Mit unglaublicher Ignoranz und unter dem Vorwand, die vertraglichen Inhalte mit den InvestorInnen schützen zu müssen, hat der Berliner Senat heute die Zulassung des Volksbegehrens „Wasser“ abgewiesen, obwohl statt der erforderlichen 20.000 Unterschriften mehr als 36.000 Unterschriften vorliegen. Der Senat erdreistet sich die Meinung und den Willen der BürgerInnen Berlins in undemokratischer Weise zu unterdrücken. Die Entscheidung des Senats im Einzelnen…
Pressemitteilung des Berliner Senats vom 04.03.2008, 13:55 Uhr
Inneres
Antrag auf Zulassung des Volksbegehrens „Schluss mit Geheimverträgen – Wir
Berliner wollen unser Wasser zurück“ abgelehnt
Aus der Sitzung des Senats am 4. März 2008:
Der Senat hält den Antrag auf Zulassung eines Volksbegehrens „Schluss
mit Geheimverträgen – Wir Berliner wollen unser Wasser zurück“ aus
verfassungsrechtlichen Gründen für unzulässig und lässt dieses
Volksbegehren deshalb nicht zu.
Die Trägerin des Volksbegehrens strebt mit dem Zulassungsantrag die
Verabschiedung eines Gesetzes zur Publizitätspflicht im Bereich der
Berliner Wasserwirtschaft an, mit dem eine vorbehaltlose Offenlegung
sämtlicher Verträge zwischen dem Land Berlin und privatrechtlichen wie
öffentlich-rechtlichen Unternehmen erreicht werden soll, sofern es um
den Kernbereich der Berliner Wasserwirtschaft oder um die Preis- und
Tarifkalkulation geht.
Die formalen Voraussetzungen für die Zulassung des Volksbegehrens sind
zwar erfüllt. Nach Zählung durch die Bezirksämter wurden von der
Trägerin des Volksbegehrens 36.062 gültige Unterstützungsunterschriften
für das Volksbegehren abgegeben. Damit ist der Nachweis erbracht, dass
das Volksbegehren die nach der Verfassung von Berlin für die Zulassung
des Volksbegehrens erforderliche Unterstützung von mindestens 20.000
Wahlberechtigten erhalten hat.
Der vorgelegte Gesetzentwurf ist aber verfassungswidrig, weil er auch
bereits abgeschlossene Verträge uneingeschränkt mit in die
Veröffentlichungspflicht einbezieht und eine Unwirksamkeit vorsieht,
wenn diese Offenlegung nicht innerhalb von drei Monaten erfolgt. Zum
einen werden hier Geheimhaltungsinteressen betroffener Privater außer
Acht gelassen (Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse). Zum anderen läge in
der Unwirksamkeit von Verträgen ein Verstoß gegen Vertrauensschutz und
die Eigentumsgarantie.
Eine Pflicht zur Offenbarung der im Teilprivatisierungsvertrag
enthaltenen Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse würde die Rechte der
privaten Investoren aus Art. 2 Abs. 1 des Grundgesetzes (Recht auf
informationelle Selbstbestimmung), aus Art. 12 Abs. 1 GG (Schutz der
Berufsfreiheit und -ausübung) sowie Art. 14 Abs. 1 GG (Recht auf
Eigentum, hier bezogen auf den eingerichteten und ausgeübten
Gewerbebetrieb) tangieren bzw. aus den entsprechenden Bestimmungen der
Verfassung von Berlin, die nach Art. 142 GG im Rahmen der
Übereinstimmung mit den Artikeln 1 bis 18 GG gelten. Dies bezieht sich
auf Art. 33 VvB (Datenschutz), Art. 17 (u. a. Berufsausübung) und Art.
23 Abs. 1 (Eigentumsgarantie). Insofern ist eine Rechtsgüterabwägung
vorzunehmen, d.h. das gesetzgeberische Ziel (einer Offenlegung des
Vertrages) und die Wirkung des zu seiner Verwirklichung eingesetzten
Mittels sowie die Intensität des Eingriffs in die grundrechtlich
geschützten Rechtsgüter sind im Rahmen einer
Verhältnismäßigkeitsprüfung gegeneinander abzuwägen. Je intensiver in
ein Grundrecht eingegriffen wird, umso gewichtiger muss das Ziel bzw.
Rechtsgut sein, welches damit gefördert werden soll. Im Rahmen einer
Gesamtwürdigung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht
sowie der Dringlichkeit der ihn rechtfertigenden Gründe erscheint die
Grenze der Zumutbarkeit für die Betroffenen im vorliegenden Fall schon
deshalb nicht gewahrt, weil es nach dem Inhalt des Antrags überhaupt
keine erkennbare Abwägung gegeben hat bzw. diese vom Gesetzentwurf
nicht zugelassen wird. Es muss die Möglichkeit einer Abweichung von der
Veröffentlichungspflicht zum Schutz privater Interessen bzw. von
Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen geben.
Der Gesetzentwurf ist daher nach Auffassung des Senats nicht mit
höherrangigem Recht vereinbar.
– – –
Rückfragen: Sprecherin der Senatsverwaltung Berlin für Inneres und Sport,
Telefon: 030 – 9027-2730
Gegen diese Entscheidung müssen unbedingt Rechtsmittel eingelegt werden. Einerseits haben uns die PolitikerInnen vor den letzten Kommunalwahlen in Berlin versprochen, dass die BürgerInnen sich verstärkt in die Entscheidungen des Senates einbringen dürfen. Ein Volksbegehren zuzulassen und den Entscheid (so wie oben begründet) abzuschmettern ist ungesetzlich. Der Senat hätte bereits das Volksbegehren als solches mit dieser Begründung abwenden müssen. Dann wäre den BürgerInnen die Arbeit des Unterschriftensammelns erspart geblieben. Die weitere Untergrabung der demokratischen Rechte findet hier ungeniert ihre Fortsetzung. Wieso steht die Geheimhaltung der Vertragsinhalte gegenüber einer handvoll InvestorInnen über dem Willen der BürgerInnen. Es ist ein Skandal, der mal wieder sowohl von der SPD als auch von der Partei „Die Linke“ getragen wird. Daran ist zu erkennen, wie „sozial“ diese Parteien wirklich sind – es ist eine Frechheit ersten Ranges, die nicht ohne Konsequenzen bleiben darf !