Die Belagerung und den Fall der Burg Montsegur im Jahr 1244 verbinden die meisten Menschen mit den Katharern, die im 13. Jahrhundert grausam und unerbittlich von der Kirche bekämpft wurden. Diese „Häretiker“ verachteten die Korruptheit einer Kirche, die aus ihrer Sicht absurde Rituale pflegte, um die Bevölkerung in Angst vor dem Fegefeuer zu versetzen und in Abhängigkeit zu halten. Die „guten Christen“, wie die Katharer genannt wurden, betrachteten die Welt als böse, aßen beinahe vegan und verabscheuten Gewalt.Frauen und Männer waren gleichberechtigt, Geschlechtsverkehr außerhalb der Ehe nicht sündhafter als in der Ehe, und Frauen wie Männer konnten „Parfaits“ werden, die selbst den katharischen Glauben verbreiteten und sich an Speisegebote halten mußten, die Anklänge an koschere Küche enthalten, da auch eigenes Geschirr verwendet werden mußte.
Esclarmonde de Foix (1151 – 1215) war eine berühmte Parfaite, deren okzitanischer Name „Licht der Welt“ bedeutet: „She was the daughter of Roger Bernard I, Count of Foix, and of Cecile Trencavel. The name Esclarmonde means „Light of the World“ in the Occitan language. She was a sister of Raymond-Roger de Foix, Count of Foix. She married Jordan III of L‘Isle-Jourdain, lord of L‘Isle-Jourdain. They had several children, among them Bernard, Guillamette, Olive, Othon de Terride, and Bertrand, Baron de Launac.She was widowed in 1200 and, sometime therafter, turned to the Cathar Church. She received the Cathar sacrament, the consolamentum, for becoming a Parfaite, or member of the Cathar Elect, at the hands of the Cathar bishop Guilhabert de Castres in 1204 in Fanjeaux with three other women of high rank, Aude de Fanjeaux, Fays de Durfort, and Raymonde of Saint-Germain. The ceremony was conducted in the presence of her brother, Raymond-Roger de Foix, Count of Foix.“
Sie setzte sich dafür ein, die Mauern der Festung Montsegur in Erwartung eines Feldzugs der Römischen Kirche zu verstärken und nahm 1307 an einem Konsilium von Katharern und Katholischer Kirche teil, das sie vermutlich selbst organisierte. Als sie das Wort ergriff, unterbrach der Leiter der katholischen Delegation, Dominic Guzman, und riet ihr, zu ihren Spinnereien zu gehen, da es ihr nicht angemessen sei, in so einer Versammlung zu sprechen. Damit hatte er die Katharer gegen sich, unter denen Esclarmonde eine wichtige Person war, während seine Seite nicht begriff, wo an seinen Äußerungen der Affront sein sollte. Es war der letzte öffentliche Dialog zwischen Katharern und Kirche, und im Jahr darauf startete Papst Innozenz III die Albigenserfeldzüge. Esclarmonde betrieb mit ihrer Schwägerin Philippa einen Konvent, in dem Mädchen unterrichtet wurden und alte Parfaits ihren Lebensabend genießen konnten. Außerdem gründete sie Konvente, Schulen und Spitäler, was bald von der auf diesem Gebiet nicht aktiven Kirche imitiert wurde.
Das erste Dominikanerkloster von Guzman wurde bei Carcassonne gegründet; einer der ersten Dominikaner war der Inquisitor Bernard Gui, den Umberto Eco in „Der Name der Rose“ verewigte. Im Süden Frankreichs blühten unter dem Einfluss der Katharer Toleranz, Wissenschaft und Handel – beziehungsweise begünstigte die Offenheit in dieser Region wohl auch die Heranbildung einer christlichen Religion, die der Kirche Parole bot. Nach den Massakern und Hinrichtungen im 14. Jahrhundert wurde der Glaube weiter gepflegt, allerdings im Verborgenen. Der letzte Parfait wurde 1321 hingerichtet, Guillaume Belibaste, der sich vor der Verfolgung nach Katalonien in Sicherheit brachte, von einem Spitzel in die Falle gelockt und den Häschern übergeben wurde. Sein Name ist mit dem Dorf Montaillou in Verbindung, in dem viele Frauen und Männer Aussagen vor dern Inquisitoren machen mussten (die keine Folter anwendeten). Diese Verhörprotokolle stellen für die Geschichtswissenschaft einen einzigartigen Einblick in mittelalterliches Leben dar.
