Dresden: Vor allem Innenminister Geert Mackenroth habe die Obhuts- und Fürsorgepflicht gegenüber dem ehemaligen OK-Ermittler Georg Wehling vom 26.Kommissariat („Die Unbestechlichen“, 1) „handgreiflich verletzt“, so gestern dessen Anwalt Steffen Soult. „Auf Grundlage hanebüchener und zugleich schludrig zusammengeschusterter Vorwürfe“ gehe die Regierung erneut „mit aller Macht“ gegen Wehling vor. Ein Vernehmungsprotokoll von Wehling – in den Händen der Staatsanwaltschaft Dresden – wurde dem „Focus“ zugespielt. Wehling und der SPD-Landtagsabgeordnete Karl Nolle erstatteten deswegen gestern Strafanzeige wegen Geheimnisverrats – gegen „Unbekannt“… (2)Zuerst einmal muss man die Dimension der Verbrechen in Sachsen begreifen: Schwerststraftäter sind bis heute in der Justiz, in der Parteien-Politik und im Sicherheitsapparat in Amt und Würden. Niemand unternimmt etwas, alle decken sich gleichzeitig. Nach ersten Berichten wurden die Konzernmedien offensichtlich von ganz oben angewiesen, die Ermittler in den Dreck zu ziehen und die Karriere-Krähen zu decken, damit die nicht um sich hacken.
Ein unvollständige Zusammenfassung. Mehr dazu auf der Webseite des unersetzlichen „Last SPD-Abgeordneten Standing“, Karl Nolle.
http://www.karl-nolle.de/medienservice/pdfrtf.php?grp0=37
DIE IMMOBILIE RIEMANNSTRASSE UND DIE GESCHICHTE EINES MORDVERSUCHS
(alles zusammengetragen und recherchiert in Quelle 3)
Die Anwältin Sieglinde Buchner-Hohner bekommt 1994 für 350 000 DM ein schmuckes Eckhaus in der Leipziger Südvorstadt, Riemannstraße 52, obwohl 2 Immobilienhändler aus Bayern, Josef Schmid und Manfred Schneider, sich bereits mit den „Alteigentümern“ auf 680 000 DM geeinigt hatten.
Der damalige Lebensgefährte von Buchner-Hohner war der Vizepräsident des Landgerichtes Leipzig, Jürgen Niemeyer.
Die bayrischen Konkurrenten erwirken einen Gerichtsbeschluss gegen den Kauf.
Dieser wird durch das Landgericht nach einiger Zeit aufgehoben.
Die beiden Richter am Landgericht, die die Aufhebungsverfügung nach dem „Investitionsvorranggesetz“ unterzeichnet hatten, gehörten zum Freundeskreis des damaligen Richters Norbert Röger, welcher wiederum ein enger Freund des Vizepräsidenten am Landgericht Niemeyer war.
Niemeyer gab zu, nach dem Vorgang selbst 2 Immobilien in der Riemannstrasse gekauft zu haben.
Die Immobilienhändler Schmid und Schneider:“Da waren wir leicht verärgert.“
2 Monate vor der entscheidenden Verfügung zu Lastern der beiden leicht verärgerten Bayern:
Der 47-jährige Jurist Martin Klockzin, ab 1994 bei der Leipziger Wohnungs- und Baugesellschaft mbH (LWB) als Chefjustiziar vor allem für die Rückübertragung von Grundstücken an die Alteigentümer zuständig, öffnet am 17. Oktober 1994 um kurz nach 23 Uhr seine Wohungstür und wird 5 mal in die linke Körperhälfte geschossen.
Verurteilt werden kurz nach der Tat 4 Tatverdächtige zu dreimal lebenslänglich und einmal 12 Jahren.
Der Richter: Günther Schnaars, enger Freund des stellvertretenden Behördenleiters der Staatsanwaltschaft Leipzig Norbert Röger, dieser wiederum ein enger Freund vom Vizepräsidenten am Landgericht Leipzig Jürgen Niemeyer.
Die Lebensgefährtin von Niemeyer, Anwältin Sieglinde Buchner-Hohner, hatte das Haus in der Riemannstrasse gekauft.
Trotz gegenteiliger Ankündigungen ermittelt das LKA nicht in dem Fall.
Zu den Hintermännern der Tat wird bis 1999 nichts bekannt.
DIE HINTERMÄNNER UND IHRE DROHUNG
Dann denkt sich Georg Wehling, damals Kommissariatsleiter der „Unbestechlichen“ vom Dezernat 26 für organisierte Kriminalität in Leipzig, da müsste doch was gehen.
