Abgang Blocher: Auch in der Schweiz bricht die Demokratie aus

Bern: Das weithin bekannte und beliebte Bundesratsmitglied Christoph Blocher (rechtskonservative SVP) ist nun tatsächlich raus aus der Regierung. Anstelle seiner wurde Eveline Widmer-Schlumpf Bundesrätin, die es im Gegensatz zu ihm irgendwie mit den Menschrechten hat und deshalb in einer Art Demokratiestreich gestern von der Sozialdemokratischen Partei (SP), der Christlichdemokratischen Volkspartei (CVP) und den Grünen mit 125 Stimmen gewählt worden war (2).Man möchte es sich mit dem traditionellen Versteck für deutsche Armutsflüchtlinge und Intellektuelle auf der Flucht ja nicht verderben. Aber man möchte doch zur ersten kleinen Regierungsänderung seit 1959 (1) gratulieren.

DIE REPUBLIK SCHWEIZ, DAS LAND HELVETIEN..

..gönnt sich einen Staat ohne echten Häuptling und Obermufti. Für deutsches Verständis nicht zu erfassen ist die Tatsache, dass es tatsächlich keinen Präsi oder Kanzler gibt. Alle Mitglieder der Bundesregierung (des Bundesrates) sind gleichberechtigt, es gilt nicht das „Mobbing-„, es gilt das „Kollegialitätsprinzip“ (3). In Berlin möchte man weiss werden vor Angst.
In diese Konsensdemokratie passte Christoph Blocher nie, hatte er es doch eher mit der grossen, weiten Welt. Erst kürzlich, am 4. September, zog es ihn in den Norden nach Weimar, an den Ort, wo schon so manches schiefgelaufen ist. Dort traf er sich mit einem guten Bekannten:
dem deutschen Innenminister Wolfgang Schäuble…

DIE FREUNDE DER EUROPÄISCHEN OPER VOM SICHERHEITSSTAAT

Die Innenminister von Deutschland, Österreich, der Schweiz sowie Lichtenstein beendeten damals ein 2-tägiges Treffen. Dort ging es laut Pressemeldungen um die Installierung einer Hausdurchsuchung ohne gerichtliche Kontrolle – Codename:“Online-Durchsuchung“ – im gesamten deutschprachigen Raum.

Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU), Deutschland: „Es kann ja nicht wahr sein, dass etwas, was die SPD gemacht hat, nun deswegen falsch ist, weil der Bundesgerichtshof dafür ein Gesetz verlangt“, so Schäuble zu der durch den BGH für illegal erklärten Inlandsspionage durch den deutschen Geheimdienst „Verfassungschutz“. Er verlangte zum wiederholten Male eine Zustimmung zu dem für illegal erklärten Vorhaben der Inlandsspionage ohne Gerichtsbeschluss.

Innenminister Günther Platter (ÖVP), Österreich:
„Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass der Terrorismus in Europa angekommen ist..Wir müssen mit den Verbrechen Schritt halten.“
Er kündigte entsprechende Maßnahmen analog zu den Plänen Schäubles an.

Innenminister Christoph Blocher (SVP), Schweiz:
„Die Schweiz ist kein Ruheraum für terroristische Aktivitäten“. Auch er hing sich in den Windschatten des grossen Deutschen und erklärte, die Pläne von Wolfgang Schäuble „bis hin zur Onlinedurchsuchung“ voll und ganz unterstützen zu wollen. Die Exekutivbeamten und Befehlshaber der bewaffneten inneren Organe kündigten eine Arbeitsgruppe zur Durchsetzung ihrer Anforderungen an. (4)

DIE AFFÄREN DES HERRN BLOCHER

Zahlreich sind die herzerfrischenden Geschichten um diesen wahren Helveten.
Am 19. März 1994 enthüllten die Luzerner Neusten Nachrichten, dass Christoph Blocher in Abwesenheit seiner Sitznachbarin Lisbeth Fehr (SVP/ZH) im Nationalrat mal eben auch deren Abstimmungsknopf betätigt und so zweimal gestimmt hatte. Nationalratspräsidentin Gret Haller erteilte ihm deshalb einen Verweis. Vielleicht sagte sie auch, „Geh schon, kleiner Rabauke“, wer weiss. (5)