Heute leben in Montaillou (etwas unterhalb des damaligen Dorfes) nur mehr 27 Menschen, wovon nicht alle immer im Ort wohnen, während es damals um die 250 waren. Man kann vom Ort aus zu Wanderreittouren auf den Spuren der Katharer starten, mit Merens-Pferden, die einer alten Rasse aus den Pyrenäen angehören. Damals waren Pferde freilich Luxus, sodass nur manchmal erwähnt wird, dass jemand ein Maultier ausborgte. Allerdings hatten die Häscher aus Carcassonne Pferde, was eine besonders bedachte Flucht über die Berge bei Nacht bedeutete, um ihnen zu entkommen. In Montaillou hatte man Schafe, Kühe, Ochsen, baute Getreide und Gemüse an und verdiente sein Geld auch mit Schusterarbeiten, als Schmied, als Schäfer oder als Weber. Einige Familien waren recht wohlhabend und konnten ihre geräumigen Häuser auch aufstocken. Reichtum zeigte sich auch darin, dass man sich gute Weine und eine Vorliebe für Gewürze leisten konnte und Bücher anschaffte, die bis zum Wert eines halben Hauses kosten durften. Freilich verwischte der katharische Glaube die Gegensätze zwischen den Klassen ein wenig, da die letzten Parfaits von Beruf Schäfer oder Handwerker waren.
Plakat zur Uraufführung einer Oper über Esclarmonde, Anfang 20. Jhd.
Zentrum des Hauses war die Foghana, eine Art Wohnküche, in der Kranke auch schlafen durften. Die Schlafgemächer gingen meist von diesem beheizten Raum ab, oft auch die Türen zum Stall. Jedem Haushalt gehörten im Schnitt etwa 10 Personen an, ein Paar mit seinen Kindern oder ein verwitweter Elternteil, Verwandte, die auf dem Hof arbeiteten und deren uneheliche Kinder. Frauen heirateten oft in sehr jung, jedoch als Erwachsene, was bedeutete, dass sie zumindest 14 Jahre alt waren. Auch Beatrice de Planisolle, die aus einer Katharerfamilie aus Cassou stammt, wurde im Alter von 17 im Jahr 1291 verheiratet. Ihr Ehemann Berenger de Roquefort war Kastellan in der Burg bei Montaillou und wohl einiges älter als sie. Über ihre Hochzeit ist nichts überliefert, doch war sie sicher ein gesellschaftliches Ereignis und fand vielleicht in Notre-Dame-des-Carnesses statt, der Pilgerkirche bei Montaillou.
Man weiss nichts über Berenger, der wohl oft abwesend war und sicher kein Katharer. Beatrice hatte 1294 bereits zwei kleine Söhne, deren Namen nicht überliefert sind, und war wieder schwanger. Ihr Verwalter Raymond Roussel begehrte und bedrängte sie und wollte sie dazu überreden, mit ihm wegzulaufen und sich den „guten Christen“ anzuschließen, die in Katalonien Zuflucht fanden. Beatrice schien sich vor allem um ihr ungeborenes Kind zu sorgen, wobei sie auch Angst vor der Reaktion ihres Ehemannes hatte. Raymond schlug ihr vor zu warten, bis sich Berenger auf eine längere Reise begibt. Nach einem Abendessen zu zweit schlich sich Raymond heimlich in Beatrices Kammer und legte sich neben sie, sobald sie eingeschlafen war. In einer Weise, die klarmachte, dass er Geschlechtsverkehr mit ihr haben wollte, wie sie Jahre später zu Protokoll gab.