Er holt also einen der Verurteilten aus dem Knast, verkabelt ihn mit Mikrofonen und Aufnahmegerät und schickt ihn am 27. Oktober 1999 gegen 0.45 Uhr auf ein Grundstück in Leipzig, wo er die bayrischen Immobilienhändler Schmid und Schneider antrifft und mit ihnen bis 2.30 Uhr in einer Hofeinfahrt spricht.
Dabei reden sie auch über die Schüsse 1994 auf Klockzin.
Beide erklären, dass sie ihm lediglich eine Abreibung verpassen wollten.
Das Gespräch wird aufgezeichnet.
Beide werden für kurze Zeit in Untersuchungshaft und letztlich wegen „Anstiftung zur gefährlichen Körperverletzung“ zu einer Zahlung von je 2500 DM an die Opferorganisation „Weißer Ring“ verurteilt.
Einer der beiden Bayern sagt noch, er habe sich all die Jahre gewundert, dass sie nie als Zeugen aussagen mussten, obwohl ihr Name in dem Prozess gegen die vier Täter gefallen sei.
Ursprünglich soll der gleiche Richter von damals, Günther Schnaars, die Verhandlung gegen die Bayern führen.
Die Befangenheitsanträge gegen ihn werden nicht mehr behandelt.
Mit Wirkung zum 1. Januar 2001 wird er zum Vorsitzenden Richter des Ersten Strafsenats beim Oberlandesgericht Dresden ernannt.
Wiederaufnahmeverfahren der veruteilten Täter werden allesamt abgeschmettert – vom Oberlandesgericht Dresden.
In den Dossiers des Verfassungschutzes steht nun folgendes:
die bayrischen Immobilienhändler Josef Schmid und Manfred Schneider hätten mehrfach gedroht, sie würden über die „Problematik der Kinderfickerei“ auspacken.
Wen warnten sie? Warum kamen sie davon?
DER DEAL DES SEXUALVERBRECHERS MICHAEL WÜST MIT DER LEIPZIGER JUSTIZ
Leipzig nach dem Anschluss an Westdeutschland:
Die Unterwelt der Zuhälter, Trieb-Bediener der Reichen und „Anständigen“ auf der dunklen Seite der Medaille einer neobürgerlichen Gesellschaft, hat sich den Leipziger Raum im „Zwölferrat“ aufgeteilt.
Im Bordell „Jasmin“ in der Merseburger Straße 115 kommt es zur kommerziellen, auf Handelsbasis organisierten Vergewaltigung und sexuellen Ausbeutung von Kindern.
„Kunden“, also Schwerststraftäter: die noble, betuchte, feine Schlipsträgergemeinde der Oberschicht von Leipzig.
Mitinhaber des Bordells: der Polizist G.
Gegen ihn laufen später Ermittlungen. Ende Januar 1993 stürmt ein Sondereinsatzkommando der Polizei das Bordell.
Gegen Wüst lief ein Verfahren wegen Menschenhandels, Zuhälterei und Kindesmissbrauchs.
Richter im Prozess: Jürgen Niemeyer.
Wüst kommt mit vier Jahren Haft davon, wovon er zwei Jahre und elf Monate absitzen musste. „Ich selbst habe mit einem Urteil nicht unter zehn Jahren gerechnet“, so Wüst heute. „Und ich war froh, dass ich da gut rauskam.“
Es gab zwischen Richter Niemeyer und Zuhälter Wüst offenbar einen Deal.
Wüst erklärte Jahre später in einer Zeugenaussage bei der Staatsanwaltschaft Leipzig am 16. Juni 2000, die der Berliner Zeitung „Tagesspiegel“ vorliegt: „Ich bleibe bei meinem Standpunkt, dass die Gesamtfreiheitsstrafe, die ich letztlich bekommen habe, damit zusammenhängt, dass ich zu Freiern keine Aussagen gemacht habe beziehungsweise dass ich keine `dreckige Wäsche` gewaschen habe. So war es auch vereinbart gewesen im Vorfeld der Gerichtsverhandlung und nicht erst während der Verhandlung.“
Wüsts damalige Anwältin erklärte in einer Zeugenaussage, sie könne sich nicht mehr an jede Einzelheit erinnern.
Dazu ist in den Geheimdienstakten des VS vermerkt:
„Niemeyer habe darauf hingewirkt, dass gegen Wüst ein deutlich geringeres Strafmaß verhängt wurde als ursprünglich vorgesehen – anstatt der drohenden zehn bis zwölf Jahre Freiheitsstrafe sei Wüst zu nur vier Jahren Haftstrafe verurteilt worden. Auf diese Weise habe Niemeyer den Wüst „ruhigstellen“ und verhindern wollen, dass Wüst andere hochrangige Personen im Zusammenhang mit dem ehemaligen Kinderbordell von Wüst belastet“, heißt es dort.
