FDP-Generalsekretär Niebel heute auf N24 in nicht nachzuvollziehenden Begründungen, warum diese Massnahme in Wirklichkeit „unsozial“ sei. So schafft man Linkskoalitionen.

DER ENTSCHIEDENE MACHTKAMPF UND DER UNFASSBARE PARTEITAG

Nochmal in Zeitlupe:
Abstimmungen auf Parteitagen werden organisiert. Wie George Orwell in „1984“ einmal geschrieben hat, ist „eine herrschende Gruppe so lange eine herrschende Gruppe, als sie ihre Nachfolger bestimmen kann.“ (2)
Nun, die in Jahrzehnten eingeübten und perfektionierten Mechanismen eines echten Parteitags einer echten Partei laufen so: bereits im Vorfeld wird alles abgeklopft und abgesprochen, welcher Antrag durch wen eingereicht werden darf, wann er behandelt wird, wie die Tagesordnung sich zusammensetzt, wer die Gegenrede hält wenn Anträge von einfachen Mitgliedern oder andere, niedrigen Parteipöbel gestellt wird, usw. Dreh- und Angelpunkt der ganzen Geschichte ist in der SPD die mächtige „Antragskomission“. Die FAZ, die wieder einmal versuchte mit ihre klitzekleinen Schlappöhrchen, den süssen, mit Stacheln gespickt hinterherzuhoppeln, benutzte am 4.Oktober bezüglich der Zusammensetzung dieses Gremiums genau dreimal das Wort „unkalkulierbar“ (3). Das bedeutet für einen Reaktionär „unfassbar“.

Zitat aus dem Artikel:
„Ehedem war lange Jahre Herbert Wehner ihr Vorsitzender gewesen. Bevor Rudolf Scharping 1995 als SPD-Vorsitzender gestürzt wurde, hatte Oskar Lafontaine als Vorsitzender der Antragskommission dort für Mehrheiten gesorgt, die gegen Scharpings Politik gerichtet waren. Als Schröder sich mit seiner Agenda-Politik den Entscheidungen der Parteitagsdelegierten stellte, verließ er sich – erfolgreich – auf Kurt Beck als Vorsitzenden der Antragskommission. Zurzeit ist es die Bonner Oberbürgermeisterin Bärbel Dieckmann, die noch stellvertretende SPD-Vorsitzende ist. Wegen der Verkleinerung der Zahl der Stellvertreter des Parteivorsitzenden wird sie auf dem Parteitag jetzt für den Vorstand kandidieren – mit dem Ziel, wieder ins SPD-Präsidium gewählt zu werden.“ (3)

Bärbel Diekmann ist verheiratet mit Jochen Dieckmann (4). Jochen Diekmann wiederum war ab März 1999 Justizminister unter dem späteren Hartz IV-Bundeswirtschaftsminister und damaligen SPD-Ministerpräsidenten Wolfgang Clement. Als der nach Berlin, in die grossem, weite Welt ging, wurde Multitalent Diekmann Finanzminister unter Peer Steinbrück. Als der vom Wähler eigentlich in die Wüste geschickt wurde, aber dank Gerhard Schröder dann auch noch nach Berlin kommen musste, wurde Diekmann zum Dank für seine ausserordentlichen Leistungen im Verlierer-Kabinett von der SPD In NRW erstmal zum Landesvorsitzenden gemacht. Am 1.März 2007 hatte er keinen Bock mehr, er arbeitete eh schon seit Januar für eine Bonner Anwaltskanzlei. Er bestimmte aber noch schnell seine Nachfolgerin: die derzeitige SPD-Vorsitzende Hannelore Kraft.

Eben diese Hannelore Kraft – SPD-Vorsitzende durch Vorschlag des Ehemanns der Vorsitzenden der Antragskommission für den nächsten Parteitag, Bärbel Diekmann – äusserte sich jetzt unterstützend für Kurt Beck und seinen Vorschlag zur Verlängerung der ALG I-Zahlung für Ältere. (6)
Eigentlich kein Wunder – hatte sich Kurt Beck bei einem vertraulichen Treffen in der Berliner Zentrale „Willy Brandt Haus“ mit den Landesvorsitzenden und Bezirkschefs der SPD doch auch mit ihr abgesprochen, bevor er diesen Vorschlag lancierte. (3)

Dieser kleine Exkurs dürfte verdeutlichen, warum sowohl Franz Müntefering und Peer Steinbrück innerparteilich isoliert und auf dem absteigenden Ast sind. Desweiteren scheint aber auch die Handlungen des SPD-Vorsitzenden Kurt Beck reine Notwehr zu sein, da er nicht nur von seiten der Merkel-Minister angegriffen wird, sondern auch unter gewaltigem Druck von unten steht. Die Antragskommission ist keinesfalls unter der Kontrolle von Bärbel Diekmann, der SPD-Bundesparteitag verspricht das zu werden, was er seit dem Sturz des SPD-Vorsitzenden Rudolf Scharping nicht mehr war: spannend.

Diesmal dürfte es aber nicht auf einen Sturz, sondern geradezu auf eine Krönung des derzeitigen Vorsitzenden hinauslaufen. Abserviert werden die Mitglieder der alten Schröder-Riege, in einem ganz normalen Machtwechsel.
Die herrschende Gruppe bleibt dabei die gleiche. Es braucht also niemand weinen.

Es sei denn vielleicht diejenigen, denen auch das schon zuviel Demokratie ist, weil sie eigentlich viel weniger wollten – und das mit einem ganz plötzlichen Urknall…

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04.09.07
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http://radio-utopie.de/archiv.php?themenID=897&JAHR_AKTUELL=2007&MON_AKTUELL=9

Quellen:
(1)
http://www.tagesschau.de/inland/spdstreit12.html
(2)
http://www.scribd.com/doc/53796/Orwell-1984
(3)
http://www.faz.net/s/Rub594835B672714A1DB1A121534F010EE1/Doc~EAA541A88E5E74355BD68D58C4AB316BA~ATpl~Ecommon~Scontent.html?rss_googlefeed
(4)
http://de.wikipedia.org/wiki/B%C3%A4rbel_Dieckmann
(5)
http://de.wikipedia.org/wiki/Jochen_Dieckmann
(6)
http://www.rundschau-online.de/html/artikel/1190991953714.shtml
(7)
http://radio-utopie.de/archiv.php?themenID=897&JAHR_AKTUELL=2007&MON_AKTUELL=9
(8)
http://www.tagesschau.de/inland/interviewkahrsspd2.html
(9)
http://radio-utopie.de/archiv.php?themenID=897&JAHR_AKTUELL=2007&MON_AKTUELL=9
(10)
http://www.tagesschau.de/inland/deutschlandtrend4.html

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