Sie schrie und rief so ihre Mägde herbei und gab Raymond zu verstehen, dass sein Übergriff nur deswegen keine Folgen hat, weil ihr Ehemann keinen Grund hat, an ihrer Treue zu zweifeln. Sie redeten fortan kaum mehr miteinander, und bald ging Raymond fort. Allerdings pflegte sie zuvor doch vertrauten Umgang mit ihm, da sie mit ihm allein speiste und darüber sprach, wegzugehen. 1295 brachte Beatrice dann ihre erste Tochter, wahrscheinlich mit Namen Beatrice, zur Welt, die 1308 noch lebte, 1320 aber tot war. In jenem Jahr wurde Beatrice von Alazais Rives aus dem Dorf gedrängt, sich doch den Katharern im Ort anzuschließen, die gegenüber den Katholiken deutlich in der Mehrheit waren. Alazais‘ Bruder Prades Tavernier wollte mit Beatrice sprechen, doch sie lehnte es strikt ab, den angehenden Parfait zu sehen, wußte sie doch, welche Strafen darauf standen.
Anfang 1297 fiel Raymond Clergue über Beatrice her und vergewaltigt sie, was Berenger offenbar nicht auf den Plan rief. Vergewaltigung kam mehrfach vor in den Berichten der Menschen aus Montaillou und zog üblicherweise strenge Strafen nach sich, in diesem Fall jedoch nicht. Vielleicht war Beatrices Ehemann auch zu krank, um etwas zu unternehmen oder davon zu erfahren, denn er starb im Jahr 1298. Beatrice zog nach seinem Tod aus der Burg in ein kleineres Haus daneben, da diese nach okzitanischem Recht von den Erben ihres Mannes, also etwa den Söhnen, beansprucht werden konnte, während sie ihre Mitgift zurückerhielt. Sie war inzwischen auch Mutter zweier weiterer Töchter geworden, Condors und Esclarmonde, und begann ein Verhältnis mit Raymond.. 1299 legte Beatrice in der Fastenzeit die Beichte bei Pierre Clergue (geb. um 1270) ab, einem Verwandten von Raymond, der Dorfpfarrer war. Clergue galt als sexuell unersättlich und bekam meistens alle Frauen, die er begehrte. Er eröffnete Beatrice in der Kirche Notre-Dame-des-Carnesses, dass er keine Frau auf der Welt so sehr mag wie sie.
Sie konterte, dass er sie doch nicht auffordern könne, seine Geliebte zu werden, wenn sie mit seinem Vetter Raymond liiert ist, da dieser alles aufdecken würde. Pierre meinte, er könne für sie nützlicher sein und ihr auch mehr Geschenke machen und er wäre auch bereit, sie mit seinem Vetter zu teilen. Beatrice entgegnete, dass sie dann beide Männer verachten würden. Pierre blieb hartnäckig, da er eine Schwäche für Witwen hatte, die man bequem nachts aufsuchen konnte. Für Beatrice sprach aber gerade ihre Witwenschaft gegen ein Verhältnis mit ihm, einem Priester. Pierre argumentierte, dass vor Gott ohnehin jedes „fleischliche Erkennen“ Sünde sei, in der Ehe sogar noch mehr, weil man sich da dieses Umstandes nicht so bewußt ist. Viele Lehren der Kirche seien falsch und nur dazu gedacht, das Volk einzuschüchtern; für ihn zählen die Evangelien und das Vater Unser, während er die Geschichte von Adam und Eva und dem Sündenfall bestreitet. Er wandte sich auch gegen das Inzestverbot, das Brüder und Schwestern voneinander trennte (in der Volksüberlieferung wird übrigens empfohlen, dass höchstens Cousin und Cousine zweiten Grades miteinander Kinder haben dürfen).