Niemeyer ist seit 2004 niedergelassener Anwalt in München.
Gegenüber dem Tagesspiegel sagt er, es unterliege dem Dienstgeheimnis, darüber genauer Auskunft zu geben.
„Ich habe aber nie Absprachen getroffen, die etwas anderes zum Inhalt hatten als Zeugen zu schützen.“
In den Verfassungsschutzmaterialien steht weiter, dass die Juristen Norbert Röger, Jürgen Niemeyer und der später niedergeschossene Chefjustiziar der Leipziger Wohnungs- und Baugesellschaft mbH (LWB) Martin Klockzin seit zirka 1992 Kontakte zum Zuhälter Michael Wüst unterhalten haben.
Wüst dementiert das nicht, verweigert aber weitergehende Aussagen.
Röger und Klockzin lehnen eine Stellungnahme ab, während Niemeyer von einer „unglaublichen Diffamierung“ spricht.
DIE ROLLE DES LANDESKRIMINALAMTES (LKA)
Kommissar Georg Wehling vom 26.Kommissariat wühlte auch nach den Ermittlungen zum Mordversuch an Klockzin weiter.
Misstrauisch geworden beschäftigte er sich nun mit der geringen Haftstrafe von Zuhälter Wüst durch Richter Niemeyer.
Der Kommissar lässt die Prostituierten von damals ermitteln und legt ihnen eine polizeiliche Lichtbildmappe mit dem Aktenzeichen 400 UJS 2113/00 vor.
Mehrere Frauen erkennen darauf den früheren LWB-Manager Klockzin.
Auch die bayrischen Immobilienhändler Schneider/Schmid, die Hintermänner des Attentats auf Klockzin, werden von Prostituierten mehrfach als Besucher im „Jasmin“ identifiziert. Lichtbildmappe und Zeugenaussagen liegen dem „Tagesspiegel“ vor.
Kommissar Wehling stapft weiter ermittelnd durch den Sumpf des Verbrechens.
Seine Ermittlungen gegen das Kinderbordell „Club Rose“ verläuft im Sande, nachdem ein V-Mann verpfiffen wird.
In den Akten des Verfassungschutzes findet sich die Bemerkung, es gebe einen „ernst zu nehmenden Hinweis“, dass der damalige stellvertretende Behördenleiter der Leipziger Staatsanwaltschaft, Norbert Röger, „aufgrund seiner guten Kontakte“ zu Personen des Leipziger Rotlichtmilieus „Tatverdächtige über geplante bzw. laufende operative“ Maßnahmen der Strafverfolgungsbehörden informieren ließ.
Röger verweigert gegenüber dem „Tagesspiegel“ dazu die Aussage.
Noch diesen April wird er vom Justizminister Geert Mackenroth (CDU) zum Chemnitzer Amtsgerichtspräsidenten befördert.
Wehling und die „Unbestechlichen“ vom Leipziger 26.Kommissariat dagegen bekommen dafür jede Menge Ärger – und zwar von den Landespolizisten des LKA, welches dem sächsischen Innenministerium unterstellt ist.
Das startet 2002 sowohl in den Wohnungen als auch in den Diensträumen der OK-Ermittler eine Razzia, beschlagnahmt alle Daten von Informanten, liesst alle Telefonnummern aus Handys aus und leitet gegen die Beamten eine Flut von Verfahren ein.
Allein gegen Kommissar Wehling werden neun Ermittlungsverfahren angestrengt: von Strafvereitelung im Amt über die Anstiftung zum Fahren ohne Führerschein bis zu uneidlichen Falschaussagen. Acht Verfahren werden eingestellt, in einem wird er freigesprochen.
In einem Falschgeldprozess versucht das LKA Verdächtige zu falschen Beschuldigungen gegen die sie ermittelnden Polizisten um Kommissar Wehling zu erpressen.
Als der Anwalt eines der Verdächtigen, Steffen Soult, davon erfährt und nach der Anzeige wegen Verdachts der Strafvereitelung im Amt gegen Wehling und andere Polizisten auch das Mandat für einen der Beschuldigten vom 26. übernimmt, wird ihm schriftlich von einem Dresdener Oberstaatsanwalt mitgeteilt, dass wegen der Mandatsverhältnisse ein Interessenkonflikt bestehen könne.
