Das Raketensystem SM-3 IIA, produziert vom Konzern für Kriegs- und Spionage-Technologie Raytheon, soll nicht nur zum Abschuss von Schiffen, Flugzeugen und Trägersystemen, sondern auch von Satelliten verwendbar sein. Nun drängt das Pentagon die Regierung in Tokio zur Ausfuhr der Raketensysteme, auch nach Südkorea und Israel, welches vor kurzem seinen sechsten Spionage-Satelliten startete, während der Iran den Start seines ersten angekündigt hat. Hintergrund ist ein geostrategisches Ringen zwischen den USA und China.
Am Sonntag erschien eine viel- und gleichzeitig nichtssagende Meldung der japanischen Nachrichtenagentur „Kyodo“ (1). Thema waren „gemeinsam von Tokio und Washington“ entwickelten Standard Missile-3 Block IIA Abfangraketen (eine Weiterentwicklung der SM-3). Diese sollen zunächst seegestützt, dann auch von Land aus eingesetzt werden und gegen Schiffe, Flugzeuge, Trägersysteme / ballistische Raketen sowie Satelliten anwendbar sein.
„Gemeinsame Entwicklung“ dechiffriert sich in der verlogenen Pressewelt wie folgt: die Japaner bezahlen und US-Kriegskonzerne produzieren. Leider brauchen diese Konzerne (a.k.a deren Regierung in Washington) die Genehmigung der Regierung Japans, um diese Waffen nun weltweit gewinnbringend unter die Völker zu bringen. Und die entsprechende Propaganda dafür, um Tokio weich zu kochen, hat nun begonnen.
Nach geltendem Gesetz darf Japan keine Waffen in Konfliktgebiete liefern. Die kaiserlich-bürokratisch-militärische Plappermühle „Kyodo“ betete entsprechend endloses Zeug herunter, um allerlei Ausnahmen geltend zu machen. Die entscheidende Information dabei war, dass die US-Regierung nun die Tokioter Regierung angewiesen hat – Gesetze hin oder her – über Exporte der Waffensysteme in Drittländer einmal ernsthaft nachzudenken:
„Die US-Seite will, dass Japan bis Ende des Jahres antwortet – eine Forderung, die, wie ein leitender Beamter des Verteidigungsministeriums sagte, schwer zurückzuweisen ist, wenn man an die Zukunft des Raketenentwicklungsprojektes denkt.“
Angeblich sollen die Waffen sollen vor allem nach Europa exportiert werden, heisst es bei „Kyodo“. Dort verzichteten die USA vor kurzem großzügig auf einen weiteren Ruin ihrer eigenen diplomatischen und politischen Stellung, indem sie die Stationierung eines neuen Raketensystems (u.a. an der russischen Grenze) absagte.
Doch darum geht es nicht.
Entwickelt werden die Standard Missile-Raketen durch den US-Konzern Raytheon. Der Kriegskonzern ist auch über beide Ohren in den Spionage-Komplex der USA verstrickt (TOP SECRET AMERICA (II): “Nationale Sicherheit AG”, 24.Juli). Federführend bei der Entwicklung ist die „Missile Defense Agency“ des Pentagon. Die Standard Missile-Systeme sind ab der 2.Entwicklungsstufe an das Aegis-Kampfsystem gekoppelt worden, welches zur weltweiten Datenvernetzung verbündeter Streitkräfte und deren koordininerter Luft- und Seekriegführung entwickelt wurde.
Die SM-2 kam u.a. zum Einsatz, als es am 18.April 1988 im Persischen Golf zu Gefechten zwischen den Marinestreitkräften des Iran und den USA kam. Das iranische Patrouillenboot Joshuan wurde durch SM-2 Raketen versenkt. Nur Monate später verwechselte am 3. Juli 1988 das Aegis-System des US-Kriegsschiffes USS Vincennes angeblich einen Airbus A300B2 der Fluggesellschaft Iran Air auf Flug 655 nach Dubai mit einer F-14 der iranischen Luftwaffe. Die USS Vincennes startete eine SM-2 und schoss das Passagierflugzeug ab. Alle 290 Passagiere kamen um´s Leben.