Da Beatrice schon bei ihren Erfahrungen mit dem Verwalter Raymond Roussel verquere Ansichten erlebt hatte, die sie ins Bett bringen sollen, wird Pierre mit seiner Masche zuerst wenig Erfolg gehabt haben. Allerdings lehnten viele der einfacheren Katharer Inzesttabus ab und brachten ihre Meinung über die Zeugung von Christus schon mal drastisch und vulgär zum Ausdruck (der katharischen Lehre nach wurde Christus nicht geboren, sondern war „verschattet“ in Maria). Im Juli 1299 gab Beatrice Pierres Werben nach und erhielt fortan zwei- bis dreimal die Woche Besuch von ihm, während sie ihn in zweimal die Woche in seiner Stube besuchte, die mit separatem Eingang im ersten Stock eines Clergue-Hauses lag. Pierre wollte nicht, dass Beatrice schwanger wird, und umwickelte seinen Penis mit einem „etwas“ und darüber einem Stück Leinen. Beatrice trug eine Schnur um den Hals, an der ein Kraut auf Höhe ihrer Vagina baumelte, das empfängnisverhütend gewesen sein soll. Tatsächlich wurde sie nicht schwanger während des Verhältnisses mit Pierre.
Auch am Heiligabend 1299 wollte Pierre mit ihr schlafen und überredete sie mit der Begründung, dass es genauso eine Sünde sei wie an jedem anderen Tag. Am nächsten Morgen las er die Messe, wie so oft, nachdem er mit ihr Sex hatte. Absolution könne ohnehin nur Gott geben, doch er müsse die nutzlose Beichte abnehmen und Absolution erteilen, weil die Kirche sonst keine Einkünfte hätte. Im Jahr 1300 zog Beatrice nach Prades um, wo sie in einem kleinen Haus wohnte, das zwischen die anderen gezwängt war und wo man jedes Geräusch hörte. Pierre liess sie einmal von einem Jungen in die Kirche Saint-Pierre in Prades holen, in der er ein Bett aufgestellt hatte – und man spricht auch heute noch in Montaillou darüber. Bis Ende 1300 dauerte die Affäre der beiden fort, wobei Beatrice entweder 1300 oder 1301 dem adeligen Grundbesitzer Guillaume-Othon de Lagleize begegnete und sich verlobte.
Nach der Hochzeit lebten sie zuerst in Crampagna, wo Pierre Botschaften hinschickte, und dann in der Burg von Dalou. Dort ließ Pierre zuerst ein schönes Hemd als Geschenk hinbringen und erschien dann selbst, um mit Beatrice Sex zu haben, während ihre Dienerin Wache hielt. Sicher hatte sie mit ihrem Ehemann auch ein reges Sexualleben, da 1302 oder 1303 Tochter Ava und 1305 Philippa geboren wurde. Um den Anschien von Frömmigkeit zu erwecken, ging sie manchmal in die Kirche, machte jedoch 1307/1308 eine von Zeugen belegte Bemerkung über den Unsinn von Hostien, die niemals der Leib Christi sein könnten. Sie deutete auf eine Berg und sagte, wenn der Leib des Herrn so riesig wäre, hätten die Priester ihn auch schon längst gegessen. Im Jahr 1308 war Beatrice erneut verwitwet undf lag krank darnieder, wobei sie Besuch von Pierre erhielt. Beatrice genas wieder und ging 1315 ein Verhältnis mit dem jungen Priester Barthelemy Amilbar ein. Sie war etwa 42 Jahre alt und nach eigenen Angaben in den Wechseljahren, ihre beiden jüngeren Töchter lebten noch bei ihr.
Zuerst unterrichtete Barthelemy die beiden Töchter, dann bat Beatrice ihn, abends zu ihr zu kommen. Es war niemand da außer Beatrice, die ihm gestand, leidenschaftlich in ihn verliebt zu sein und mit ihm schlafen zu wollen. Er willigte ein und sie liebten sich sofort in der Eingangshalle, wie er später zu Protokoll gab. Es fand noch viele Male statt, immer dann, wenn die Töchter und die Dienerin tagsüber außer Haus waren. Beatrice hörte davon, dass im katalonischen Pallars-Tal üblich war, dass Priester Konkubinen hatten, sodass sie sich nach Lladros absetzten, im Abstand von zwei Tagen, als in Dalou bereits Gerüchte über ihre Beziehung kursierten. Wo es heute kaum Einwohner, aber Campingplätze gibt, war damals ein lebhafter Ort, an dem Handel getrieben wurde. Sie ließen sich dort vor einem Notar trauen und verbrachten 1316/1317 in Lladros.
