Was gestern Abend US-Aussenministerin Hillary Clinton gestern Abend ankündigte, war immerhin nicht das übliche Blutbad für den guten Zweck. Die (offiziell) 2.Somalia-Invasion nach 1992 fällt (zumindest vorläufig) aus. Stattdessen gab´s mal was neues: den Piraten-Assets soll auf einer Geberkonferenz am 23.April in der EU-Hauptstadt Brüssel mit den Mitteln des 21.Jahrhunderts der Geldhahn zugedreht werden.
Sie müssen sich jetzt diesen Satz, genauso wie die Überschrift, mit Anführungszeichen geflutet vorstellen, aber so hat das die US-Aussenministerin gestern Abend gesagt.
Sie müssen sich jetzt diesen Satz, genauso wie die Überschrift, mit Anführungszeichen geflutet vorstellen, aber so hat das die US-Aussenministerin gestern Abend gesagt. Schauen Sie selbst. Hier die angekündigten Massnahmen, wie sie in den Mähdien zusammengefasst wurden.
Also: erstmal kein grösseres Massaker. So weit, so gut. Aber was hat das jetzt alles zu bedeuten?
„Vermögen verfolgen und einfrieren“, man wusste gar nicht dass das geht. Also mal ehrlich. Das war irgendwie noch nie so richtig vorgesehen in der westlichen Welt. Stattdessen hiess es immer „Just follow the Muslim“.
Mal gelassen abwarten, was dass nun wieder heisst. Was kümmelt´s mich, ich habe kein Vermögen. Na gut – vielleicht muss man wieder einmal umdenken, weil es um die Implementierung neuer Systeme zur Bevölkerungskontrolle wegen irgendwelchen Fantomen oder Operationen unter falscher (Piraten-)Flagge geht.
Bei der „Geberkonferenz“ am 23.April wird jedenfalls Geld ausgeschüttet werden. Dieses wird an Bewaffnete oder deren Kommandeure gehen, soviel ist sicher. Wieder wird man erzählen, dass es irgendwelche guten Bewaffneten sind, nette Militärs, nette Regierungen mit netten Militärs, nette westliche „NGOs“ die alle in den letzten 20 Jahren durch nette Spione unterwandert wurden und heute sowieso mit den Militärs unter einer netten Decke stecken.
Meistens ist es aber so, dass im Vorfeld solcher im „Westen“ stattfindenden Konferenzen sämtliche Milizenchefs und Kriegsfürsten im afrikanischen und asiatischen Raum (wo gerade Krieg herrscht) die Straussenfedern ausfahren, vor die Kameras und die Mikros der Nachrichtenagenturen rennen, erzählen was für tolle Kerle sie sind und dass sie dem Problem mit ihren Leuten ganz schnell den Garaus machen könnten. Dass das Problem meistens aus ihren Leuten besteht, weiss dann meistens nur ein Teil der westlichen Geheimdiensten.
Desweiteren: es gibt keinen Staat Somalia. Schon seit 1991 nicht. Es gibt auch keine Regierung in Somalia. Heute steht das sogar in jeder Zeitung. Weil es grade passt.
Als es gerade nicht passte, weil man wieder mal einen Vorwand brauchte um das Völkerrecht ausser Kraft zu setzen, hörte sich das im UNO-Sicherheitsrat am 2.Juni 2008 in Resolution 1816 noch so an:
„7. beschließt, dass die Staaten, die mit der Übergangs-Bundesregierung bei der Bekämpfung der Seeräuberei und bewaffneter Raubüberfälle auf See vor der Küste Somalias zusammenarbeiten, nach vorheriger Unterrichtung des
Generalsekretärs durch die Übergangs-Bundesregierung, für einen Zeitraum von sechs Monaten ab dem Datum dieser Resolution
a) in die Hoheitsgewässer Somalias einlaufen dürfen, um seeräuberische Handlungen und bewaffnete Raubüberfälle auf See in einer Weise zu bekämpfen, die den nach dem einschlägigen Völkerrecht auf Hoher See zulässigen Maßnahmen gegen Seeräuberei entspricht;
b) innerhalb der Hoheitsgewässer Somalias alle notwendigen Maßnahmen zur Bekämpfung seeräuberischer Handlungen und bewaffneter Raubüberfälle in einer Weise anwenden dürfen, die den nach dem einschlägigen Völkerrecht auf Hoher See zulässigen Maßnahmen gegen Seeräuberei entspricht;“
Das heisst, diese „TSG“ (die Amerikaner lieben diese Kürzel, sie geben sie allem und alles), diese „Transitional Gouvernment“, diese „Übergangsregierung“ mit diesem Witzbold Abdullahi Yusuf Ahmed (Cabdulaahi Yuusuf Axmed) der in Kenia sitzt und ab und zu nach Mogadishu fliegt, diese TSG diente EU und USA noch letzten Sommer als Garderobenständer, welcher ihnen vor der Weltöffentlichkeit die „Erlaubnis“ gab in den eigenen Hoheitsgewässern zu operieren. Und Russland und China machten mit.