Die neuen SM-3 IIA (SM-3 2A)-Systeme sollen 2015 einsatzbereit sein. Eine Variante der Standard Missile-Raketensysteme – welche wie erwähnt primär seegestützt operiert – wird bereits durch Israel eingesetzt, zur Abwehr iranischer Raketenangriffe, wie es heisst. (2)
Seitens militärnaher Quellen wird die Stationierung der neuen SM-3 Variante „in der Region“ des östlichen Asiens gefordert. Explizit Südkorea wird dabei genannt. Vordergründig geht es dabei um Abwehrmaßnahmen gegen Nordkorea. Aber (3):
„Pentagon-Führer und zivile Verteidigungs-Analysten sind zunehmend besorgt über die wachsende Bedrohung die Chinas sogenannte Anti-Zugangs- und Gebietszugangsverweigerungs-Kapazitäten darstellen. Im Speziellen verweisen sie auf Pekings massive Investitionen in ballistische Raketen und die dazu gehörigen Präzisions-Zielsysteme, die dem Land erlauben würden, US-Basen in Guam, Okinawa, Japan und Südkorea genau anzuvisieren.“
Nach öffentlich zugänglichen Informationen gelang China am 12.Januar 2007 als erster Militärmacht offiziell mit einem bodengestützten Raketensystem der Abschuss eines Satelliten, noch dazu in einem Orbit von stattlichen 850 Kilometer Höhe über dem Erdboden. Die Tatsache, dass es ein eigener, ausgedienter Satellit der Chinesen war, diente keineswegs dazu, die konkurrierenden blamierten Militärmächte zu beruhigen. Die USA, Japan, Australien und Kanada protestierten. (4)
Anfang 2008 versuchten die USA nachzuziehen. Zuerst startete die übliche verdächtige Medienmaschinerie die übliche herzzerreißende Geschichte eines außer Kontrolle geratenen Spionagesatelliten, der die Erde mit gefährlichem Material bedrohe, was aber so geheim blieb wie die üblichen Medieninformanten (5):
„Er könnte gefährliches Material enthalten, und es sei nicht bekannt, wo der künstliche Himmelskörper auf die Erde auftreffen würde, teilten Informanten mit, die mit Hinweis auf diese als geheim eingestuften Informationen anonym bleiben wollten.“
Schnell wurde klar: es ging um ein Gleichziehen im Weltraumkrieg und den Test eines neuen US-Raketensystems, namentlich der Aegis-gestützten SM-3. China und Russland hatten zuvor den Vereinten Nationen einen Vorschlag für ein Verbot von Weltraumwaffen vorgelegt. (6)
Am 21. Februar 2008 schoss das US-Militär dann eine seegestützte und Aegis-geleitete SM-3 auf den ausgedienten Spionagesatelliten, der sich auf einer Höhe von 247 Kilometern befunden hatte. Es wurde eine Riesenblamage. Das Objekt wurde nicht wie vorher gesagt zertrümmert. Es dauerte bis 09. Oktober 2008 bis das letzte katalogisierte Teil des Satelliten schliesslich in der Erdatmosphäre verglühte. (7)
Am 21.Juli gab Israel den Start seines sechsten Spionage-Satelliten Ofeq-9 bekannt (8). Zwei Tage gab, sicher rein zufällig, der Angestellte eines russischen Weltraumkontrollzentrums an, Trümmerteile des 2007 abgeschossenen chinesischen Satelliten befänden sich nicht nur im Orbit, sondern kämen der Internationalen Weltraumstation ISS gefährlich nahe (9). Und gestern, am 25. Juli, kündigte Irans Präsident Mahmud Ahmadinejad den Start eines eigenen Spionage-Satelliten an, unauffällig geparkt in der Meldung, man werde im Jahre 2019 einen eigenen Astronauten ins All schicken. (10)
Rein technisch gesehen sind zivile Trägersysteme, die Satelliten in eine Erdumlaufbahn bringen, auch Interkontinentalraketen. Jede Ankündigung eines Satellitenstartes ist so für jede Seite interpretierbar.