Allerdings ist belegt, dass Barthelemy 1317/1318 in einem Vorort von Carcassonne in einer Kirche Dienst tat, und das sicher nicht mit Beatrice als Konkubine unter den Augen der Inquisition. So besuchte sie ihre erwachsenen Kinder und liess sich in Varilhes nieder.
Ein Jahr darauf nahm Barthelemy eine Priesterstelle in der Nähe von Varilhes an, so dass sie ihre Beziehung wohl wieder aufnahmen. Im Sommer 1320 wurde Beatrice zum ersten Mal vom Inquisitor vorgeladen, unter anderem wegen ihrer Äußerung über die Hostie vor Jahren, aber auch, weil ihr Vater Katharer war. Als sie wieder zu Hause war, beschloss sie die Flucht gemeinsam mit Barthelemy, statt erneut befragt zu werden. Die Häscher waren allerdings beritten, wahrand die beiden nur langsam vorankamrn und sicher auch auffällig waren.
In den weiteren Verhören schien Beatrice über Pierre Clergue auszupacken, während sie sich darum bemühte, Barthemely und einige Familien von Montaillou zu schützen. Auch Grazide Lizier sagte über Clergue aus, der sie „sanft“ entjungferte, als sie 14 Jahre alt war und mit dem sie dann ein paar Jahre bis 1320 ein Verhältnis hatte. Am 25.8.1320 wurde Beatrice zum neunten und auch letzten Mal verhört, als sie sich geschwächt und krank fühlte. Fournier wollte wissen, warum sie bei ihrer Flucht einen Lederbeutel dieses Inhalts bei sich hatte: alte Brotstücke, Spiegel, Messer, Weihrauch, Rauke, Samen, blutbeflecktes Leinen, zwei männliche Nabelschnüre. Beatrice vermied es, auf das Brot einzugehen, da dies auf „Häresie“, also von Parfaits gesegnetes Brot hindeutete, war aber ansonsten freimütig. Eine Frau, getaufte Jüdin, habe ihr geraten, die Nabelschnüre ihrer Enkelsöhne aufzubewahren, da sie so niemals vor Gericht verlieren könne. Seither hatte sie aber nicht mit Gerichten zu tun, sodass sie nicht ausprobieren konnte, ob es wirkt.
Dieselbe Frau empfahl ihr auch, das erste Menstruationsblut ihrer Tochter aufzubewahren und dann deren Mann zu trinken zu geben, damit er sich nie für eine andere Frau interessiere. Als die 1305 geborene Philippa zum ersten Mal ihre Tage bekam, merkte die Mutter es, da das Mädchen klagte, es fühle sich nicht gut. Beatrice erinnerte sich an den gegebenen Rat und schnitt ein blutiges Stück aus Philippas Unterhemd, doch war daran zu wenig Blut, sodass sie das Mädchen bat, noch mehr in einem Stück blauen Leinens zu sammeln. Nun sei das Mädchen verlobt und Beatrice habe in jenem Jahr auch zweimal überlegt, dem Verlobten das Blut zu trinken zu geben, dann aber gedacht, es sei besser zu warten, bis sie verheiratet sei und das erste Mal Geschlechtsverkehr hatte. Für die Ranke erfand Beatrice eine Ausrede, da es sich um ein bekanntes Aphrodisiakum handelte und natürlich für Barthelemy bestimmt war. Die Samen des Senfkohls sollten bei Fallsucht (Epiepsie) helfen, die ein Sohn ihrer Tochter Condors hatte, doch weigerte sich die Tochter, das Mittel anzuwenden, und ging mit dem Kind in die Kirche, das seither geheilt sein soll.
