Somalia-Beschluss: Bundeswehr soll in Djibouti und Jemen kämpfen können

Der Vorgang ist brisant. Wie Knut Mellenthin heute in der „Jungen Welt“ schrieb, erlaubt der Regierungsentwurf (Drucksache  Drucksache 16/11337) zur morgigen Ermächtigung des deutschen Verteidigungsministers durch den Bundestag „offenbar auch Landoperationen“ und „kann jederzeit auf »angrenzende Räume und Hoheitsgebiete anderer Staaten« ausgedehnt werden.“

Das heisst konkret: See-, Luft und Landstreitkräfte der Bundeswehr können nach dem zu erwartenden Ja und Amen des Bundestages zum vermeintlichen „Anti-Piraten-Einsatz“ in Somalia nicht nur im Jemen, sondern auch im benachbarten Djibouti (Dschibuti) unmittelbar an der Grenze zu Eritrea operieren.

Dort hat Iran vor einiger Zeit Truppen und ballistische Raketen stationiert, da er auf Importe raffinierter Erdölprodukte durch die Nadelöhre Golf von Aden und Strasse von Hormuz angewiesen ist. Beide Meeresengen sind Mandatsgebiet der im Rahmen der „Operation Enduring Freedom“ (OEF) operierenden US-geführten Flotte  „Combined Task Force 150“, auf die im Ermächtigungsentwurf der Bundesregierung ausdrücklich Bezug genommen wird.

Aus dem morgen zur Abstimmung stehenden Entwurf der Merkel-Steinmeier-Regierung:

„2. Rechtliche Grundlagen
Die deutschen Streitkräfte handeln bei ihrer Beteiligung an der EU-geführten Operation auf der Grundlage des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen von 1982 und der Resolutionen 1814 (2008) vom 15. Mai 2008, 1816 (2008) vom 2. Juli 2008, 1838 (2008) vom 7. Oktober 2008, 1846 (2008) vom 2. Dezember 2008 und nachfolgender Resolutionen des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen in Verbindung mit der Gemeinsamen Aktion 2008/851/ GASP des Rates der Europäischen Union vom 10. November 2008 im Rahmen und nach den Regeln eines Systems gegenseitiger kollektiver Sicherheit im Sinne des Artikels 24 Abs. 2 des Grundgesetzes.“

„Nach den Regeln eines Systems gegenseitiger kollektiver Sicherheit im Sinne des Artikels 24 Abs. 2 des Grundgesetzes“, heisst konkret nach den Einsatzregeln der NATO. Ob die über dem Grundgesetz steht, ist eine alte Frage die nie endgültig geklärt wurde.

„3. Auftrag

f) Herstellung einer Verbindung zu den Organisationen und Einrichtungen sowie zu den Staaten, die in der Region zur Bekämpfung von seeräuberischen Handlungen und bewaffneten Raubüberfällen vor der Küste Somalias tätig sind, sowie zu der im Rahmen der Operation Enduring Freedom agierenden Seestreitkraft „Combined Task Force 150“.“

Am 10.Januar berichteten wir zum US-geführten Einmarsch äthiopischer Truppen in Somalia auch zur „Task Force 150“. Sie war bereits  zu diesem Zeitpunkt schon viermal unter deutschem Kommando. Hauptquartier der Task Force (CTF) 150 ist in Bahrain im Persischen Golf, Logistikbasis in der französischen de-facto-Kolonie Djibouti (Dschibuti) im Roten Meer. In dem winzigen Gebilde waren Anfang letzten Jahres 3000 amerikanische Elite-Soldaten, Agenten und Militäragenten im „Camp LeJeune“ stationiert, darunter eine bedeutende Anzahl von CIA-Agenten.

„4. Ermächtigung zu Einsatz und Dauer
Der Bundesminister der Verteidigung wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesminister des Auswärtigen für die deutsche Beteiligung an der Operation Atalanta auf Grundlage der Resolutionen 1814 (2008), 1816 (2008), 1838 (2008), 1846 (2008) und nachfolgender Resolutionen des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen in Verbindung mit der Gemeinsamen Aktion 2008/851/ GASP des Rates der Europäischen Union vom 10. November 2008 die in den nachfolgenden Nummern 5 und 8 hierfür genannten Kräfte und Fähigkeiten der EU anzuzeigen und – vorbehaltlich der konstitutiven Zustimmung des Deutschen Bundestages – im Rahmen der Operation Atalanta längstens bis zum 15. Dezember 2009 einzusetzen. Die Ermächtigung erlischt, falls das Sicherheitsratsmandat nicht wie erwartet verlängert wird oder vorzeitig erlischt.

