Die Türkei muss ruhig bleiben

Istanbul: Heute hat das Verfassungsgericht der türkischen Republik ein Verbotsverfahren gegen die Partei des Ministerpräsidenten Tayyip Erdogan und des Staatspräsidenten Abdullah Gül eröffnet.
Es ist die klassische Variante eines kalten Staatsstreichs innerhalb des US-Einflussbereichs, wenn die blutige Variante nicht aussichtsreich erscheint.
Die eigentlichen Strippenzieher und Anführer dieses Putsches von US-Gnaden sind 2 Personen: Generalsstabschef Yasar Büyükanit und sein dieses Jahr das Amt übernehmender Heereskommandeur Ilker Basbug.

Eine Rolle mag spielen, dass die türkische Regierung vor kurzem als einzige in der Region das skurrile Projekt der sogenannten „Mittelmeerunion“ klar ablehnte.

HINTERGRUND

Vor knapp 2 Wochen machte Ministerpräsident Erdogan einen umfangreichen Reformplan öffentlich, den „wir als Türkei schon vor Jahrzehnten hätten umsetzen sollen“.
Er sieht neben einer 8 Milliarden Euro schweren Wirtschaftsinitiative zur Unterstützung der Landwirtschaft in den mehrheitlich von kurdischen Türken bewohnten Gebieten im Osten des Landes auch ein mehrsprachiges Fernsehprogramm vor.
Für türkische Verhältnisse ein immenser Fortschritt. Lange Zeit war die kurdische Sprache verteufelt und bestraft worden, besonders in den Zeiten als die Republik durch eine blutigen Militärdikatur ersetzt wurde.

Heereschef Ilker Basbug schien damals dem Plan, den kurdischen Türken durch Verbesserung ihrer Lebensumstände die Motivation für eine Unterstützung des Guerilla-Kampfes der PKK zu nehmen, nicht feindselig gegenüber zu stehen, auch wenn dies ein Ende des Bürgerkrieges und damit eine Schwächung der Militärs bedeuten würde.
Nun aber muss der zukünftige Oberbefehlshaber der türkischen Streitkräfte seine Haltung offenbar geändert haben. Derzeit auf einem Besuch beim Militär Indiens weilend, verlor Basbug kein Wort über den drohenden Sturz der demokratisch gewählten Regierung, sowie des eigenen Staatspräsidenten.
Droht nun nach Jahrzehnten Bürgerkrieg und blutiger Verfolgung Intellektueller, Bürgerrechtler, Künstler und Minderheiten durch die Soldaten ein erneuter Sturz der immer noch jungen türkischen Republik ?

DIE FASCHISTISCHE GEHEIMLOGE ERGENEKON

Ursprünglich ein türkisches Volksmärchen, wurde der Name in den letzten Jahrzehnten für einen ausgerechnet 2001 gegründeten Geheimbund missbraucht.

Die vor kurzem ausgehobene Terrororganisation „Ergenekon“
gilt als Teil
des alten Terrornetzwerkes der NATO namens „Gladio“.

Das Ziel von Ergenekon war eigentlich immer das Gleiche: Krieg führen.
Und gleichzeitig alles dem Gegner in die Schuhe schieben, Minderheiten, Liberalen, Sozialisten, Demokraten, einfach allen die man beseitigen oder kleinhalten wollte zur Beibehaltung der Kontrolle über die Türkei.

Ausrede und Alibi: „die Prinzipien des Kemalismus zu verteidigen“. So verübte man dann Morde und Attentate, betrieb Drogenhandel, arbeitete mit dem Organisierten Verbrechen zusammen und nannte sich gleichzeitig stolz einen „Patrioten“.
Militärs, Polizisten, Juristen, links- und rechtsnationalistische Kräfte wurden festgenommen.
Nun liegen die Ermittlungen seit 8 Monaten brach, ohne das Anklage erhoben wurde.
Es läuft auf einen Machtkampf zwischen der Republik Türkei und kriminellen Profiteuren ungeschriebener Gesetze hinaus.

GELDMASCHINE KRIEG

Es ist auch unter Kurden kein Geheimnis, dass die PKK eine stalinistische Organisation ist.
Von Schutzgelderpressungen, Waffengeschäften und schwerem Drogen- und Menschenhandel in ganz Europa „erwirtschaftetes“ Geld fliesst nur zu 2-3% in den Guerillakampf.
Der Rest versickert bei korrupten Funktionären und ganz normalen kriminellen Seilschaften.

Ein Ende des Bürgerkrieges und der Spannungen in der Türkei wäre nicht nur ein Ende der Vorherrschaft des Militärs, sondern auch ein Ende der Profiteure innerhalb und um die PKK.

Nun hat aber die politische Führung der PKK Anfang Dezember letzten Jahres der türkischen Regierung ein umfangreiches Friedensangebot gemacht, welches die Anerkennung der Türkei bei Akzeptanz der „kurdischen Identität“ beinhaltete.
Was war die Antwort Erdogans und des Militärs darauf?
Sinnlose Militärschläge im Irak und noch mehr Blutvergiessen. Die Parlamentspartei sprach nach den Auseinandersetzungen zum diesjährigen Newroz-Fest letzte Woche von „zentral gesteuerten Angriffen“ und „gezielten Morden“ an türkischen Kurden durch Polizei und Militär. Die Erdogan-Regierung wolle die Anspannung durch die Razzien gegen Ergenekon an den Kurden auslassen, so die Abgeordneten.

Innenminister Besir Atalay zeigte sich bestenfalls hilflos und nicht als Herr der Lage. Ein jämmerliches Bild.

„DIE GESCHICHTE WIRD DIES NICHT VERGEBEN“

so heute Ministerpräsident Erdogan zu dem Putschversuch des Verfassungsgerichtes.
In der Tat ist allein die Zulassung dieses Verbotsverfahrens eine bodenlose Frechheit. Wer ausgerechnet der Regierung und Staatspräsident Gül, einem ruhigen und vertrauenschaffenden Landesvater, antirepublikanische Umtriebe unterstellt und dies nur mit der Aufhebung eines Kopftuchverbotes begründet, ist weder ehrlich, noch seriös, noch im eigentlichen Sinne Jurist.
Dies ist ein simpler Affront und eine Provokation, ohne die Billigung des Militärs nicht denkbar.
Genau deshalb ist es so wichtig, diesen Versuch des kalten Staatsstreiches nicht durch Gegenprovokationen zu legitimieren, erst dann würde das Verfahren überhaupt öffentliche Unterstützung erfahren.
Wenn die Armee jetzt handelt und putscht, ist sie in 72 Stunden durch einen Generalstreik wieder kleinlaut in die Kasernen geschickt, und das weiss sie.

Der einst als Militäragent im belgischen NATO-Hauptquartier in Mons dienende General Ilker Basbug sollte sich genau überlegen was er tut.
Gegen das türkische Volk kann er jedenfalls keinen Krieg gewinnen.
(…)

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