Weihrauch wiederum wirke gegen Kopfschmerzen zusammen mit anderen Mitteln, was sie für eine ihrer Töchter brauchte, die dieses Jahr an schlimmen Kopfschmerzen litt. Spiegel und Messer hätten nichts zu bedeuten, auf keinen Fall verwende Beatrice sie für Wahrsagerei. Bis auf das Brot waren es Dinge, die man bei vielen Menschen finden konnte, was auch den Inquisitoren bewusst war. Sie hatten es aber auf Pierre Clergue abgesehen, gegen den sich zuerst ohnehin nur Beatrice auszusagen wagte. Zuvor hielten sie ihn für einen treuen Verbündeten, doch nun erschien er ihnen als der schlimmste Häretiker von Montaillou. Mittlerweile hatten sie auch andere Personen gezielt nach ihm befragt, sodass Beatrices Aussagen bestätigt wurden. Beatrice blieb freilich das Gefängnis nicht erspart, und zwar Alemans, ein turmartiger Bau bei Pamiers, wo auch andere Frauen aus Montaillou inhaftiert waren.Es war sicher nicht das schlimmste Gefängnis jener Zeit, doch hatten andere privilegierte Haftbedingungen, etwa Bernard Clergue, der Bruder von Pierre und ehemals Verwalter des Grafen von Foix, der sich in Alemans frei bewegen konnte.
Und auch Pierre selbst, bei dem nicht bekannt ist, wo man ihn festhielt und der im Jahr 1321 verstarb. Beatrice verbrachte zwei Jahre mit Leidensgenossinnen in Alemans, in den Zellen und in einem großen Saal, wo sie sich aufhalten konnten. Es gab auch Kontakte zu den Männern, wobei Beatrice Barthelemy nie zu Gesicht bekam, aber Bernard immer wieder versuchte, Frauen unter Druck zu setzen, ihre Aussagen zu ändern. Bernard wurde 1321 entlassen und kam 1323 einer Vorladung der Inquisition nicht nach. Im Jahr darauf sagte er dann aus, war aber bereits sehr krank und starb in Carcassonne. Beatrice und Barthelemy kamen 1322 frei, wobei sie die Auflage erhielt, auf Dauer gelbe Kreuze auf ihrer Kleidung zu tragen, die sie als Häretikerin kennzeichneten. Auch ihr Vater war einst dazu verurteilt worden, doch hielten sich damals die meisten Katharer nicht an die Anordnungen. 1329 wurde die Auflage bei anderen Frauen aufgehoben und Beatrice nicht erwähnt, sodass sie entweder wirklich auf Dauer die Kreuze zu tragen hatte oder damals bereits gestorben war. Ebenfalls 1329 wurde Pierre Clergue posthum als Häretiker verurteilt, seine Überreste wurden ausgegraben und verbrannt.
Es kann sein, dass dieser Prozess auf Aussagen der Beatrice de Planisolles auf ihrem Totenbett zurückzuführen ist. Man weiss nichts über sie und Barthelemy nach ihrer beider Freilassung. Der Inquisitor Jacques Fournier wurde 1334 Papst Benedikt XII und liess sich neben der Kirche von Avignon einen prächtigen Palast bauen. Er starb 1342 und seinem Leichnam war wie jenem der „getrösteten“ Katharer keine Totenruhe beschieden, da die Überreste in späteren Jahrhunderten mehrmals ausgegraben und verlegt wurden. Brachte die Inquisition in Erfahrung, dass jemand vor dem Tod das Consolanentum erfahren hatte (Tröstung; der gleiche Name wird für die Ordination katharischer Priester verwendet), so liess sie die Leichen exhumieren und auf dem Scheiterhaufen verbrennen. „Einfache“ Gläubige galten bei den Katharern als Credens und waren nicht den Speisevorschriften der Parfaits unterworfen. Man konte den Kreislauf der Wiedergeburt nur dann unterbrechen, wenn man „getröstet“ starb, sodass viele Menschen auf ihrem Sterbebett das Consolamentum von einen Parfait empfangen wollten.