5. Einzusetzende Kräfte und Fähigkeiten
Für die deutsche Beteiligung werden folgende militärische Fähigkeiten bereitgestellt:
– Führung,
– Führungsunterstützung,
– Aufklärung, einschließlich der weiträumigen Aufklärung des Einsatzgebietes,
– Seeraumüberwachung,
– Lagebilderstellung und -austausch, einschließlich des Lagebildaustausches mit anderen Organisationen und Einrichtungen zum Zweck der Bekämpfung der Piraterie,
Sicherung und Schutz, einschließlich des Begleitschutzes, der Einschiffung von Sicherungskräften auf zivilen Schiffen sowie der gewaltsamen Beendigung von Akten der Piraterie,
– Ingewahrsamnahme, einschließlich des Zugriffs, des Festhaltens sowie des Transportes zum Zwecke der Übergabe an die zuständigen Strafverfolgungs- organe,
operative Information,
– sanitätsdienstliche Versorgung,
– Evakuierung, einschließlich medizinischer Evakuierung,
– logistische Unterstützung einschließlich Transport und Umschlag.

Weiterhin werden Kräfte zur Verwendung in den zur Führung der Operation Atalanta gebildeten Stäben und Hauptquartieren einschließlich der Kräfte zur Unterstützung der Führungsfähigkeit sowie – soweit erforderlich – Kräfte als Verbindungsorgane zu nationalen und internationalen Dienststellen, Behörden und Organisationen eingesetzt.
Nationale Unterstützungselemente (Logistik, Truppenverwaltung, sanitäts- dienstliche Unterstützung), die in der Region zur Unterstützung deutscher Kräfte aus der Operation Enduring Freedom in Dschibuti eingesetzt sind, können zur Unterstützung von Kräften der Operation Atalanta herangezogen werden.“

Die Ermächtigung für heisst die Ermächtigung der Regierung im Parlamentsauftrag den „Feind“ zu täuschen, die Öffentlichkeit zu belügen und die Bevölkerung zu manipulieren. „Operative Information“ ist der verschämte Begriff des deutschen Militärs für psychologische Kriegführung.

Z.B. für erfundene „Piraten“-Angriffe auf Kreuzfahrtschiffe wie die MS Astor, die dann heldenhaft durch deutsche Kriegsschiffe wie die Fregatte „Mecklenburg-Vorpommern“ gerettet werden, nachdem sie schon vor Monaten unter Täuschungsmanövern der deutschen Militärführung und der Bundesregierung in die Region entsandt worden sind.

„7. Einsatzgebiet
Das Einsatzgebiet der Operation Atalanta umfasst zur See ein Seegebiet bis zu 500 Seemeilen vor der Küste Somalias und seiner Nachbarländer (Area of Operations, AOO). Hinzu kommt der Luftraum über diesen Seegebieten.
Angrenzende Räume und das Hoheitsgebiet anderer Staaten in der Region können zu den Zwecken „Vorausstationierung, Zugang, Versorgung sowie Einsatzdurchführung“ mit Zustimmung des jeweiligen Staates und nach Maßgabe der mit ihm zu treffenden Vereinbarungen genutzt werden.“

D.h., nicht nur in Djibouti, sondern auch im Jemen können nun deutsche Truppen operieren, Hoheitsrechte wahrnehmen und Krieg führen. Wie zum Beispiel zur Befreiung rein zufällig rechtzeitig entführter deutscher Geiseln.

Ein alter Plan der Bundesregierung.

BEREITS 2006 FORDERTE DIE MERKEL-MÜNTEFERING-REGIERUNG EINE DEUTSCHE INTERVENTION IN JEMEN UND OMAN

Bereits am 25.September 2006 forderte der deutsche Verteidigungsminister Franz Jung (CDU) Hoheitsrechte in Jemen und Oman für die deutschen Streitkräfte und Marineverbände (Radio Utopie berichtete am 7.Dezember, sowie zu Beginn der US-geführten Somalia-Invasion am 9.Januar 2007). Damals ging es nicht um „Piraten“. Damals hiess das Alibi

„als Teil des Anti-Terror-Einsatzes „Enduring Freedom“ gemeinsam mit den Seestreitkräften anderer Staaten Nachschubwege von Terroristen blockieren.“

Bereits damals verlangte es die „grosse Koalition“ in Berlin nach einer neuen Kriegsvollmacht. Ausdrücklich verlangte der deutsche Bundesverteidigungsminister die Verfolgung in die „Territorialgewässer“ der Staaten.