Zur Zeit läuft ein umfangreiches Seemanöver der USA und Südkoreas im Gelben Meer unmittelbar vor den Küsten Nordkoreas und Chinas. U.a. nimmt der US-Flugzeugträger „George Washington“ daran teil. Wie es aus Washington heisst, seien in den „kommenden Monaten weitere Provokationen Nordkoreas“ zu erwarten. (11) (Korrektur, 27.01.: Das Manöver wurde wegen Protesten Chinas ins Japanische Meer verlegt, 14).
Mindestens bis zum G-20 Gipfel in Seoul wird in der Tat mit weiteren Provokationen zu rechnen sein, allerdings nicht von Seiten Nordkoreas, was an der Versenkung des südkoreanischen Kriegsschiffs Cheonan am 26.März während eines US-südkoreanischen Militärmanövers nach allen vorliegenden Beweisen nicht beteiligt war. (12, 13). Vielmehr ist davon auszugehen, dass die USA alles daran setzen werden, die Spannungen in der Region künstlich hochzuhalten, um China irgendwie dazu zu bringen, den Renminbi / Yuan gegenüber dem Dollar aufzuwerten. (DER WELTFINANZKRIEG: Die Vier Zonen der Ökonomie, 11.Juni)
Im Westen nichts Neues.
(…)
Artikel zum Thema:
20.01.2010 China auf dem Weg in die zivile und militärische Kommunikationsunabhängigkeit
28.11.2009 Gordon Browns weltweite Satellitenpolizei
24.05.2010 Kriegsprovokation der USA und Südkorea mit Militäraufmarsch vor Nordkoreas Haustür
11.06.2010 Südkoreanischer Spionage-Satellit beim Start explodiert
12.03.2010 Russland und Indien nutzen gemeinsam Satellitennavigationssystem GLONASS
04.10.2009 Höhenrausch der Bundeswehr im Zeitalter multinationaler Einsätze: erster eigener Kommunikationssatellit im Weltall
07.11.2009 US-Militär: Chef des Strategischen Kommandos verlangt mehr Mittel für Weltraum-Überwachung
25.08.2009 Südkoreanischer Satellit übers Ziel geschossen
05.08.2009 Ping-Pong-Diplomatie
13.06.2009 Oberhoheit im erdnahen Weltraum wird weiter von US-Militärs ausgebaut
25.05.2009 Kontrollkrieg der Weltraummächte gegen Nordkorea
06.04.2009 Nordkorea und der Weltraumschrott: Wie USA und EU versuchen, das Weltrecht auf Raumfahrt zu zerstören
01.04.2009 US-Spionage-Flugzeuge finden in Nordkorea einen Satellit
04.03.2009 Satellitenkollision – Vorbote von künftigen Weltraumkriegen
13.02.2009 „Zusammenstoss“ der Weltraummächte vor Sitzung von UNO-Weltraumausschuss
Quellen:
(1) http://home.kyodo.co.jp/modules/fstStory/index.php?storyid=513808
(2) http://www.defensenews.com/story.php?i=4706819&c=FEA&s=COM
(3) http://www.defpro.com/news/details/16393/
(4) http://www.stern.de/politik/ausland/krieg-im-all-china-feuert-rakete-auf-satellit-580690.html
(5) http://www.spiegel.de/wissenschaft/weltall/0,1518,531264,00.html
(6) http://www.heise.de/tp/r4/artikel/27/27302/1.html
(7) http://www.raumfahrer.net/raumfahrt/raketen/usa193.shtml
(8) http://www.upi.com/Business_News/Security-Industry/2010/07/21/Israel-launches-Ofeq-9-satellite/UPI-13791279743571/
(9) http://www.google.com/hostednews/afp/article/ALeqM5jOyTJw-LH7jmYO6wYqM3tVPUidrg
(10) http://www.tehrantimes.com/index_View.asp?code=223589
(11) http://de.reuters.com/article/topNews/idDEBEE66O03F20100725
(12) http://alles-schallundrauch.blogspot.com/2010/07/die-cheonan-wurde-nicht-von-einem.html
(13) http://www.japanfocus.org/-Tanaka-Sakai/3361
(14) http://derstandard.at/1277338925362/Peking-hoechst-veraergert-ueber-US-Seemanoever