Am kommenden Mittwoch tagen zwei Untersuchungsausschüsse, die sich mit den Ereignissen und Konsequenzen von Winnenden auseinander setzen.
Im Deutschen Bundestag setzen sich in einer öffentlichen Sitzung des Ausschusses für Kultur und Medien Experten und Staatsminister Bernd Neumann (CDU), dem Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, mit der Rolle der Medien in der Berichterstattung zum Amoklauf von Winnenden auseinander, ausserdem stehen der Medien- und Kommunikationsbericht der Bundesregierung (16/11570) sowie ein Entschließungsantrag der FDP dazu (16/12135) auf der Tagesordnung.(1)
Zu der Berichterstattung der Medien ist zu sagen, dass die Konkurrenz um die Leserschaft stets stärker sein wird als moralische Aspekte. Angeblich macht man mit Hiobsbotschaften und dem Gruseln der angesprochenen Klientel den besten Umsatz. Die Medienlandschaft tut alles Erdenkliche, dass das von ihnen uns Anerzogene so bleibt.
Kulturelle niveauvolle Beiträge, die der Entwicklung einer Gesellschaft für ein Miteinander gewidmet sind, kann man mit der Lupe suchen oder auf spätmitternächtlichen Sendeplätzen.
Wenn man den Menschen mit Hilfe gepushter einseitiger Nachrichten immer wieder vor Augen führt, was für eine schmähliche Gattung er ist, führt das letztendlich zu der Konsequenz, dass er nicht mehr an das Gute glaubt, für das es sich zu kämpfen lohnte – wozu? Sind wir doch allesamt verdorben und Vernuft und Güte scheint es nicht auf dieser Welt zu geben.
Beim nächsten furchtbaren Ereignis werden die Ticker genau so schnell die Presseagenturen und -redaktionen füttern bis bisher.
Im Übereifer der Berichterstattung kann es zu Ungereimtheiten der Beschreibung der Ereignisse kommen, im Besten Fall wird etwas sofort erwähnt, was von bestimmten Gruppen lieber verschwiegen worden wäre. Es würde einer Zensur entsprechen, wenn für diese Interessensgruppen nur genehmen Nachrichten gebracht werden.
Abweichende Mitteilungen von der gewünschten allgemeinen Meinung kann zur tatsächlichen Aufklärung verschiedener Umstände führen, wenn man ihnen nachgeht.
Es ist nicht ehrlich von Seiten des Staates, der Presse Vorhaltungen zu ihrer Berichterstattung zu machen, so lange er sich selbst ihre Dienste zu nutze macht. Dient sie doch auch der Lancierung von Meldungen im eigenen Interesse, um die Bevölkerung zu manipulieren.
Das Timing der neuen „Erkenntnisse“ zum Amoklauf von Winnenden ist schon auffällig, denn am kommenden Mittwoch wird der Landtag von Baden-Württemberg einen Sonderausschuss zu den Ereignissen und Schlussfolgerungen einsetzen.
Innenminister Heribert Rech (CDU) musste auf Grund von Medienberichten vor zwei Wochen einen anderen Ablauf als der bisherige angegebene eingestehen.
Und plötzlich taucht nach sechs Wochen ein undeutliches Paketdienst-Überwachungskameravideo auf, dass nun wenigstens die zweite Version des Innenministers von Baden-Württemberg untermauern soll. Als sollten wir mit der Nase darauf gestossen werden, dass diese Version nun endgültig und unzweifelhaft ist.
Die Presse berichtet mit der ihr anhaftenden Wollust über Mordphantasien und -gelüste (4), denn Schützenhilfe soll auch ein neuer psychatrischer Bericht des Psychiatrischen Institut Weinsberg bringen, dass Tim an einer „soziale Phobie“ gelitten hätte.
Der schulpsychologischen Dienst des Landes Baden-Württemberg sagt dagegen aus, das ihn Tim zu Gesprächen zur Verbesserung seiner schulischen Leistungen am Ende der Schulzeit aufgesucht hätte.
Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU) möchte am liebsten Stillschweigen und Vergessen um die Ereignisse in Winnenden, und damit Nachforschungen um weitere Details ausschliessen: „Ich rate dringend davon ab, Winnenden zu einem Thema des Bundestagswahlkampfes zu machen.“
Das würde wieder zu viel Staub aufwirbeln.
Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble versucht statt dessen das Thema Winnenden für seine Versuche der Bevölkerungskontrolle und der dazu notwendigen Verfassungsänderung zu instrumentalisieren. Als hätte er nur auf eine günstige Gelegenheit gewartet, hat er die Vorschläge gleich parat: biometrischer Fingerabdruck, Scanner und Verfassungsänderungen noch in dieser Wahlperiode.
Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihr Innenexperte der Bundes-CDU Wolfgang Bosbach fordern unangemeldete „Überraschungsbesuche“ bei legalisierten Waffenbesitzern und somit eine Verletzung der Unantastbarkeit der Privatsphäre des Bürgers nach Artikel 13 des Grundgesetzes: „gegebenenfalls müsse dafür auch der Artikel 13 Grundgesetz geändert werden.“ (3)
Diese Bundesregierung schiesst sich mit Volldampf ins Abseits.
Artikel zum Thema
10.04.2009 Winnenden: Justizminister Goll (FDP) hat Fragen an Innenminister Rech (CDU)
09.04.2009 Winnenden: Schäuble bei neuem Angriff gegen Grundgesetz ohne Mehrheit
08.04.2009 Winnenden: Rech und Staatsanwaltschaft Stuttgart müssen vor Innenausschuss aussagen
04.04.2009 Winnenden: Staatsanwaltschaft ändert Tatversion
17.03.2009 Neue Verschwörung gegen das Grundgesetz: Artikel 13 soll fallen – wegen Winnenden
15.03.2009 Winnenden: Regierung will „Überraschungsbesuche“ von Polizeieinheiten, Zensur des Internets
21.11.2008 Schon wieder Angriff auf das Grundgesetz: Schäuble stellt Bundesrat in Frage
Quellen:
(1)
http://www.bundestag.de/aktuell/archiv/2009/24133721_kw17_medien/index.html
(2)
http://www.zeit.de/news/artikel/2009/04/19/2777450.xml
(3)