Im Jahr 1308 erkrankte der 15jährige Guillaume Guilabert aus Montaillou tödlich, er spuckte Blut und hatte wohl Lungenschwindsucht oder Tuberkulose. Der Junge hütete die Schafe seines Vaters und galt als sehr gesellig. Ihm war bewusst, dass er sterben würde, und er wünschte sich die Tröstung. Seine Mutter war dagegen, da sein Tod schon genug Leid über die Familie brachte, doch es setzten sich andere wie seine Schwester Alazais dafür ein. Der Vater wollte nichts damit zu tun haben, und man kam überein, dass er sich mit einer Ausrede zusammen mit dem jüngsten Kind zum Schlafen begeben solle. Nun musste der Parfait Prades Tavernier geholt werden, was nur im Dunkel der Nacht geschehen konnte. Bei solchen Missionen kamen überall Passeurs zum Einsatz, das waren jungen Männer, die den Weg über die Berge in der Dunkelheit fanden und die Parfaits sicher geleiten konnten. Sie wurden auch als Boten eingesetzt, um vor Razzien zu warnen, was Montaillou bald helfen sollte (allerdings kamen die Inquisitoren wieder und umstellten diesmal das ganze Dorf). Als Prades bei Giullaume eintraf, der in der Foghana lag, konnte er nicht mehr sprechen, sodass der Parfait sich zunächst weigerte, ihn zu trösten.
Man musste bei vollem Bewusstsein sein und den Parfait um die Tröstung bitten, da dieser sonst nicht sicher sein konnte, dass es der Wille des Sterbenden war. Allerdings hatten Alazais und andere Guillaumes Wunsch mehrmals gehört und überredeten den Parfait, ihm die Tröstung zu gewähren. Dabei wurde der Junge im Bett aufgerichtet, Prades legte ihm „das kleine Buch“ auf den Kopf (das Johannesevangelium, das für die Katharer eine wichtige Rolle spielte) und tröstete ihn. Jahre später wurde in den Verhören der Inquisitoren genau rekonstruiert, wer anwesend war. Nach der Tröstung durften Sterbende nichts mehr essen, nur mehr Wasser trinken, was Endura genannt wurde. Da man oft nicht sicher war, wie krank ein schwächlicher Mensch war, kam es manchmal vor, dass noch mehr Lebenskräfte in ihm steckten als angenommen, sodass er/sie letztlich verhungerte. Oft weigerten sich aber Angehörige, das Essensverbot einzuhalten und retteten so manch ein Leben.
Eine Getröstete war übrigens auch die Mutter des Priesters Pierre Clergue – vielleicht um ihre Exhumierung zu verhindern, vielleicht auch aus Machtbewußtsein als Angehöriger der wichtigsten Familie im Ort bestattete er sie in der Kirche Notre-Dame-des-Carnesses. Auch als Pierre posthum wegen Ketzerei verurteilt wurde, rührte man jedoch ihre Überreste nicht an. Nach der Vernichtung der letzten Parfaites und der letzten Katharer hatte die Inquisition bald wieder alle Hände voll zu tun: man vertrieb die Juden aus Spanien und dank der Erfindung des Buchdruckes verbreitete sich auch der Malleus Malificarum rasch. Der Hexenhammer strotzt vor Frauenverachtung und ist das Werk zweier Dominikanermönche, die wohl in den Fußstapfen von Bernard Gui und det spanischen Inquisition wandelten. Der Süden Frankreichs ist immer noch „pays cathare“ und in Okzitanien wird immer noch eine andere Sprache gesprochen, auch wenn sie nun wie ein französischer Dialekt klingt.
Alexandra Bader
INFOS:
Biografische Daten
Zeugenaussage von Beatrice de Planisolles
Montaillou auf Bildern
Beatrice de Planisolles bei Wikipedia
Okzitanische Oper über Beatrice
Katharer
Katharer im Languedoc
Katharer-Webseite
Montsegur und die Katharer
Texte über die Katharer
Montaillou
Les Carthares
Belibaste, der letzte Parfait
Parfaits
Bücher:
E. LeRoy Ladurie, „Montaillou – Ein Dorf vor dem Inquisitor“ (2000, Ullstein Taschenbuch), eine Aufarbeitung der Protokolle des Inquisitors Jacques Fournier
Rene Weis, „Die Welt ist des Teufels“ (2003, Bastei-Lübbe Taschenbuch), eine Darstellung der Lebensläufe von Beatrice de Planisolle und anderen, wobei der Autor auch die Originalschauplätze bereiste und fotografierte.
Quelle:
http://www.ceiberweiber.at/index.php?type=review&area=1&p=articles&id=743