In einem am 5. September 2007 veröffentlichten Bericht der Subkommission EJPD/BK der Geschäftsprüfungskommission über die Vorgänge beim Abgang des Bundesanwalts Valentin Roschacher wurden gegen Bundesrat Blocher heftige Vorwürfe erhoben (Kompetenzüberschreitung, Missachtung der Gewaltentrennung). In der Folge avancierte die Bewertung von Blochers Leistungen als Regierungsmitglied definitiv zum beherrschenden Diskussionsthema im Hinblick auf die Parlamentswahlen vom 21. Oktober 2007, bei denen die SVP schliesslich ihren Stimmenanteil weiter erhöhen konnte – auch für deutsche Verhältnisse völlig einleuchtend.

Schliesslich war der ex-Bankier Oskar Holenweger am am 26. März 2007 in Stuttgart solange um das Gebäude des LKA Baden-Württemberg herumgeschlichen, dass er schliesslich festgenommen wurde, sagt man. Aufgrund der rein zufällig bei Holenweger gefundenen Dokumente ergab sich dann ein Drehbuch von Riesenschlamassel, was 2006 offenbar durch gezieltes Mobbing der Blocher-Partei SVP zum Rücktritt des Bundesanwalts Roschacher geführt hatte. (6)

2003 hatte Roschacher ein Verfahren gegen den Banker Oskar Holenweger eröffnet wegen des Verdachts auf Waschen von Drogengeldern und dem Bewirtschaften schwarzer Kassen des französischen Alstom-Konzerns. Der damalige Bundesanwalt Roschacher hatte bei den Ermittlungen gegen den Bankier auch V-Männer eingesetzt, unter anderem den kolumbianischen Drogenhändler José Manuel Ramos.
Vertrauliche Informationen über die Ermittlungen gegen den Blocher-Spezl und Bankier Holenweger landeten fast im Tagesrhythmus bei der Zeitung „Weltwoche“, deren damaliger Chef, Nationalrat Filippo Leutenegger, ein enger Freund von Oskar Holenweger ist.

Die Vermutung, die in diesem Fall durch die Presse ging: der Bankier Holenweger habe in Stuttgart einen ihm bekannten V-Mann des LKA Baden-Württemberg getroffen und ihm umfangreiche Akten zugeführt. Die Stuttgarter Staatsanwaltschaft sei ebenfalls in die Affäre verwickelt.

Während der Ermittlungen gegen seinen alten Militärkameraden Holenweger hatte der Schweizer „Innenminister“ Blocher versucht, die Ermittlungen an sich zu reissen. Bundesanwalt Roschacher wehrte sich und sprach von einem Angriff gegen die Gewaltenteilung. Letzten Endes musste Roschacher aber 2006 gehen. Die Ermittlungen gegen den mutmasslichen Schweizer Geldwäscher und deutschen LKA-Informanten Holenweger verlaufen dagegen bis heute weiter im Sande… (6)

DIE SCHWEIZ: WO SOLL DAS NOCH ENDEN?

Es bleibt abzuwarten, ob jetzt wegen einer angekündigten SVP-Opposition gleich die Alpen zusammenfallen. Feststeht: Grüne, Christ- und Sozialdemokraten haben einen mutigen Schritt getan, der die Schweiz noch attraktiver für deutschsprachige Auswanderer macht.
Das hat sie nun davon…

Quellen:
(1)
http://www.tirol.com/politik/international/73841/index.do
(2)
http://www.swissinfo.ch/ger/startseite/detail/Bundesratswahl_Warten_auf_Widmer_Schlumpf.html?siteSect=105&sid=8523329&cKey=1197464298000&ty=st
(3)
http://de.wikipedia.org/wiki/Schweiz#Politisches_System
(4)
http://www.radio-utopie.de/archiv.php?themenID=898&JAHR_AKTUELL=2007&MON_AKTUELL=9
(5)
http://de.wikipedia.org/wiki/Christoph_Blocher
(6)
http://www.woz.ch/artikel/2007/nr36/schweiz/15363.html

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