Das Internationale Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen UNCLOS aus dem Jahre 1982 gibt jedem Staat die Möglichkeit gibt, zu jedem Zeitpunkt Seeräuber dingfest zu machen, zu verhaften, auch umzubringen, alles was man will.
Aber eben in internationalen Gewässern.
Nach der Ausserkraftsetzung des Völkerrechtes durch UN-Resolution 1816 am 2.Juni im Weltsicherheitsrat aber hatten Staaten nun das Recht dazu, in die Hoheitsgewässer anderer Staaten einzudringen und dort die eigenen Militärs einzusetzen.
Wenn man sich das ganze begleitende Geschwätz in der Resolution 1816 durchliest, „ersucht“, „bekräftigt“, „fordert“, „in Erwägung“, „in Betracht ziehend“, „feststellend“, „bekundet“, „zutiefst besorgt“, „mit dem Ausdruck“, „erklärend“, dann findet man die alte Taktik der Neokonservativen und gescheiterten Weltkrieger:
„Du kommst mit Geschwätz nicht mehr weiter? Schwätz mehr.“
„Du kommst mit Gewalt nicht weiter? Benutz mehr Gewalt.“
„Dir glaubt niemand mehr? Lüg einfach noch dreister.“
Nun könnte man sagen, gut, war die Bush-Regierung. Fakt ist:
1) Bis jetzt ist die Weltbevölkerung zu uninformiert um auch nur im Ansatz zu begreifen was da vor sich geht.
2) Die Regierungen in Peking und Moskau haben mit den USA und der EU bei dieser Ausserkraftsetzung des Völkerrechts im Territorium des ex-Staates Somalia kollaboriert.
Diese Gegend wird zu einer Art Feldlabor dafür, wie weit man internationales Recht brechen, neu zusammensetzen, ignorieren, transformieren, verändern kann. Dabei ist das militärische Trampolin bis nach unten durchgedrückt. Jederzeit kann der Ballast abgeworfen werden, die Kriegsmaschinerie ist zum Absprung bereit.
Anzumerken ist ausserdem, dass Hillary Clinton Puntland erwähnte. Der Kleinstaat ist seit 1992 de facto unabhängig und erklärte 1998 seine „Autonomie“. Ausgerechnet unter eben jenem Abdullahi Yusuf Ahmed als Machthaber, der jetzt der „Präsident“ der vollkommen machtlosen „TSG“ ist, der „Übergangsregierung“ eines Staates Somalia, der vor 18 Jahren aufhörte zu existieren – rein zufällig zum gleichen Zeitpunkt, als US-geführte Invasionstruppen den ersten Irakkrieg begonnen.
Am frühen Morgen des 17. Januar 1991 begannen damals die Alliierten den ersten Irakkrieg mit einem massiven Luftschlag.
Am 26.Januar 1991 musste der zuvor die USA fallengelassene Diktator Somalias Siad Barre aus der Hauptstadt Mogadishu fliehen. Damit brach der Staat auseinander und hörte auf zu existieren.
Mit dieser Begründung rückte man also, auch mit deuschen Truppen, in Somalia ein. Das Debakel ist bekannt. Nun wird Puntland ins Gespräch gebracht. Puntland hat jede Menge Erdöl und Rohstoffe, jede Menge gieriger Weltkonzerne vor der Haustür welche diese ausbeuten wollen und liegt genau am Horn von Afrika. Und pikanterweise gab diese TSG-Witzfigur von Ahmed nun, dank der UNO-Sicherheitsrat mit der nötigen Bedeutung ausgestattet, den Grossmächten die „Erlaubnis“ im Hoheitsgewässer „Somalias“ zu operieren.
Es gibt aber keine Hoheitsgewässer Somalias. Diese stehen nur noch auf dem Papier. In Wirklichkeit sind es die Hoheitsgewässer des nicht anerkannten Staates Puntland, in denen die Militärmächte seit dem 2.Juni 2008 nun operieren können, weil ihnen die (international anerkannte) „TSG“-Witzregierung eines seit 1991 nicht mehr existierenden Staates die Erlaubnis dazu gab.
Entscheidend für die weitere Entwicklung in Ostafrika wird sein, wie sich im Vorfeld der strategischen Somalia-Strategiekonferenz der Grossmächte die Weltöffentlichkeit verhält. Bleibt sie wieder mal bei den Gesängen der sterbenden hässlichen Schwäne in den Nachrichtenagenturen hängen, oder versucht sie durch deren Nebelschleier sich selbst ein Bild zu machen?
(…)
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