Betreiber von unabhängigen und kritischen Nachrichtenseiten sowie Blogger sind einigen tonangebenden Politikern, diversen Nachrichtendiensten sowie den Mainstream-Medien ein Dorn im Auge. Angriffe und Herabsetzen dieser Seiten im Netz gab es in der Vergangenheit zur Genüge.
Mit ihrer investigativen Aufklärung tragen freie Presseportale wesentlich dazu bei, der täglichen Manipulation der Bevölkerung entgegenzuwirken, denn an einem über die Hintergründe informierten Volk kann man nicht so ohne weiteres immer weiter tiefe Einschnitte in seine demokratischen Rechte mit Hilfe von manipulierten Meldungen unauffällig und widerspruchslos vornehmen.
Um die unabhängige Nachrichtenberichtserstattung im Internet möglichst zu unterbinden, gibt es zwei Möglichkeiten: zum Ersten Kontrolle der Websiten, die bis zum Abschalten führen kann (Gerichtsprozesse, Abmahnverfahren und Störattacken werden verstärkt eingesetzt) und zum Zweiten Verdrängung durch Ausbreitung der Mainstream-Medien wie zum Beispiel ARD und ZDF. Diese streben nach verstärkter Präsenz im Internet und versuchen den unabhängigen freien Medien Konkurrenz zu machen.
Mit dem 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrages, dem letzten Donnerstag die Regierungschefs der 16 Bundesländer auf ihrer Konferenz in Dresden zustimmten, wurde ein“wesentlicher Baustein in der Modernisierung der Medienordnung gesetzt“, wie Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Wolfgang Böhmer (CDU) mitteilte.
Somit stehen ARD, ZDF und Deutschlandradio die modernen elektronischen Medien wie Internet oder Mobilfunk-Geräten offen. Stück für Stück wird die freie private elektronischen Medienlandschaft verdrängt, da die öffentlich-rechtlichen Sender über Gebühren von über 8 Milliarden Euro verfügen und somit ihre Dominanz im Internet voll ausbauen können. Um dies zu verhindern, wurde scheinheilig ein Drei-Stufen-Test eingeführt, der künftig alle neuen oder veränderten Online-Angebote überprüft.
In diesem Test müssen die Sendungen „publizistischen Mehrwert aufweisen“, den „Kostenaufwand feststellen“ und „sendungsbezogen“ sein. „Presseähnliche“ Angebote (genaue Definition wurde nicht gegeben) werden zur Zeit noch untersagt, was aber nur der Verschleierung der versuchten Dominanz der Öffentlich-Rechtlichen dient, da alle Nachrichten, die die Presse täglich kommentiert, selbstverständlich auch thematisch bei ARD und ZDF gesendet werden können. Diese Regelung hat nach Vorstellung von einigen Ministerpräsidenten eine Frist bis 2010, die EU-Kommission möchte diese Frist schon bis Ende 2009 abgelaufen sehen. Dann wollen wir wetten, dass oben genannten „Beschränkungen“ selbstverständlich als überholt fallen werden und die privaten Seiten durch diese Dominanz und auch aus finanziellen Gründen zurückgedrängt werden.
Nun zur ersten Variante der möglichen Ausschaltung unliebsamer Web-Angebote: die Kontrolle. Sie tarnt sich mit der am 23. Oktober 2008 verabschiedeten Pflichtablieferungsverordnung der Deutsche Nationalbibliothek» (DNBG) , in der sie vorschreibt, das deutsche Internet archivieren zu wollen. Hier werden Website-Betreiber zukünftig verpflichtet, ihre Inhalte zur Archivierung einzureichen. Grundlage für die Pflichtablieferungsverordnung ist die Verordnungsermächtigung des §20 des Gesetzes über die Deutsche Nationalbibliothek aus dem Jahr 2006. Gegenstand der Pflichtablieferungsverordnung ist die Sammlung von Netzpublikationen ebenso wie die Sammlung körperlicher Medienwerke.
DNBG: §3(3) Medienwerke in unkörperlicher Form sind alle Darstellungen in öffentlichen Netzen.
Das klingt zunächst einmal sehr großartig, denn es suggeriert Informationsangebote für jetzige und nachfolgende Generationen. Denn wer möchte eine solche gute Sache nicht wollen? Der Haken an der Archivierung ist nur, dass die Kosten für diese die Medienseiten übernehmen müssen. Kommen sie ihrer Pflicht nicht nach, können sie mit einem Bußgeld bis 10 000 Euro zur Kasse gebeten werden
DNBG § 19 Bußgeldvorschriften
(1) Ordnungswidrig handelt, wer 1. entgegen § 14 Abs. 1, 2 oder 3 ein Medienwerk nicht, nicht richtig, nicht vollständig, nicht in der vorgeschriebenen Weise oder nicht rechtzeitig abliefert oder
- 2. entgegen § 17 Satz 1 eine Auskunft nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig erteilt.
