Afghanistan tritt in eine verschärfte Phase politischer und militärischer Machtkämpfe zwischen den Koalitionstruppen der USA und den Talibankämpfern ein.
Unter der neuen US-Regierung wird es ein noch grösseres militärisches Eingreifen in das vom Bürgerkriegen zerrissene Land geben und es wird die Bevölkerung schon mal auf neue Opfer und Kosten eingestimmt.
US-Vizepräsident Joe Biden sagte in einem CBS-Interview:
„Es ist mir unangenehm, davon zu sprechen, es wird aber neue Verluste geben. Sie werden zunehmen. Die Taliban kontrollieren große Teile des Landes, wo es sie zuvor nicht präsent waren… Wir werden versuchen, die praktisch verlorenen Gebiete zurück zu erobern, das wird zusätzliche Truppen erfordern… All dies bedeutet, dass wir uns nun mehr Kämpfe mit dem Gegner liefern werden“.
Damit spricht er aus, was dieser Krieg ist: ein Eroberungskrieg.
Die strategische Situation hat sich zu Gunsten der Taliban-Kämpfer entwickelt, die einen grossen Teil das Landes unter ihrer Kontrolle haben.
Der von Amerika unterstützte Präsident Afghanistans, Hamid Karsai stellt sich auf die neue Situation ein und versucht sich den Rücken nach allen Seiten hin frei zu halten. So kritisiert er zunehmend die amerikanischen Militäraktionen im Land. Die offizielle Verurteilung der tödlichen Übergriffe auf Zivilisten durch die Koalititionstruppen ist auf der Website des Präsidenten am 8. Januar 2009 zu lesen:
H. E. Hamid Karzai, President of the Islamic Republic of Afghanistan Thursday condemned the killing of 17 civilians, including women and children, during a Coalition forces counter-terrorism operation. “The government of Afghanistan has repeatedly declared its position with regard to the civilian casualties during counter-terrorism operations by international forces. These incidents risk undermining the war on terror and our successes and, must soon come to an end.“
Die letzten zivilen Opfer eines erneuten Einsatzes in der Provinz Laghman in Ostafghanistan waren vergangenen Samstag 16 Personen, darunter Frauen und Kinder, sagte gestern Karsai.
Der Druck auf Karsai durch die eigene Bevölkerung wächst. Gestern demonstrierten in der Stadt Mehtar Lam Tausende gegen die afghanische Regierung und die alliierten Truppen des westlichen Bündnisses. Die Bevölkerung ist nicht mehr gewillt, die Terroranschläge auf die Zivilbevölkerung hinzunehmen:
„Falls die ausländischen Truppen ihre Einsätze nicht beenden, dann ziehen wir in den Heiligen Krieg“
Das afghanische Verteidigungsministerium fordert nun mehr Einflussnahme auf derartige Operationen und hat einen entsprechenden Vereinbarungsentwurf an die NATO und die amerikanische Regierung gesandt.
Der afghanischen Regierung werden unterdessen von NATO-General Jaap de Hoop Scheffer massive Vorwürfe wegen ihrer Unfähigkeit und Korruption gemacht:
„We have paid enough, in blood and treasure, to demand that the Afghan government take more concrete and vigorous action to root out corruption and increase efficiency, even where that means difficult political choices. Afghans need a government that deserves their loyalty and trust; when they have it, the oxygen will be sucked away from the insurgency. The basic problem in Afghanistan is not too much Taliban; it‘s too little good governance.“
Die afghanische Regierung wird zusätzlich zu den Abkommen mit der USA und NATO zum Schutz des Landes vor den Taliban ein Sicherheitsabkommen mit Russland „as a friendly government to Afghanistan“ (Medwedew) in den Bereichen Verteidigung und Sicherheit des Landes abschliessen.
Der zu erwartende Einfluss Russlands auf Afghanistan kann nicht im Interesse der US-Regierung liegen genau so wie im umgekehrten Fall Russland die ausgeweitete Präsenz der USA an den asiatischen Grenzen Russlands so wie an den europäischen in der Ukraine oder Georgien äussert beunruhigt.
Russland steht schon bereit, in Afganistan noch mehr Einfluss aus zu üben. Die USA werden in ihrer jetzigen stagnierenden Lage erst einmal die von Russlands Präsidenten Medwedew angebotene Zusammenarbeit annehmen, dazu der Sprecher des US-Außenministeriums, Robert Wood:
„Wir erwarten mit Ungeduld die Möglichkeit, mit Russland in Bezug auf Afghanistan zusammenzuarbeiten. Es liegt im Interesse unserer beiden Länder, zu versuchen, die Lage in Afghanistan zu stabilisieren und zusätzlich die wirtschaftliche Entwicklung und Sicherheit in diesem Land zu gewährleisten. Wir werden mit Russen sprechen und wir haben bereits Diskussionen mit den Russen gehabt, wie wir unsere Zusammenarbeit in Afghanistan erweitern können“
Zum jetzigen Zeitpunkt braucht die USA die Zusammenarbeit mit Russland letztendlich um die Logistik der Truppen und Versorgungsgüter abzusichern.
Russland wird sich nach eigenen Angaben nicht mit russischen Truppen am Kampf gegen die Taliban in Afghanistan beteiligen.
Russlands Vertreter bei der NATO, Dmitri Rogosin sagte in einem Interview mit Echo Moskwy:
„Wir waren schon dort, und es hat uns überhaupt nicht gefallen.“
Vergangenen Freitag forderte Medwedew eine gleichrangige Beteiligung in der Region mit den USA:
„Dies muss eine voll entwickelte und ebenbürtige Partnerschaft sein“
Russland wird bei dem Transit von Versorgungsgütern für die NATO-Truppen Hilfe leisten und sich dafür einsetzen, das Transportrouten von Russland durch Kasachstan und Usbekistan oder durch Aserbaidschan als Alternative zum unsicher gewordenen Khyber-Pass in Pakistan zur Verfügung stehen.
Dazu der U.S. Gen. David Petraeus:
„It is very important as we increase the effort in Afghanistan that we have multiple routes that go into the country. We have sought additional logistical routes into Afghanistan from the north. There have been agreements reached, and there are transit lines now and transit agreements for commercial goods and services in particular that include several of the countries in the Central Asian states and also Russia.“
Hilfsorganisationen sprechen von 1100getöteten und 2800 verletzten Zivilisten allein im Jahr2008:
„US-led NATO and coalition forces also failed to ensure adequate safety and security for civilians in their counter-insurgency operations. Military operations conducted by these forces in 2008 caused at least 1,100 civilian deaths, 2,800 injuries and displaced from their homes around 80,000 people.“
Diese militärische Einmischung und brutale Vorgehensweise der amerikanischen Einsatzkommandos gegen die Zivilbevölkerung wird nur Eines erreichen: die vorbehaltlose Unterstützung der Taliban. Die Spirale der Gewalt wird höher und höher geschraubt. Es werden vermehrt echte und inszenierte Anschläge mit möglichst vielen Opfern unter der Bevölkerung folgen, um damit ein jeweiliges eigenes militärisches Vorgehen zu begründen.
Keiner der beteiligten Konfliktparteien ist gewillt, ein Stückchen zurück zu weichen. Auch deutsche Soldaten beteiligen sich an diesem Krieg.
Dabei bringt nur eines einen dauerhaften Frieden: diplomatische Verhandlungen.
Diese scheinen in Afghanistan nicht erstrebenswert zu sein.