Soult:“Das stimmte natürlich nicht, weil es zwei Mandanten in zwei Verfahren gab. Aber ich hatte Einsicht in Unterlagen, die möglicherweise auch für das andere Verfahren wichtig waren.“
Mehrfache Versuche von Kommissar Wehling sich gerichtlich zu wehren, verhindert die Leipziger Justiz.
Ein letzter Klageerzwingungsantrag wird im März 2007 abgewiesen:
vom Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dresden, Günther Schnaars.
Wehling wird in die kriminaltechnische Abteilung versetzt, wo er bis heute ist.
Gegen ihn läuft z.Z. ein disziplinarrechtliches Verfahren, weil er angeblich einer der V-Männer beim Landesamt für Verfassungsschutz gewesen sein soll. Er bestreitet diese Vorwürfe. (3)
DIE KRÄHEN
(Alle Quellen unter 4)
Im Juni wurde öffentlich, dass das LKA Sachsen den NPD-Abgeordneten Petzold mit Aktenzeichen diverser behördlicher Vorgänge und detaillierten Informationen zu früheren Angehörigen des der Polizeidirektion Leipzig unterstellten Kommissariats 26 versorgt hatte.
Angeblich suchte das LKA Sachsen unter Landespolizeipräsident Klaus Fleischmann im Juni nach der undichten Stelle.
Dabei berichtete der sächsische Landtagsabgeordnete Volker Külow (Die Linke) bereits sehr genau, wo das LKA suchen könnte, wenn es denn wolle – im Dezernat 72, Abteilung 7 des sächsischen LKA.
Justizministerin Brigitte Zypries (SPD) und ihre weisungsabhängige Frau Generalbundesanwältin Monika Harms hatten es bereits am 8.Juni abgelehnt in der Mafia-Affäre von Sachsen tätig zu werden, und zwar weil es „zweifelhaft“ erscheine, ob die Erkenntnisse überhaupt einen Anfangsverdacht für die Existenz einer kriminellen Vereinigung belegen könnten.
Manfred Schweizer, von 2000 bis Ende 2004 Polizeipräsident von Leipzig, ist seit Mai 2005 neuer Polizeipräsident von Mittelhessen.
Hessens Innenminister Volker Bouffier (CDU) zeigte sich bei einer Pressekonferenz am 18.Mai 2005 begeistert.
„Manfred Schweizer ist eine überaus qualifizierte Führungspersönlichkeit. Sein polizeilicher Werdegang und die damit verbundenen Qualifikationen bieten die Gewähr, dass er die erfolgreiche Arbeit von Manfred Meise nahtlos fortsetzen wird“, so Bouffier damals im Polizeipräsidium Mittelhessen.
Jetzt fragt sich natürlich – warum servierte Schweizer „Die Unbestechlichen“ vom 26. ab?
Bereits am 9.Mai 2006 mussten sich der sächsische Justizminister Geert Mackenroth (der am 27.Juni zusammen mit Innenminister Albrecht Buttolo von einem Dresdner Anwalt wegen Strafvereitelung im Amt angezeigt wurde) und LKA-Chef Fleischmann (bis 2005 übrigens leitender Oberstaatsanwalt in Chemnitz) in einer hochnotpeinlichen Pressekonferenz herausreden, weil ausgerechnet dem Sexualstraftäter Mario M. im modernen Dresdener Gefängnis unter Polizeiaufsicht die Flucht auf´s Dach gelang.
Eine Erklärung fand man damals nicht. (1)
EPILOG
Stefan Locke von „SZ-online“ gestern dazu im Artikel über den Ermittler Georg Wehling der Unbestechlichen vom 26.Kommissariat:
„Wehling war letzte Woche suspendiert worden, nachdem ihm externe Prüfer grobe Fehler als Chef der Leipziger OK-Beamten attestiert hatten. So hätten fahrlässiger Umgang mit V-Leuten, gefälschte Protokolle und schlampige Aktenführung dazu beigetragen, den Sachsen-Sumpf blühen zu lassen.“ (2)
Wer steht hier auf wessen Seite…?
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Quellen:
(1)
https://www.radio-utopie.de/2007/06/28/sachsen-affaere-npd-und-lka-gegen-ok-ermittler-vom-26-kommissariat/
(2)
http://www.sz-online.de/nachrichten/artikel.asp?id=1656630
(3)
https://www.radio-utopie.de/2007/07/11/milbradt-biedenkopf-und-de-maiziere-der-machtkampf-in-sachsens-mafia
Quellen aktualisiert am 11.04.2015. Der Inhalt wurde nicht verändert.