- (2) Ordnungswidrig handelt, wer als gewerblich tätige Ablieferungspflichtige oder als gewerblich tätiger Ablieferungspflichtiger eine in Absatz 1 bezeichnete Handlung fahrlässig begeht.(3) Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu zehntausend Euro geahndet werden.(4)Verwaltungsbehörde im Sinne des § 36 Abs. 1 Nr. 1 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten ist die Bibliothek.
Nicht vollständig, nicht rechtzeitig. Wie soll das bei einer Nachrichtenseite im Internet funktionieren, die täglich neue Beiträge veröffentlicht? Auf der Seite der Deutschen Nationalbibliothek findet man dazu folgende Erklärung:
„Webseiten aller Art, z. B. statische und dynamische HTML-Seiten, Weblogs oder Foren, werden noch nicht gesammelt. In einer weiteren Stufe ist das Harvesting solcher Seiten geplant. Die zukünftige Einzelablieferung von Webseiten soll weder über ein Formular noch über eine Schnittstelle aktiv vom Ablieferer geleistet werden. Deshalb wird es auch nicht erforderlich sein, diese Seiten in andere Formate (PDF, TIF) umzuwandeln und sie uns zu übermitteln.
Netzpublikationen (i.d.R. Webseiten), die gewerblichen, geschäftlichen oder rein privaten Zwecken dienen, sind grundsätzlich von der Sammlung ausgenommen.“
Noch nicht gesammelt. Der letzte Satz ist sehr merkwürdig formuliert: was ist denn nun eine Website, die weder gewerblich, geschäftlich oder rein privat ist? Man kann hier einmal raten, vielleicht eine Publikation wie Presseartikel. Aber oben steht „Webseiten aller Art, z. B. statische und dynamische HTML-Seiten, Weblogs oder Foren“. Auch hier kein ausdrücklicher Bezug auf Fach- oder Pressepublikationen.
Wenn also in naher Zukunft „Webseiten aller Art“ gesammelt werden, werden LKA, BKA, BND und das Bundeskanzleramt eine hervorragende Datenbank inklusive Archiv frei Haus geliefert bekommen, die beste Überwachungsmöglichkeiten bietet, die Betreiber dieser Seiten werden nicht erfahren, wie die Auswertung ohne ihr Wissen vonstatten geht. Der Feldzug gegen freie Meinungsäußerungen kann effektiver organisiert werden. Die Betreiber werden nicht gefragt, ob sie diese Zwangsarchivierung überhaupt wollen, sondern per Gesetz dazu gezwungen.
Jeder sollte selber entscheiden können, ob der Inhalt staatlicherseits archiviert wird. Die enormen Kosten der Archivierung bei weit über 10 Millionen Websites in Deutschland dürften den „Nutzen“ bei weitem nicht gerechtfertigen. Ein anderer Gesichtspunkt ist die Frage, welche Inhalte wirklich bleiben oder werden unliebsame Wahrheiten entfernt, wie das bei allen Chronisten der Herrschenden in der Weltgeschichte bisher immer der Fall war?
Ein Beispiel für die Entfernung von brisanten Informationen bietet die Tagesschau vom 7.Juni 2007 17.00 Uhr mit einem entfernten Videobeitrag „Mit Schlauchbooten im Sperrgebiet“ von Robert Bongen, NDR, in dem das Schlauchboot von Greenpeace während des G8-Gipfels überrollt wird, als es die Sperrzone um Heiligendamm durchbrach. Dieses Video ist nicht mehr abrufbar: http://www.tagesschau.de/multimedia/video/video28798.html. .
Zu diesem speziellen Fall der Greenpeace-Aktion existieren bei youtobe zum Glück mehrere andere Videobeiträge, hier ein Beispiel:
Eine weitere Vernichtung von Informationen sind gelöschte Archive aus eigener Veranlassung. Bei heise.de erschien am 27.10.2008 die Meldung, die mich sehr betroffen machte, nämlich dass in den nächsten Tagen damit begonnen wird, Newsticker-Foren sowie andere Foren aus der Datenbank zu löschen, die älter als zwei Jahre sind. Begründet wurde dies mit der Bedeutungslosigkeit des Inhaltes dieser Foren und mit mangelnden Speicherkapazitäten.
Mit Beginn dieser Ankündigung lässt man sich dann noch eine Woche Zeit bis zur Löschung von rund 10 Millionen Beiträgen! Das ist auch eine Form von Auslöschung eines „kollektiven Gedächtnisses“, in dem viele Meinungen und eine sehr grosse Anzahl von zusätzlichen brisanten Hinweisen auf Hintergründe vom Netz gehen. Die vielen Nutzer der Foren wurden sicher nicht gefragt. Die viel zu kurze Frist von der Ankündigung bis zur Löschung der Daten lässt vermuten, dass man den massiven Protesten der Forennutzer zuvorkommen möchte.
Zum Abschluss noch ein Lesetipp: Fahrenheit 451 von Ray Bradbury (451 Fahrenheit oder 232 Celsius – die Temperatur, bei der Papier verbrennt)