Sogar die deutsche Marine zeigte sich darüber verwundert. Der Kommandeur der deutschen Truppe in Dschibuti, Flottillenadmiral Heinrich Lange, sagte damals, aus seiner Sicht sei eine Veränderung des Mandats der Truppe nicht nötig:

„Das Mandat ist robust, wir kommen gut damit aus.“

DIE IRAN-SITUATION

Wie Radio Utopie am 9.Dezember berichtete, hat der Iran über U-Boote und Kriegsschiffe eine unbekannte Anzahl von Truppen und ballistischen Raketen nach Eritrea verlegt um seine Treibstoffversorgung zu sichern. Der erdöl- und gasexportierende Iran ist mangels Raffineriekapazitäten von entsprechenden Einfuhren abhängig und hat diesbezügliche umfangreiche Nutzungsverträge mit dem Regime in Asmara (Asmera) abgeschlossen.

Die USA wiederum haben wegen eines behaupteten und nicht belegten Atomwaffenprogramms des Irans mit einer Blockade der Strasse von Hormuz (Hormus) gedroht. Weitergehende Szenarien in Washington, wie das von Kongressabgeordneten vor Monaten entwickelte Papier „Meeting the Challenge –U.S. Policy toward Iranian Nuclear Development“, sehen eine schrittweise Eskalation bis hin zum Atomschlag vor.

Eritrea grenzt an die praktisch nur aus einer US-NATO-EU-Militärhafen bestehende französischen de-facto-Kolonie Djibouti, in der jetzt laut der für morgen in Bundestag geplanten Regierungsermächtigung deutsche See-, Luft- und Landstreitkräfte nach den NATO-Einsatzregeln zum Kampfeinsatz kommen dürfen.

Bei sowas kann ruckzuck „zurückgeschossen“ werden.

US-DROHUNGEN GEGEN ERITREA

Unbemerkt von der deutschen Öffentlichkeit hat sich seit Jahren ein stetig wachsendes Dropotential gegen den ehemals zu Äthiopien gehördenden Staat aufgebaut. Dies ergibt sich aus der Geschichte der Region nach dem Zusammenbruch des Ostblocks (Radio Utopie berichtete am 11.Dezember.) Gestern nun schrieb die „Sudan Tribune“:

„Es gibt zwei mögliche Faktoren, warum die USA möglicherweise jetzt zu Massnahmen greifen will:
Erstens: radikale somalische Aufständische, welche die USA als Terroristen mit angeblichen Al-Qaeda-Verbindungen ansieht, gewinnen die Oberhand im Somalia Konflikt, welches die Möglichkeit von mehr blutigen Konfrontationen zwischen Clans und verschiedenen islamistischen und säkularen politischen Gruppen erhöht. Von Eritrea sagt man, dass es den Aufstand unterstützt.
Zweitens: die laufenden Meldungen über Eritreas Entscheidung angeblich Iran (welcher bereits auf der US-Terrorliste steht) erlaubt zu haben eine Militärbasis im strategisch wichtigen Hafen Assab am Roten Meer nahe der Grenze zu Djibouti zu errichten, ist eine sehr unwillkommene Entwicklung für die USA, Israel und Äthiopien, Eritreas Erzfeind.“

FDP UND GRÜNE VERHINDERN BUNDESTAGS-ANHÖRUNG

Sicherlich wären all diese Fakten, Berichte und strategischen Hintergründe für 99% aller Bundesbürger ein Grund die eigene Regierung wenigstens genauer zu befragen, bevor man ihr eine Ermächtigung für den Kriegseinsatz deutschen Militärs in mehreren Staaten einer hochbrisanten Region in einer gefährlichen weltpolitischen Lage erteilt.

Aber nicht für die Bundestagsabgeordneten von FDP und Bündnis 90/Die Grünen.

Wie „Hintergrund“ bereits am 14.Dezember berichtete, forderte die Linksfraktion im Bundestag für die morgige Sitzung eine Anhörung durch das Parlament. Doch dazu braucht es 25 Prozent der Abgeordnetenstimmen. FDP und Bündnis 90/Die Grünen sahen dafür aber keinen Bedarf.

Sie werden schon wissen, warum.

(…)

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02.11.08 Deutsches Kriegsschiff an NATO-Manöver vor Iran beteiligt: OEF-Mandat?

aus 2007:

12.01.2007 Der kommende Ostafrika-Krieg

10.01.2007 US-Spezialeinheiten seit 2002 in Somalia

09.01.2007 US-Angriff in Somalia, US-Atom-U-Boot rammt Öltanker

Quellen aktualisiert am 4.März 2015. Der Inhalt wurde nicht verändert.

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